# taz.de -- Politikwissenschaftler über die Tea Party: „Reaktionär, nicht k… | |
> Wovor fürchten sich die Anhänger der Tea Party? Und was haben sie mit den | |
> Konservativen in Europa gemein? Der Politologe Christopher Parker gibt | |
> Antworten. | |
Bild: Probleme mit einem schwarzen Präsidenten: 3D-Obama-Karikatur der Tea Par… | |
sonntaz: Herr Parker, wie konnte die Tea Party in den USA innerhalb weniger | |
Jahre solch einen großen Zulauf finden? | |
Christopher S. Parker: Dem gingen drastische gesellschaftliche | |
Veränderungen voraus. Der erste schwarze Präsident wurde gewählt. Damit hat | |
sich das Land verändert. Die Anhänger der Tea Party befürchten nun, dass | |
ihnen das Land, so wie sie es lieben, entgleitet. Das liegt nicht nur an | |
Obama, sondern auch an all den anderen Veränderungen, die zeitgleich | |
stattgefunden haben. Homosexuelle, Frauen und Einwanderer pochen immer mehr | |
auf ihre Rechte und werden dadurch in der Gesellschaft sichtbarer. Das | |
verängstigt ziemlich viele Menschen, vor allem weiße, heterosexuelle Männer | |
der Mittelschicht. Diese Menschen schienen bisher die prototypischen | |
Amerikaner zu sein, die die amerikanische Identität lange definierten. Die | |
Minderheiten, die nun immer mehr an Bedeutung gewinnen, galten im Gegensatz | |
zu ihnen nicht als wahre Amerikaner. Die Tea-Party-Bewegung entstand also | |
aus dieser Furcht, den Einfluss zu verlieren. | |
Wodurch unterscheidet sich die Tea Party von früheren konservativen | |
Bewegungen? | |
In meinen Augen ist die Tea Party nicht konservativ, sondern reaktionär. | |
Konservativ war für mich die Politik Ronald Reagans. Er war auf | |
Verständigung und Kompromisse aus. Die Anhänger der Tea Party aber wollen | |
keine Kompromisse. Für sie ist Politik der Kampf Gut gegen Böse. Und sie | |
wollen das Böse bekämpfen. Im Grunde kann man die Tea Party mit dem Ku Klux | |
Klan der 1920er Jahre oder anderen rechten Bewegungen in den USA, wie der | |
John Bircher Society oder der Goldwater-Bewegung, vergleichen. In all | |
diesen Fällen fühlten sich weiße, alte Mittelschichtsmänner von | |
gesellschaftlichen Veränderungen in ihrer Identität bedroht und sahen sich | |
deshalb zu Reaktionen veranlasst. | |
Spielen nicht auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle? | |
Nein. Während des Aufkommens rechter Bewegungen in den 1920er Jahren | |
befanden sich die USA im Aufschwung, ebenso als andere rechte Bewegungen | |
aufkamen. Allerdings kann man derzeit nicht von einem wirtschaftlichen | |
Aufschwung sprechen. Aber die Einkommen der Unterstützer der Tea Party sind | |
überdurchschnittlich hoch. Ihnen geht es also nicht ums Geld, sondern | |
tatsächlich um Identität. | |
Sehen Sie ähnliche Bewegungen in anderen Ländern? | |
Selbstverständlich. In Großbritannien, Schweden oder Belgien geschieht | |
genau dasselbe. Entweder es geht um Migranten, die angeblich das Land | |
erobern, oder auch um die Gleichstellung von Homosexuellen. Frankreich ist | |
ein gutes Beispiel. Auch dort haben die „wahren“ Franzosen Angst, ersetzt | |
zu werden, und gehen gegen den wachsenden Einfluss von Schwulen und Lesben | |
auf die Straße. | |
Sie beschreiben die Tea Party als eine Graswurzelbewegung, als eine | |
Bewegung von unten. Haben sich die Konservativen hier etwas von linken | |
Bewegungen abgeschaut? | |
Das funktioniert in beide Richtungen. Sowohl rechte als auch linke | |
Bewegungen haben sich in der Vergangenheit immer etwas voneinander | |
abgeschaut. Die Tea Party ist tatsächlich eine Graswurzelbewegung, auch | |
wenn viele das bestreiten. Zwar erhält sie Großspenden von extrem | |
wohlhabenden Menschen, aber über 80 Prozent der Spenden, die sie erhält, | |
liegen unter 200 Dollar und nur 3 Prozent übersteigen 1.000 Dollar. | |
Wie wird es mit der Tea Party weitergehen? | |
Ein Teil der Angst, die die Bewegung antreibt, wird verschwinden, sobald | |
Präsident Obama das Weiße Haus verlässt. | |
Mit Hillary Clinton als Präsidentin wäre die Tea Party am Ende? | |
Diese Bewegung ist nicht nur rassistisch und homophob, sondern auch | |
sexistisch. Deshalb würde sie wohl auch unter Clinton fortbestehen. Aber | |
ich glaube nicht, dass die Ängste noch so akut wären wie unter Obama. | |
23 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Till Kellerhoff | |
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