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# taz.de -- Obdachlosigkeit in Berlin: Heiß benötigte Hilfe
> Das Aktionsbündnis „Solidarisches Kreuzberg“ sorgt dafür, dass
> Obdachlosen heißes Wasser zur Verfügung steht. Es gibt Anlaufstellen an
> 64 Orten.
Bild: Wasser ist ein Menschenrecht – trotzdem ist es für Obdachlose schwieri…
Berlin taz | Lisa Cato (37) steht am Südstern neben einem Gabenzaun, an dem
unter anderem Hygienepakete mit Desinfektionsmitteln und Toilettenpapier
hängen. Die Pakete können von Obdachlosen und anderen Bedürftigen
mitgenommen werden. Am Zaun sind auch Essenpakete und eine große
Pumpthermoskanne aufgestellt, aus der sich jede:r heißes Wasser nehmen
kann.
Die Kreuzbergerin hat auch vor der eigenen Haustür eine solche
„Auffüllstation“ eingerichtet, an der es heißes Wasser gibt. In der Kanne
fehle etwa eine Tasse pro Tag, erzählt sie. Nur einmal habe sie bisher
gesehen, wie sich jemand dort seine Thermoskanne aufgefüllt habe: „Er hat
sich bedankt, dass es die Heißwasseraktion gibt.“
Die Kannen sind Teil einer Aktion des Bündnisses [1][Solidarisches
Kreuzberg], das sich Ende vergangenen Jahres gründete, um Obdachlose zu
unterstützen. Es besteht aus 14 Initiativen, darunter die Berliner
Obdachlosenhilfe (BOH), die Begegnungsinitiativen Nachbarschaftshaus
Urbanstraße und Kotti e. V. und die Straßensozialarbeiter:innen
von Gangway.
Das Bündnis teilt auch [2][Schlafsäcke] aus und kümmert sich um die
Gabenzäune, an denen Essen, Kleidung und Hygieneartikel hängen.
Mitbegründerin Bahar Sanli sagt: „Jede Aktion, die wir durchführen, ist im
Grunde auch ein politisches Statement.“
## Das Bündnis ist eine Art Notlösung
Denn, und das zu betonen ist Sanli wichtig: Das Bündnis betrachte sich als
eine Art Notlösung. Es will solange existieren, bis auf politischer Ebene
Strukturen geschaffen sind, um Obdachlose ausreichend versorgen zu können.
Gerade im Lockdown sei das dringend nötig, sagt Sanli. „Der Zugang zu
Wasser ist kaum vorhanden. Kreative Lösungen sind gefragt. Wir versuchen,
abzufedern, was die Politik versäumt hat.“
Und das scheint zu funktionieren: Im Dezember gab es 33 Orte, an denen
Pumpkannen aufgestellt waren – im Februar sind es bereits 64 soziale
Einrichtungen, Cafés, Privatpersonen und Geschäfte, die sogenannte
Auffüllorte eingerichtet haben. Auch Nachbarschaftskooperationen haben
sich gebildet. Die große Pumpkanne etwa, die an dem Gabenzaun am Südstern
steht, füllen Nachbar:innen im Wechsel nach.
Damit die Obdachlosen auch Behältnisse haben, in die sie das heiße Wasser
füllen können, hat das Bündnis bei einer Eröffnungsaktion im Dezember am
Kottbusser Tor 600 Thermoskannen ausgeteilt.
Die Aktion fand an dem Ort, an dem sich viele Obdachlose treffen, großen
Zuspruch. Etwa 30 Personen haben sich dort im Dezember zu der
Eröffnungsaktion eingefunden, Freiwillige der Berliner Obdachlosenhilfe
schenken Tee, Kaffee und Suppe aus und verteilen dabei die Thermoskannen.
