# taz.de -- Neues von The Notwist und Markus Acher: Weilheim wiederholt wunderb… | |
> The Notwist veröffentlicht ein Live-Album mit vielen Raffinessen. Markus | |
> Acher reüssiert unter seinem Alias Rayon ebenso auf der Langstrecke. | |
Bild: The Notwist mit Markus Acher, dritter von links | |
Als die Indie-Institution The Notwist kürzlich ein Livealbum ankündigte, | |
war man neugierig und skeptisch zugleich. Neugierig, weil die | |
Live-Qualitäten der Band, die die oberbayerische Kleinstadt Weilheim auf | |
die Weltkarte des elektronischen Pop gehievt hat, stets gewachsen sind. | |
Skeptisch, weil Popstars häufig Live-Alben veröffentlichen, um ein | |
kreatives Loch zu füllen. Selbst bei The Notwist – Popstars für all jene, | |
die Popstars hassen – war man sich unsicher: Braucht man ein solches | |
Live-Album, zumal ganz ohne neue Songs? | |
Die Aufnahmen für „Superheroes, Ghostvillains + Stuff“, so sein Titel, sind | |
in einer Phase des Umbruchs entstanden: Nach „Close To The Glass“ (2014) | |
verließ Electronica-Mastermind Console alias Martin Gretschmann die Band – | |
nun ist Cico Beck (Joasihno, Aloa Input) der Mann fürs Feine hinterm | |
Rechner. Die 16 Stücke wurden Ende 2015 während dreier aufeinanderfolgender | |
Auftritte im Leipziger UT Connewitz mitgeschnitten. | |
Bemerkenswert ist, wie Cico Beck Console, der den Notwist-Sound 20 Jahre | |
lang mitgeprägt hat, gleichwertig ersetzt: Der Neue setzt hörbar mehr auf | |
haptische perkussive Instrumente, der Sound wirkt dadurch leichter und | |
fluffiger – was nicht heißt, dass der elektronische Gretschmann-Wahnsinn | |
nun abgeschafft wäre. Nein, nur etwas mehr Verspieltheit statt | |
Verspultheit. | |
## Extended Versions für alle | |
Die 100 Minuten zeigen, zu was The Notwist inzwischen live imstande sind: | |
Spektakel, ausgelöst durch Patterns, Variationen ihrer Songs. Exemplarisch | |
sei eine 13-Minuten-Version von „Pilot“ (2002) genannt, die von | |
Indietronica zu Dub zu House und zurück wandert. An diesem Punkt ist man | |
bereits bei den Zugaben angelangt, und die Frage, ob man dieses Livealbum | |
braucht, ist im Rausch der Sinne längst vergessen. „Superheroes, | |
Ghostvillains + Stuff“ bietet stellenweise die Extended-Version von The | |
Notwist, die man sich immer gewünscht hat. | |
Wenn man The Notwist als Dachorganisation begreift, so wäre Rayon ein | |
verlässlicher, immer mal wieder auftauchender Sidekick. So nennt | |
Notwist-Mastermin Markus Acher sein eigenes Werk – wobei, „Soloprojekt“ | |
trifft es nicht ganz, Acher komponiert zwar alle Stücke, kollaboriert aber | |
mit Gästen. Zuletzt hat er unter diesem Alias Filmmusiken geschrieben, 2015 | |
für den italienischen Film „N-capace“. Knisternde, meist repetitive | |
elektronische Sounds kamen dabei raus. | |
Nun hat der 49-Jährige ein neues Album veröffentlicht, das von | |
traditioneller Musik aus Indonesien geprägt ist, genauer: Gamelan. „A Beat | |
Of Silence“ klingt auch ein wenig wie Filmmusik, ist im Vergleich zu den | |
Vorgängeralben aber wesentlich „manueller“. | |
## Gamelan, Gongs und Glocken | |
Kein Wunder: „Gamelan“ steht javanisch für „etwas mit den Händen tun, | |
Klang, Orchester, Klang“, der Stil zeichnet sich durch den Einsatz von | |
Metallofonen, Xylofonen, Gongs und Glocken aus. In der Minimal Music und in | |
der Neuen Musik haben sich immer wieder Musiker und Ensembles von diesem | |
Sound inspirieren lassen. | |
Acher setzt nun Marimbafone, Vibrafone und Glockenspiel ein und kombiniert | |
sie mit Klavier- und Harmoniumtönen; zumeist klingt die Musik gleitend, | |
fließend – stark rhythmisch und beatlasig wird es nur in einem der neun | |
Stücke. Eher spielt der Einfluss von Drone eine Rolle – wenn man aber | |
dieses Genre oft mit dezibelreichen Klängen verbindet, so wäre Rayon wohl | |
Soft Drone. | |
Dominiert wird das Album vom Zusammenwirken von Xylofonen und Glockenspiel | |
auf der einen und dem Klavier und dem Harmonium auf der anderen Seite, | |
manchmal unterlegt von einem meditativen Rauschen. Rayon verlangt | |
aufmerksames Zuhören vom Rezipienten; belohnt wird dieser mit | |
Klanglandschaften, die im hiesigen Kulturraum selten zu hören sind. | |
4 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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