| # taz.de -- Personalchefin über Frauenförderung: „Rabenmutter? Was soll das… | |
| > In keinem anderen öffentlich-rechtlichen Sender sind so viele Frauen in | |
| > einer Führungsposition wie beim Rundfunk Berlin Brandenburg. Wie hat er | |
| > das geschafft? | |
| Bild: Wichtig für Frauenförderung: mobiles Arbeiten ermöglichen, auch auf de… | |
| taz am wochenende: Frau Deléglise, laut einer [1][Studie des Vereins Pro | |
| Quote Medien] arbeiten beim RBB so viele Frauen in Führungsposition wie in | |
| keiner anderen öffentlich-rechtlichen Anstalt: 54 Prozent der | |
| Leitungsposten sind mit Frauen besetzt. Wie haben Sie das geschafft? | |
| Sylvie Deléglise: In erster Linie, weil unsere Intendantin Dagmar Reim [die | |
| den RBB von 2003 bis Juni 2016 führte; Anm. d. Red.] und ihre Nachfolgerin | |
| Patricia Schlesinger, sich früh und klar zur Frauenförderung bekannt haben. | |
| Dass wir nun so viele Frauen in Führungspositionen haben, hat nichts damit | |
| zu tun, dass wir ein öffentlich-rechtlicher Sender sind. Das können andere | |
| Unternehmen genauso schaffen. | |
| Wie denn? Was konkret tun Sie beim RBB dafür? | |
| Wichtig ist, dass Frauenförderung keine Floskel ist, die auf irgendwelchen | |
| Papieren steht. Sie muss gelebt werden. Wir haben unsere Ziele in mehreren | |
| Plänen festgehalten und evaluieren alle zwei Jahre, was wir geschafft haben | |
| und wo es Handlungsbedarf gibt. Es gibt nicht den einen Weg, man muss | |
| flexibel auf jede Frau und überhaupt jeden Menschen in einer | |
| Führungsposition eingehen. Konkret bedeutet das bei uns: Wir bieten | |
| flexible Arbeitszeitmodelle an, ermöglichen Teilzeit, Jobsharing und | |
| Heimarbeit, Ferienbetreuung für die Schulkinder unserer MitarbeiterInnen in | |
| den Sommerferien, und wir kooperieren mit jeweils einer Kita in Potsdam und | |
| Berlin, in der unsere MitarbeiterInnen bevorzugt Plätze bekommen. Für | |
| kurzfristige Betreuungsengpässe haben wir Eltern-Kind-Zimmer im Sender. | |
| Haben Sie ein Beispiel, wo Sie in letzter Zeit flexibel auf die Bedürfnisse | |
| einer Frau reagiert haben? | |
| Die Leiterin einer Nachrichtensendung bekam ihr drittes Kind, kurz nachdem | |
| sie die Position übernommen hatte. Weil ihr Mann auch flexibel arbeitet, | |
| konnten die beiden sich aufteilen. Sie war morgens hier im RBB, um die | |
| Sendung für den Abend anzuschieben. Dann ging sie nach Hause, kümmerte sich | |
| um die Kinder und kam später wieder, um die Sendung zu betreuen. Das zu | |
| ermöglichen setzt voraus, dass sie der Frau vertrauen und dass sie | |
| Hierarchien neu denken. Wir müssen weg von der Vorstellung, dass ein Chef | |
| immer ansprechbar ist, als Erster kommt und als Letzter geht. In der Zeit, | |
| in der diese Kollegin ihre Kinder betreute, gab es eine Stellvertretung | |
| oder andere KollegInnen, die Entscheidungen treffen konnten. | |
| Wieso braucht es überhaupt mehr Chefinnen? | |
| Das erleichtert die Zusammenarbeit. Die Teams sind ausgeglichener, man | |
| lernt mehr voneinander wenn die Teams diverser sind. Ich bin ein großer Fan | |
| von gemischten Teams. | |
| Oft heißt es, Frauen wollen keine Führung übernehmen. Erleben Sie das? | |
| Das würde ich nicht so stehen lassen. Frauen wollen. Aber sie können nicht | |
| immer. Wer im Job Führung übernimmt, der muss oft im Privaten etwas | |
| aufgeben oder sich umorganisieren. Da ist das Unternehmen gefragt, der Frau | |
| zu helfen. Wichtig ist, dass die Geschäftsleitung dazu steht und | |
| Frauenförderung selbstverständlich in die Unternehmenskultur eingeht. Dazu | |
| braucht es Frauen und Männer auf der mittleren Führungsebene, die ebenfalls | |
| davon überzeugt sind, Frauen zu fördern. Und es braucht die Frauen selbst, | |
| die bereit sind, ihr Privatleben umzuorganisieren, und das auch | |
| signalisieren. Dann überlegen wir, wie wir der Frau helfen können. | |
| Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine Frau befördern wollen? | |
| Wir fragen die Frau, was sie braucht. Nehmen wir an, sie ist zu dem | |
| Zeitpunkt noch in Elternzeit, will den Job, will ihn aber erst nach Ende | |
| der Elternzeit antreten. Dann besprechen wir das mit dem oder der direkten | |
| Vorgesetzten oder in der Personalabteilung und versuchen, das zu | |
