# taz.de -- Neue Regierung in Frankreich: Krisenkabinett mit Staranwalt | |
> Präsident Macrons Krisenmanager, der neue Premier Jean Castex, hat seine | |
> Regierung vorgestellt: viele altbekannte Namen – und eine Überraschung. | |
Bild: Hat jetzt sogar eine eigene Regierung: Frankreichs Premierminister Jean C… | |
PARIS taz | Mit einer Umbildung des Kabinetts hat Frankreichs Präsident | |
Emmanuel Macron auf die [1][Niederlage seiner Partei bei den | |
Kommunalwahlen] reagiert. Die neue Regierung unter [2][Premierminister Jean | |
Castex] ist nicht mehr grün und links, sondern rechtslastig. | |
Zwar finden sich einige neue Köpfe in der Regierung, auffallend sind aber | |
vor allem die Rochaden unter den Bisherigen: | |
■ Der bisherige Budgetminister Gérald Darmanin (37), gegen den Ermittlungen | |
wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung laufen, wird Innenminister. | |
■ Der bisherige Stadt- und Wohnungsminister Julien Denormandie (40) wird an | |
die Spitze des Landwirtschafts- und Ernährungsministerium befördert. Beide | |
gelten als politische „Ziehsöhne“ und Vertraute von Ex-Präsident Nicolas | |
Sarkozy. | |
■ Die eher farblose Energie- und Umweltministerin Elisabeth Borne übernimmt | |
die Dossiers Arbeit und Beschäftigung. | |
## Vor allem Frauen müssen gehen | |
Keine Änderungen gibt es namentlich für Jean-Yves Le Drian im Quai d'Orsay | |
(Europa- und Außenministerium), für Florence Parly im | |
Verteidigungsministerium und Bruno Le Maire im Wirtschafts- und | |
Finanzministerium. | |
Macron war offensichtlich bestrebt, das Gleichgewicht seiner wichtigsten | |
Minister, die von rechts und links zu ihm gekommen sind, zu wahren. Unter | |
den Abgängen fällt eine Mehrzahl von Frauen auf. | |
## Zwei Überraschungen | |
■ Die einzig große Überraschung: Neuer Justizminister wird der | |
temperamentvolle Staranwalt Eric Dupond-Moretti (59), der noch kürzlich | |
eine umfassende Justizreform und mehr Unabhängigkeit für die Richter von | |
der Staatsanwaltschaft und damit vom Ministerium gefordert hatte. | |
■ Das Ministerium für Klimawandel und Umwelt bekommt mit Barbara Pompili | |
(45) eine Ex-Grüne als Ministerin, die unter Präsident François Hollande | |
Staatssekretärin für Biodiversität war und sich 2017 Macron angeschlossen | |
hatte. | |
■ Eher kurios mutet die Wahl von Roselyne Bachelot als Kulturministerin an. | |
Die ehemalige Apothekerin hatte bereits zur Zeit von Präsident Jacques | |
Chirac und danach Nicolas Sarkozy Regierungsämter, namentlich als | |
Gesundheitsministerin, bekleidet. Sie hatte sich vor Jahren aus der Politik | |
verabschiedet, um mit ironischen Kommentaren regelmäßig in TV-Talkshows | |
aufzutreten. | |
## Macron braucht Krisenmanager | |
Die Regie führte bei diesem Casting seiner MinisterInnen der Präsident, und | |
nicht sein Premier, wie dies eigentlich von der Verfassung vorgesehen wäre. | |
Da Macron das Vertrauen der Bevölkerung weitgehend verloren hat, braucht er | |
ein loyales Team und einen Regierungschef als „rechte Hand“. | |
Auf Twitter versicherte Macron seinen möglicherweise verunsicherten | |
Wählern: „Das Projekt von 2017 bleibt im Zentrum meiner Politik. Aber wir | |
müssen uns den internationalen Umwälzungen und den Krisen, die wir erleben, | |
anpassen.“ | |
In einem Interview mit französischen Regionalzeitungen hatte er vergangene | |
Woche seine Landsleute vor „sehr harten Zeiten“ bei der „Rentrée“, der | |
Rückkehr in die Schulen, nach der Sommerpause gewarnt. | |
Frankreich rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um zehn | |
Prozent, einer Million zusätzlichen Stellenlosen und einer sprunghaften | |
Zunahme der Arbeitslosenrate auf mehr als 10 Prozent laut EU-Prognose. In | |
dieser Situation muss Macrons Premier vor allem ein Krisenmanager sein. | |
## Muss die Rentenreform warten? | |
Dennoch will Macron an der Rentenreform festhalten, die wegen der | |
Covidkrise auf Eis gelegt worden ist. Eine Neuauflage könnte harte | |
Konflikte mit sich bringen. Selbst Arbeitgeberboss Geoffroy Roux de Bézieux | |
meint, es gebe momentan andere Prioritäten: nämlich die Rettung der | |
französischen Unternehmen und Arbeitsplätze. Es sei gescheiter, eine | |
mehrmonatige „Pause“ im Seilziehen um das Rentenalter und das umstrittene | |
Punktesystem zur Rentenberechnung einzuschalten. Castex will dazu trotzdem | |
einen „Dialog“ starten. | |
Dem Präsidenten, der im Frühling 2022 für seine Wiederwahl antreten will, | |
bleibt nicht viel Zeit, um mit dieser Regierung sein Programm umzusetzen. | |
Seine Priorität besteht darin, seine auseinander driftende parlamentarische | |
Mehrheit zusammenzuhalten. Das ist auch die Aufgabe von Premier Castex, der | |
selbst nie Abgeordneter war und vor seinem Wechsel zu „La République en | |
marche“ (LREM) noch vor wenigen Tagen zur konservativen Oppositionspartei | |
„Les Républicains“ gehörte. | |
Eigentlich wollte Castex am Mittwoch seine Regierungserklärung abgeben, | |
doch Macron bestimmt die Termine offenbar allein. Der Präsident will am | |
Nationalfeiertag, am 14. Juli, eine programmatische Ansprache an die Nation | |
halten, der Premier darf darum erst am Tag danach reden. | |
7 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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