# taz.de -- Olympische Winterspiele 1936: Die vergessene Demonstration | |
> Die Norwegerin Laila Schou Nilsen verweigerte bei der Winter-Olympiade | |
> 1936 in Garmisch-Partenkirchen den Hitlergruß. Eine Erinnerung. | |
Bild: Mutige Norwegerin: die Skiläuferin Laila Schou Nilsen | |
Laila Schou Nilsen war gerade erst 16 Jahre alt, doch die norwegische | |
Skiläuferin bewies bei den Olympischen Winterspielen 1936 in | |
Garmisch-Partenkirchen mehr Weitblick und Anstand als viele andere: Während | |
der Siegerehrung für die Alpine Kombination hob sie ihren rechten Arm nicht | |
zum Hitlergruß. | |
In der Abfahrt hatte sie gewonnen, aber dafür gab es damals noch kein Gold, | |
nur in der Kombination, und das holte nach starker Leistung im Slalom die | |
Deutsche Christel Cranz. Schou Nilsen wurde dort Dritte, holte Bronze und | |
[1][beteiligte sich nicht an der NS-Demonstration.] Vielleicht liegt es | |
daran, dass Schou Nilsen in Deutschland kaum bekannt ist. Anders als die | |
norwegische Eiskunstläuferin Sonja Henie, die keine Berührungsängste mit | |
den Nazis hatte. Dabei gehörte die 1998 verstorbene Schou Nilsen zu den | |
vielseitigsten Sportlerinnen der Welt. | |
Sie wuchs im heute zu Oslo gehörenden Grefsen als einziges Kind einer | |
wohlhabenden Familie auf, die Eltern unterstützten die Sportbegeisterung | |
der Tochter. Laila Schou (gesprochen: Schau) war nicht nur eine | |
ausgezeichnete Skifahrerin. 1937 wurde Schou Nilsen als erste Frau für ihre | |
sportlichen Leistungen mit dem renommierten „Egebergs Ærespris“ geehrt. | |
Insgesamt wurde sie 86 Mal norwegische Meisterin – in so unterschiedlichen | |
Sportarten wie Handball, Tennis, alpines Skifahren, Schlittschuhrennen oder | |
Automobilsport. Auffällig ist jedoch, dass sie zwischen 1940 und 1945 in | |
keiner dieser Sportarten mehr an nationalen Meisterschaften teilnahm. Erst | |
ab 1946 wurde Schou Nilsen dann wieder Meisterin. Nach ihrer Karriere war | |
sie zudem einflussreiche Sportfunktionärin. | |
Wusste Laila Schou Nilsen bei den Winterspielen über die Nazi-Ideologie und | |
insbesondere den grassierenden Antisemitismus Bescheid? In der 1940 über | |
sie erschienenen Biografie mit dem Titel „Lykkelige idrettsår“ (Glückliche | |
Sportjahre) wird das Thema vermieden. Allerdings war Schou Nilsen mit | |
Hermann Feldmann befreundet, einem jüdischen Jungen, der in der Nähe | |
wohnte. Hermanns Eltern waren vor den antisemitischen Pogromen in Russland | |
geflohen. Die Situation in Deutschland war bei den Feldmanns sicher Thema. | |
## Flucht aus Norwegen | |
Auch wenn sich Schou Nilsen nie öffentlich über ihren Freund Hermann und | |
dessen Familie äußerte, muss sie deren Geschichte, die „Feldmannsaken“, | |
gekannt haben: Nachdem die Deutschen 1940 in Norwegen einmarschiert | |
waren, entschied die Familie, auf unterschiedlichen Routen nach Schweden zu | |
flüchten. Sie verkaufte ihren Besitz, und am 22. Oktober 1942 stieg Hermann | |
zusammen mit einem Fluchthelfer und anderen Juden in einen Zug in Richtung | |
des Grenzstädtchens Halden. | |
Die Reise war riskant, denn die Fluchtroute über den dortigen Iddefjord war | |
den Nazis bekannt. Wer bei Kontrollen mit einen Pass mit dem | |
hineingestempelten J erwischt wurde, riskierte mindestens Inhaftierung. | |
Kurz vor Halden wurde die Gruppe kontrolliert, einer der Fluchthelfer | |
erschoss daraufhin einen Polizisten. Allen gelang zunächst die Flucht, aber | |
nicht lange. Der Fluchthelfer wurde hingerichtet, Hermann Feldmann nach | |
Auschwitz deportiert, wo er 1943 ermordet wurde. | |
Hermanns Eltern beschleunigten ihre Fluchtpläne. Doch beide wurden am 27. | |
Oktober 1942 von ihren Fluchthelfern ausgeraubt und erschlagen, ihre | |
Leichen wurden im Mai 1943 in einem Waldsee gefunden wurden. Die Täter, | |
einer war ein Bruder des Polizistenmörders vom ersten Fluchtversuch, wurden | |
1947 angeklagt. Sie gaben an, in Notwehr gehandelt zu haben, da die Gefahr | |
bestanden habe, dass die Fluchtroute kompromittiert sei. Sie wurden in der | |
Mordsache freigesprochen, aber wegen Unterschlagung verurteilt. Das Urteil | |
gilt noch heute als Skandal. | |
Auch im Jahr 1947 kaufte Schou Nilsen das Unternehmen Østbye Salgskontor, | |
das Splitskein-Ski, hochwertige, aus mehreren Lagen Holz zusammengeleimte | |
Skier, produzierte. Nach dem Krieg wollte diese Skier niemand mehr kaufen: | |
Firmengründer Peter Østbye war schon ab 1934 in der von seinem Freund | |
Vidkun Quisling gegründeten Nazi-Partei Nasjonal Samling (NS) aktiv. Nach | |
der Befreiung musste Østbye wegen Landesverrats zwei Jahre ins Gefängnis. | |
Schou Nilsen hatte sich dessen Firma zu einem Spottpreis gesichert und | |
führte sie zu großem Erfolg. | |
Laila Schou Nilsens große Konkurrentin von 1936, Christel Cranz, war | |
Nationalsozialistin gewesen, gegen sie wurde nach 1945 als Pädagogin | |
zunächst ein Berufsverbot verhängt. | |
2 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Elke Wittich | |
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