| ermöglichen. Oder wenn eine Frau im ersten Jahr nur Teilzeit arbeiten will, | |
| dann fragen wir sie: Willst du eine gleichberechtigte Teilzeitkollegin oder | |
| einen gleichberechtigten Kollegen, also Jobsharing, oder willst du eine | |
| andere personelle Unterstützung? Wir schauen also, was wir tun können, wenn | |
| es passt. Und in der Regel passt es immer. Man muss es nur wollen. | |
| Gibt es solche Wünsche auch von Männern? | |
| Ja. Wir machen da keinen Unterschied. Wir versuchen sogar Männer zu | |
| ermuntern, Elternzeit zu nehmen, und zwar mehr als die zwei Monate, die | |
| viele nur nehmen. Der einzige Punkt, an dem wir zwischen Männern und Frauen | |
| unterscheiden, ist bei der Besetzung von Stellen. | |
| Wie gehen Sie mit Männern um, die sich darüber beschweren, dass sie im | |
| Sender nichts werden können, weil vor allem Frauen gefördert werden? | |
| Dann sagen wir: Das stimmt nicht. Es gibt ein Anforderungsprofil, wir | |
| suchen den oder die Beste. Erst wenn es in einem Bereich zu wenige Frauen | |
| gibt und wir zwei Bewerber haben, die gleich gut sind, erst dann bekommt | |
| die Frau die Position. Wir haben in der Regel transparente | |
| Bewerbungsverfahren: Wir schreiben fast jede Führungsposition aus, für | |
| jedes Bewerbungsgespräch haben wir einen strukturierten Fragenkatalog. | |
| Wenn sich die Führungskraft dann für einen Bewerber entscheidet, muss sie | |
| das ganz genau begründen. | |
| Ein weiteres Vorurteil lautet: Frauen trauen sich nicht. Die ehemalige | |
| RBB-Intendantin Dagmar Reim hat im [2][taz-Interview] gesagt, das erlebe | |
| sie auch in ihrem Sender. Würden Sie das bestätigen? | |
| Ja. Wir merken das nicht nur bei Jobbesetzungen, sondern auch bei | |
| Gehaltsverhandlungen. Frauen geben sich viel eher zufrieden, Männer sind | |
| hartnäckiger. Wenn Frauen sich eine bestimmte Position nicht zutrauen, | |
| versuchen wir, herauszufinden, woran das liegt. Wenn es mit dem Job an sich | |
| zu tun hat, dann akzeptieren wir ihre Entscheidung. Aber wenn sie glaubt, | |
| das privat nicht zu schaffen oder sich noch nicht fit genug zu fühlen, ist | |
| es wichtig, dass wir ihr entgegenkommen und ihr Vertrauen schenken. | |
| Aber auch Ihr Entgegenkommen hat doch sicher Grenzen? Was ist mit der | |
| Alleinerziehenden, die täglich ihre Kinder von der Kita abholen muss und | |
| ihr Privatleben schwer umorganisieren kann? | |
| Das stimmt, das ist schwierig. Deshalb müssen wir Wege finden, diese Frau | |
| dennoch zu unterstützen. Wir können ihr zum Beispiel anbieten, ab und zu | |
| von zu Hause aus zu arbeiten. Wenn die Frau trotzdem ablehnt, werden wir | |
| sie nicht zwingen. | |
| Wie häufig kommt es vor, dass Männer sagen: Ich schaffe das privat nicht? | |
| So gut wie nie. Aber was uns freut, ist, dass hier beim RBB auch Frauen das | |
| immer seltener sagen, weil sie wissen, dass wir viel tun. | |
| Dass Männer seltener Rücksicht auf ihr Privatleben nehmen, zeigt ja, dass | |
| der Wandel, den es braucht, um mehr Führungspositionen mit Frauen zu | |
| besetzen, in erster Linie im Privaten stattfinden muss. Inwiefern kann ein | |
| Unternehmen dabei überhaupt helfen? | |
| Ein Unternehmen allein kann es nicht. Aber wenn viele Unternehmen flexibel | |
| und mutig sind, hilft das schon. Es hilft zum Beispiel auch dabei, Frauen | |
| zu zeigen, dass es keine Schande ist, wenn sie drei Monate nach der Geburt | |
| ihres Kindes wieder arbeitet. Nehmen wir den Begriff „Rabenmutter“: Ich als | |
| Französin habe lange nicht verstanden, was er bedeutet. Diese Vorstellung | |
| von der bösen Mutter, die arbeitet und ihre Kinder vernachlässigt, gibt es | |
| in Frankreich nicht. Wenn es irgendwann eine Selbstverständlichkeit sein | |
| sollte, dass eine Frau, die will, drei bis vier Monaten nach der Geburt | |
| wieder arbeitet, dann haben wir viel geschafft. Und wenn es | |
| selbstverständlich wird, dass auch Männer öfter sagen: „Ich muss heute um | |
| 16 Uhr gehen und meine Kinder von der Kita abholen“, dann haben wir auch | |
| viel geschafft. Um dahin zu kommen, braucht es eine Mischung aus Akteuren: | |
| den Staat, die Unternehmen und die Familien. Aber wir sind da noch am | |
| Anfang. | |
| 13 Jan 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anne Fromm | |
| Jürn Kruse | |
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