# taz.de -- Partei Volt kandidiert bei Hamburg-Wahl: Die neuen Grünen? | |
> Die Partei Volt tritt zum ersten Mal bei der Hamburger Bürgerschaftswahl | |
> an. So richtig einordnen lässt sie sich nicht – und findet das gut so. | |
Bild: Europäisch aufgestellt: Volt-Mitgründer Damian Boeselage 2018 bei einer… | |
HAMBURG taz | Patrick Fischer begutachtet seine Finger. „Einfach keine | |
Arbeiterhände“, sagt er zu Mira Alexander. Die zwei Spitzenkandidierenden | |
der Partei Volt kommen gerade vom Straßenwahlkampf aus der Kälte. Er ist | |
Lehrer, sie Projektmanagerin. Fischers Hände sind trocken und rissig. Auch | |
weil die beiden in den letzten Wochen viele Wahlplakate mit Kabelbindern | |
festgezurrt haben: knalliges Lila, darauf mal Sprüche wie: „Hamburg, mach’s | |
wie Wien.“ Oder: „Hamburg, mach’s mit Rotterdam“. Oder sie zeigen junge | |
Kandidierende, die ein bisschen cooler aussehen als die der anderen | |
Parteien. | |
Die Wahlplakate fallen auf. So richtig gut einzuordnen ist die Partei aber | |
nicht. Manche nennen sie die neuen Grünen, ihr Layout erinnert an die FDP | |
und dann haben sie immer überall diese Europaflaggen dabei. | |
Volt gründete sich 2017. Geschockt vom Brexit-Referendum entschieden ein | |
Deutscher, eine Französin und ein Italiener, mit einer europäischen Partei | |
[1][bei der Europawahl anzutreten]. Anders als bei anderen Parteien gab es | |
ein gemeinsames Wahlprogramm für alle Länder, in denen sie kandidierten. | |
Tatsächlich sitzt jetzt der deutsche Mitgründer Damian Boeselager im | |
Europäischen Parlament – als Teil der grünen Fraktion. | |
Stimmt’s also? Volt – die neuen Grünen? „Man weiß bei den Grünen einfa… | |
nicht, woran man ist“, sagt Mira Alexander. Oft fehle die konsequente | |
Umsetzung, zum Beispiel bei den autofreien Innenstadtbereichen. Volt sei | |
mutiger, fordere mehr. Tatsächlich ist das Wahlprogramm klimapolitisch | |
ambitioniert: Eine City-Maut soll den Autoverkehr mindern, bis 2025 sollen | |
Schiffe während ihrer Liegezeit im Hafen verpflichtend Landstrom nutzen, | |
sie wollen den Klimanotstand ausrufen. „Natürlich haben wir auch den Luxus, | |
als kleine Partei mutiger sein zu können“, sagt Fischer. Er fände es aber | |
wichtig, dass es in der Bürgerschaft Menschen gäbe, die den Grünen im | |
grünen Kernbereich Druck macht. | |
Was Volt außerdem unterscheiden soll von anderen Parteien, nennt die Partei | |
im Wahlprogramm „Ideologiefreiheit“. Kann man frei von Ideologie sein? Im | |
Gespräch relativieren es die beiden Spitzenkandidat:innen, Alexander nennt | |
es jetzt: „Ideologiefern, aber wertebasiert.“ Es gehe darum, pragmatisch zu | |
handeln: Nicht Vorschläge der CDU ablehnen, nur weil sie von der CDU | |
kommen. Sie wollten von Fall zu Fall schauen, wer die beste Lösung | |
anbietet, sagen die beiden. Anträge der AfD würden sie indes nicht | |
annehmen. | |
In Hamburg hat die Partei nach eigenen Angaben 77 Mitglieder. Viele von | |
ihnen kommen aus anderen Parteien – die Grünen sind dabei, aber eben auch | |
FDP, CDU, SPD, die Linke und die „Partei“. Alexander spricht viel von | |
Liberalismus, Fischer mehr von Solidarität. Im Wahl-o-Mat stimmen sie der | |
Aussage „Hamburg soll ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer | |
konsequent abschieben“ zu – anders als Linke und Grüne. Sie schreiben dazu: | |
„Wir befürworten die Durchsetzung geltenden Rechts – unabhängig davon, ob | |
uns das Gesetz gefällt oder nicht.“ | |
Gleichzeitig fordern sie, mehr aus Seenot gerettete Geflüchtete | |
aufzunehmen, als Hamburg es müsste. Sie nennen diese | |
Fall-zu-Fall-Entscheidungen „pragmatisch“, „konstruktiv“, „differenzi… | |
Nur bei einem Thema entscheiden sie nicht von Fall zu Fall: Immer sind sie | |
für mehr Europa. | |
Wenn man sie fragt, warum es eine Europa-Partei in der Hamburger | |
Bürgerschaft braucht, beginnt Alexander ihre Antwort so: „Gut, das ist | |
jetzt auch wieder europäisch gedacht.“ Es sei ja so, dass man die | |
europäische Integration nur schaffe, wenn auf jeder Politikebene | |
europäisch gedacht werde – also auch in der Bürgerschaft. Außerdem, ergän… | |
Fischer, sei ihr Blick auf die Politik dadurch anders. Die Probleme in | |
Hamburg gebe es auch in anderen europäischen Großstädten, also wollten sie | |
dort nach Lösungsansätzen suchen. | |
Fischer kommt zurück auf die Wahlplakate. Sie wollten Hamburg zu einer | |
Fahrradstadt wie Kopenhagen machen, den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau | |
wie Wien fördern und mit Rotterdam eine umweltbewusste Hafenallianz | |
schmieden, sagt er. Botschaften, die bei der Zielgruppe ankommen – bei | |
jungen Menschen, die die Anspielungen verstehen, weil sie sind wie die | |
Kandidierenden: jung, überdurchschnittlich gebildet, mit Freund:innen im | |
Ausland und Erinnerungen ans Erasmus-Semester. Fünf Prozent werden sie | |
voraussichtlich noch nicht erreichen. | |
21 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Nele Spandick | |
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