# taz.de -- Neue Staffel „Weissensee“ auf ARD: Die Mauer ist weg | |
> Nach drei erfolgreichen Staffeln von „Weissensee“ läuft am Dienstag die | |
> vierte an. Sie leidet unter überfrachteter Handlung und Dialogen voller | |
> Plattitüden. | |
Bild: Ein Teil der Besetzung der ARD-Serie „Weissensee“ bei der Premiere de… | |
BERLIN taz | Erfolg ist etwas Zweischneidiges. Es ist schön, ihn zu haben, | |
aber auch gefährlich, denn er täuscht manchmal darüber hinweg, wann es Zeit | |
ist aufzuhören. So mag es der ARD-Fernsehredaktion gegangen sein, als sie | |
sich entschieden hat, eine vierte Staffel von „Weissensee“ zu produzieren. | |
Sie war eine der erfolgreichsten ARD-Produktionen der vergangenen Jahre: | |
mehrfach preisgekrönt, gute Kritiken, Spitzenquoten. Dabei hätte die ARD es | |
belassen können, so wie es sich die [1][Schöpferin und Autorin Annette | |
Hess] gewünscht hatte. Für eine vierte Staffel stehe sie nicht zur | |
Verfügung, sagte sie 2015 im taz-Interview. „Für mich ist die Geschichte | |
mit dem Fall der Mauer abgeschlossen.“ | |
Doch die ARD sah das anders. Sie verpflichtete Friedemann Fromm, der Regie | |
geführt und ab der zweiten Staffel auch die Bücher mitgeschrieben hatte, | |
für die vierte Staffel als Autor und Regisseur. An den kommenden drei | |
Abenden sendet die ARD jeweils um 20.15 Uhr eine Doppelfolge. | |
Die Staffel beginnt am 17. 3. 1990, am Tag vor den ersten freien Wahlen. | |
Falk Kupfer (Jörg Hartmann), früher überzeugter Stasi-Major, liegt | |
querschnittsgelähmt in der Reha. Hans Kupfer (Uwe Kockisch), | |
Familienoberhaupt und Ex-Stasi, hat seinen Glauben an die DDR verloren. | |
Seine Frau Marlene (Ruth Reinecke) hingegen blüht auf und will retten, was | |
von der SED zu retten ist. Martin Kupfer (Florian Lukas) lebt mit seiner | |
Westfreundin, der Journalistin Katja Wiese (Lisa Wagner), in Kreuzberg und | |
versucht, seinen Betrieb, den VEB Möbelbau Rosa Luxemburg, fit für den | |
Kapitalismus zu machen. Und Vera Kupfer (Anna Loos), die verstoßene Ex-Frau | |
von Falk und DDR-Oppositionelle, kandidiert für die Volkskammer. | |
## Hochdramatisches wird kurz abgehandelt | |
Ab da galoppiert die Handlung los und will alles erzählen, was in dem Jahr | |
nach dem Mauerfall in Berlin passiert ist. Ein Sohn wird zum Neonazi, eine | |
Tochter verschwindet im Drogenrausch in Technoclubs, dann im Mailänder | |
Modebusiness und schließlich in den besetzten Häusern der Mainzer Straße. | |
Im Betrieb kämpfen sie für Mitbestimmung, werden aber von einem schmierigen | |
Westinvestor in den Ruin gestürzt. Ein Ex-Offizier kämpft für die Öffnung | |
der Stasiakten, die Bürgerrechtlerin will in die Volkskammer, entscheidet | |
sich dann aber für die Treuhand. Die D-Mark kommt und mit ihr die | |
Profitinteressen aus dem Westen. Der Ex-Stasi verliebt sich in die | |
Ex-Oppositionelle. Und die CIA ist natürlich auch dabei. | |
Und weil das sehr viel ist für dreimal 90 Minuten, wird alles nur | |
angerissen. Hochdramatisches wird in kürzester Zeit abgehandelt: Zwei | |
versuchte Selbstmorde – zack, vorbei, nächste Szene. Eine vermutliche | |
Gruppenvergewaltigung – zack, vorbei, nächste Szene. Eine Schlägerei mit | |
drei Toten – keine Polizei, keine Suche nach den Schuldigen. Eine enttarnte | |
große Lüge – schwupp, vergeben. | |
Ähnlich oberflächlich sind die Dialoge, die wie aus einem Sprüchekalender | |
klingen: „Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Nur bedauern.“ – „… | |
rauschen auf den Kapitalismus zu wie auf einen Scheißeisberg.“ – „Freihe… | |
ist auch die Freiheit zur Dummheit.“ Für mehr als Plattitüden reicht die | |
Sendezeit offenbar nicht. | |
Dabei würde fast jeder der Handlungsstränge eine eigene Serie tragen. Aber | |
anstatt auf die Geschichten zu vertrauen, die sie selbst erzählen wollen, | |
versuchen die Macherinnen, sich sklavisch an die Geschichte zu halten, wie | |
sie passiert ist. Sicherlich war Berlin Anfang der 90er aufregend, nur ist | |
eine Serie eben kein Geschichtsbuch. | |
## Die Grube der Verbitterten | |
Der Höhepunkt, wie auch in den drei Staffeln zuvor, ist Jörg Hartmann. Der | |
spielt den zwischen Verbitterung und Lebensmut zerrissenen Falk Kupfer so | |
nuanciert und überzeugend wie kein anderes Mitglied im Ensemble. | |
Was die Serie aber immerhin schafft: Sie deutet an, wie im Osten jene Grube | |
der Verbitterten entstehen konnte, aus der heute an vielen Stellen | |
Ausländerhass und Menschenfeindlichkeit wuchern. Ein Land, das ausverkauft | |
und für dumm verkauft wurde, wo sich alte Stasi- und SED-Seilschaften | |
bestens in das neue System einflechten ließen und was hier und da nicht | |
einsehen wollte, dass die DDR so oder so am Ende war. | |
Ob es eine fünfte Staffel geben soll, ist noch nicht klar. Wenn, dann wäre | |
es interessant, wo die Kupfers heute stehen: bei oder gegen Pegida, als | |
Ostalgiker oder zufriedene Bundesdeutsche. | |
8 May 2018 | |
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[1] /Weissensee-Autorin-ueber-die-Serie/!5232854 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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