Auch Lisa Cato ist dabei. Sie steigt mit ihren langen Winterstiefeln über
eine Bierbank am Kottbusser Tor und geht zielstrebig auf zwei Frauen zu,
die sich angeregt unterhalten. „Möchten Sie eine Thermoskanne? Hier ist
auch eine Liste mit allen Orten, an denen Sie Ihre Kanne mit heißem Wasser
auffüllen können“, sagt sie. Die beiden Frauen schauen zu Cato, greifen
nach den Thermoskannen und lächeln: „Klar!“
Sie sind begeistert: „Das kann man darin warm halten, das ist ja toll.“ –
„Ich bin ein Teetrinker. Ich habe noch zwei Kamillentee, dazu nehme ich
Zucker.“ – „Du trinkst Tee?“, fragt die eine Person und hält eine
rosafarbene Verpackung hoch: „Ich habe noch diesen, kennst du den? Ich gebe
dir einen Beutel, der ist geil.“
## Wasser ist ein Menschenrecht
Bereits im Jahr 2010 haben die Vereinten Nationen in einer
Generalversammlung „das Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser
und Sanitärversorgung als ein Menschenrecht“ anerkannt, das heißt, dass
[3][Trinkwasser] sauber, einwandfrei, zugänglich und bezahlbar sein sollte.
Zwar ist dieser Beschluss nicht bindend, aber auch die Bundesrepublik
stimmte zu.
Zurzeit wird in Berlin viel über die grundlegende Versorgung von
Obdachlosen diskutiert. Welche Schlafplätze stehen ihnen in der Stadt zu
Verfügung? Sollte man in Pandemiezeiten Hostels für die Unterbringung
Obdachloser nutzen? Wo gibt es Gabenzäune für Klamotten und Essen? Für all
das gibt es Lösungswege und Ideen, doch ein ebenso wichtiges Thema scheint
dabei unterzugehen: das Wasser. Die Hemmschwelle für Obdachlose ist groß:
Wo kann man in Zeiten des Lockdowns nach Wasser fragen?
Cato erklärt, dass es deshalb Sticker der Aktion gibt: „Die können sich die
Cafés und Restaurants in die Fensterscheiben kleben, damit man als
obdachloser Mensch keine Angst haben muss, abgewiesen zu werden, wenn man
nach Wasser fragt“, sagt sie.
## Heißes Wasser für Tütensuppe
Auch Matze, ein ehemals Obdachloser, findet die Aktion gut. Er kommt
mittwochs öfter zur Suppenküche am Kottbusser Tor, um sich mit heißem Tee
und warmem Essen zu stärken. Auch im Dezember, als Cato die letzten
Thermoskannen verteilte, steht er dort und holt sich Essen. Er trägt ein
Käppi, auf dem „Just Chill“ steht, und ein Piercing an der Augenbraue.
„Im Moment habe ich einen Wohnheimplatz, das Jobcenter bezahlt das“, sagte
er. „Tagsüber sammle ich Pfandflaschen.“ Ihn interessiert vor allem die
Wohnungspolitik Berlins: „Wenn ich tagsüber unterwegs bin, sehe ich, was
leer steht. Vor allem in Ostberlin.“ Doch die Politik tue zu wenig, vor
allem Tagesaufenthalte seien zu rar. „Es ist so scheiße, wenn man morgens
rausmuss.“
Während Matze spricht, sieht er geradeaus und hält seinen Plastikteller mit
Essen der Suppenküche in der Hand. Wenn ihm das Gesagte wichtig zu sein
scheint, nickt er schnell. Außer an Wohnpolitik ist Matze auch an der
Verpflegung von Obdachlosen interessiert.
Er lobt eine Initiative am Hermannplatz: „Von Donnerstag bis Sonntag gibt
es dort warmes Essen und belegte Brote. Das ist eine private Initiative,
die machen geile Sachen.“ Auch die Thermoskannen-Aktion des Bündnisses
Solidarisches Kreuzberg findet Matze gut, er nickt schnell: „Gerade um mir
tagsüber eine Tütensuppe aufzuwärmen, ist das gut.“
18 Feb 2021
## LINKS
[1] https://kotti-berlin.de/solidarisches-kreuzberg/
[2] /Sheltersuits-in-Berlin/!5744854
[3] /Trinkwassermangel-in-Kenia/!5713749
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Obdachlosigkeit
Wasserversorgung
Hermannplatz
Obdachlosigkeit
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