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# taz.de -- Französische Kulturministerin: Sie will retten, was zu retten ist
> Frankreich hat seit Juli eine neue Kulturministerin: Roselyne Bachelot,
> 73, die auch für ihre witzigen Talkshow-Auftritte bekannt ist.
Bild: Die neue Kulturministerin von Frankreich vor ihrer ersten Kabinettssitzun…
Die Politik, das war einmal. Nach mehreren Ämtern als Fachministerin unter
Jacques Chirac und danach während der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy
hatte Roselyne Bachelot, 73, genug von den undankbaren
Regierungsgeschäften. Sie nutzte ab 2012 ihre oft bissige Ironie exklusiv
bei ihren Auftritten in Fernseh-Talkshows, wo sie mehr Applaus erhoffen
durfte als in konservativen, männlich dominierten Regierungskabinetten.
Wenn ihr eine Qualität zugeschrieben wird, dann bestimmt ihr Humor.
Ihr Comeback als neue Kulturministerin hat überrascht. Und das war mit
dieser Nominierung wohl auch als Medieneffekt [1][vom Regisseur in den
Kulissen, Präsident Emmanuel Macron,] so bezweckt. Anders als ihre
Vorgänger und Vorgängerinnen kommt sie nicht aus dem Kulturmilieu, auch
wenn von ihr bekannt ist, dass sie in ihrer Kindheit Klavier spielte und
italienische Opern über alles liebt. Die Klassiker unter den Arien singt
sie auswendig mit.
Frankreich erinnert sich an Anekdoten: Als Sportministerin gesellte sie
sich gern zu den feiernden Fußballern in den Umkleideräumen. Und als 2008
die Franzosen und Französinnen mehr als 40 Olympia-Medaillen gewannen,
hielt sie ihre Wette und ging vor den amüsierten Medien mit rosaroten
Gummischuhen in den Ministerrat. 2018 spielte sie an der Seite der früheren
Arbeitsministerin Myriam El Khomri und der heutigen Ministerin für
Chancengleichheit, Marlène Schiappa, auf der Bühne im Stück „Die
Vagina-Monologe“.
Bachelot ist ursprünglich Apothekerin, und das hat sie in den Augen des
Staatschefs nach einer typischen Laufbahn als Lokalpolitikerin (zuerst an
der Seite ihres Vaters, des gaullistischen Abgeordneten Jean Narquin) im
westfranzösischen Angers und dann in Paris als Mitglied in der
Nationalversammlung wohl für den Posten der Gesundheits- und
Sozialministerin prädestiniert. Besonders linientreu war sie nie: Gegen die
Anweisung der Partei votierte sie namentlich für die „Homoehe“ und die
Legalisierung der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare.
## Bemerkenswerte Erfahrungen in der Gesundheitspolitik
Als sie als Verantwortliche des öffentlichen Gesundheitswesens 2010 zur
Prävention einer Epidemie mit dem H1N1-Grippevirus neben zig Millionen
Gesichtsmasken auch für 1,5 Milliarden Euro 95 Millionen Dosen Impfstoff
bestellte, die dann zur großen Mehrheit mangels Nachfrage im Müll landeten,
wurde sie wegen der angeblichen „Verschwendung“ schwer attackiert. Im
Nachhinein – aus der gegenwärtigen Erfahrung mit dem Coronavirus – gibt man
ihr für diese aufwändige Vorsichtsmaßnahme recht.
Man hätte sie daher eher erneut im Gesundheitsministerium erwartet als in
der Kultur. Auch in ihrer jetzigen Funktion muss sie eine Remedur mit
ausreichender Dosis für einen existenziell bedrohten Kulturbetrieb finden.
Die lange Covid-19-Pause mit geschlossenen Theatern, Konzert- und
Kinosälen, die abgebrochen Filmdreharbeiten sowie der Ausfall fast
sämtlicher Sommerfestivals stellt die Existenzfrage von mehr als einer
Million Kulturschaffenden in Frankreich ins Zentrum ihrer Agenda als
Nachfolgerin des farblosen Franck Riester.
Sie will retten, was zu retten ist. „Die Kultur erleidet ein
unvorstellbares Desaster, sowohl in künstlerischer wie finanzieller
Hinsicht“, hat sie nach ihrer Nominierung gesagt und dazu angekündigt, dass
ihr für die Rettungsaktionen 1,6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung
stünden. Als Erste will sie mit den OrganisatorInnen der Sommerfestivals
Lösungen für Alternativen und die kurzfristige Existenzsicherung suchen.
Als ehemalige Gesundheitsministerin fühlt sie sich auch kompetent, um in
Sachen Distanzregeln für Besucher von Kulturanlässen mitreden zu können.
20 Jul 2020
## LINKS
[1] /Macrons-neues-Kabinett/!5694770
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Kulturpolitik
Paris
Ministerin
Emmanuel Macron
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