# taz.de -- Österreichs Exkanzler vor Gericht: Langer Prozess gegen Kurz | |
> Vorgeworfen wird Sebastian Kurz Falschaussage im | |
> Ibiza-Untersuchungsausschuss. Der Prozess hat am Mittwoch in Wien | |
> begonnen und dürfte Monate dauern. | |
Bild: Sebastian Kurz vor Prozessbeginn in Wien am Mittwoch | |
WIEN taz | Wenn Österreichs Exkanzler Sebastian Kurz öffentlich auftritt, | |
ist ihm – fast zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Politik – mediale | |
[1][Aufmerksamkeit garantiert]. So war es auch am Mittwoch: Mehr als 90 | |
Journalisten und Dutzende Kameras waren im Einsatz, als das | |
Gerichtsverfahren gegen ihn im altehrwürdigen Wiener Straflandesgerichts | |
begann. Vorerst sind drei Termine anberaumt, zu rechnen ist aber mit einem | |
monatelangen Prozess. Die Materie ist umfangreich und allein die anklagende | |
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nominierte mehr als | |
20 Zeugen. | |
Vorgeworfen wird dem noch unbescholtenen Kurz Falschaussage vor dem | |
parlamentarischen [2][Ibiza-Untersuchungsausschuss im Juni 2020]. In der | |
dortigen Befragung hatte er angegeben, nicht bei der Vorstandsbestellung | |
der Staatsholding Öbag mitgemischt zu haben, als diese von der GmbH zur | |
Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Der hochdotierte Vorstandsposten ging | |
an Thomas Schmid, einen engen Vertrauten von Kurz. Kurz will mit dessen | |
Bestellung aber nichts zu tun gehabt haben. | |
Neben Kurz sind zwei weitere Personen wegen Falschaussage angeklagt. | |
Hauptangeklagte ist Bettina Glatz-Kremsner, Vizeparteiobfrau der ÖVP unter | |
Kurz und Vorstandsvorsitzende der teil-staatlichen Casinos Austria AG. | |
Bernhard Bonelli ist auch angeklagt, Kurz’ Exkabinettschef. | |
## Kurz hofft auf ein „faires Verfahren“ | |
Kurz wirkte am Gericht leicht angespannt, ist aber weiterhin von seiner | |
Unschuld überzeugt. Die WKStA, auf die er sich seit Jahren immer wieder | |
einschießt, habe jede seiner Aussagen „immer wenn es die Möglichkeit gab, | |
sie in zwei Richtungen zu interpretieren, in die für mich nachteilige | |
Richtung interpretiert“, sagte er vor Prozessbeginn zu den Medien. In Summe | |
sei er zuversichtlich: „Ich hoffe doch auf ein faires Verfahren und dass | |
sich die Vorwürfe als falsch herausstellen.“ | |
Die Fairness stellt Kurz’ Verteidiger Otto Dietrich aber gleich zu | |
Prozessbeginn infrage: Richter Michael Radasztics sei befangen, weil ihm | |
vor Jahren der Verrat von Amtsgeheimnissen an den betont Kurz-kritischen | |
Parlamentarier Peter Pilz vorgeworfen worden war. Ein entsprechendes | |
Verfahren wurde aber vor Jahren eingestellt. Richter Radasztics wies die | |
Beschwerde ab und bestritt jedwede Befangenheit. Er pflege keinerlei | |
persönliche Beziehung zu Pilz und hatte lediglich im Zuge damaliger | |
Ermittlungen in seiner Funktion als Staatsanwalt mit ihm zu tun. | |
Danach folgte das Plädoyer der beiden WKStA-Staatsanwälte, das den | |
restlichen Vormittag einnehmen sollte. Sie fassten nochmal die Vorwürfe des | |
108-seitigen Strafantrags zusammen, erklärten die Art der Beweiswürdigung | |
und betonten, dass Kurz mit der mutmaßlichen Falschaussage nicht nur den | |
U-Ausschuss, sondern die Allgemeinheit angelogen habe. Es gebe nicht nur | |
eine Indizienkette, sondern einen ganzen „Beweiskreis“ an Chatnachrichten, | |
E-Mails und Zeugenaussagen, die immer mehr erhärtet hätten, dass Kurz sehr | |
wohl in die Personalie Schmid eingeweiht gewesen sei. Wesentlich, so die | |
Staatsanwälte in ihrem Plädoyer, waren auch die Aussagen von Schmid, der | |
einen Antrag auf Kronzeugenschaft stellte und umfassend ausgesagt haben | |
soll. | |
Am Nachmittag folgten die Stellungnahmen aller Verteidiger, die im | |
Wesentlichen der Verteidigungslinie von Kurz folgten. Zeugen wurden am | |
ersten Prozesstag noch nicht vernommen. | |
## Kurz-Comeback noch möglich? | |
Viele Beobachter machen vom Ausgang des Verfahrens auch die Möglichkeit | |
eines Kurz-Comebacks abhängig. Kurz, der die ÖVP in lichte Höhen führte, | |
hat eine Rückkehr in die Politik bis dato kategorisch ausgeschlossen. Enge | |
Vertraute sagen aber unter vorgehaltener Hand, dass Kurz die Politik | |
abgehe. Zuletzt wirkte es, als suche er die Öffentlichkeit, auch sind | |
kürzlich gleich drei Filme über sein politisches Wirken erschienen. | |
Auch in anderen, potenziell noch deutlich brisanteren Causae wird weiter | |
gegen Kurz ermittelt, auch hier gilt die Unschuldsvermutung: Unter anderem | |
geht es um seine Rolle bei dubiosen Inseratengeschäften, die Manipulation | |
von Meinungsumfragen und gekaufte Berichterstattung. Auch die Bestellung | |
des Vorstands der [3][Casinos Austria AG] ist weiter Gegenstand von | |
Ermittlungen. | |
18 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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