| # taz.de -- Nachhaltige Weihnachtsbäume: Leihbaum statt Baumarktbusch | |
| > Warum jedes Jahr einen Einwegbaum kaufen? Eine Tanne zu mieten kann eine | |
| > Alternative sein. Ideal ist die Lösung aber dennoch nicht. | |
| Bild: Für ein paar Wochen steht der Baum im Wohnzimmer und zack, weggeschmissen | |
| Berlin taz | Vorsichtig lässt Andreas Frädrich die Laderampe seines | |
| randvoll mit Tannenbäumen beladenen LKWs herunter. Es ist Sonntagmittag, | |
| das Thermometer zeigt ein Grad an und Frädrich musste Nachschub aus dem | |
| Lager holen. 250 Stück laden er und sein Team aus, der Rest bleibt erstmal | |
| im Laster. Die Bäume, die Frädrich und sein Team anbieten, können entweder | |
| geliehen oder von den Käufer:innen eingepflanzt werden. Der Großteil der | |
| Kund:innen hier leiht sie. Am beliebtesten sind jene zwischen 120 und 80 | |
| Zentimeter. „Das ist die perfekte Stadtgröße“, erklärt Frädrich. | |
| Im fünften Jahr ist der gebürtige Berliner mit seinem „Weihnachtsurwald“ … | |
| der Hauptstadt. Der Landschaftsgärtner hat einen Betrieb auf Sylt. Auf dem | |
| Festland davor und in Dänemark zieht er Nordmann-Tannen auf, bis sie groß | |
| genug sind, um verliehen zu werden. Die Berliner:innen freuts: | |
| Frädrichs Geschäfts wächst alleine dieses Jahr um rund ein Drittel, schätzt | |
| er. Die Bäume bei Frädrich kosten zwischen 15 und 40 Euro plus zehn Euro | |
| Pfand. 2.500 Stück an drei Standorten will er dieses Jahr verkaufen. Mit | |
| diesem Geschäftsmodell ist Frädrich nicht allein. Auch in anderen Städten | |
| wie Hamburg, München oder auch Mainz gibt es derlei Angebote schon. | |
| Gut 28 Millionen Bäume werden pro Weihnachtsfest in Deutschland verkauft, | |
| schätzt die Umweltorganisation Robin Wood. Die allermeisten Bäume werden in | |
| Deutschland auf landwirtschaftlich genutzten Flächen produziert und nicht, | |
| wie oft vermutet, aus dem Wald geholt. Diese Bäume sind oft mit Pestiziden | |
| behandelt, wie Weihnachtsbaumstichproben des Bundes für Umwelt- und | |
| Naturschutz Deutschland (BUND) mehrfach belegt haben. Robin Wood empfiehlt | |
| daher, beim Kauf auf die klassischen EU-Biosiegel zu achten. Dafür gibt die | |
| Umweltorganisation seit 20 Jahren eine jährlich aktualisierte [1][Liste mit | |
| Bio-Verkaufsstellen und -Herstellerinnen] heraus. | |
| Der Anteil von ökologisch hergestellten Bäumen am Gesamtmarkt beträgt Robin | |
| Wood zufolge allerdings gerade einmal 0,6 Prozent. Von einer langen Fahrt | |
| für den Bio-Baum raten die Expert:innen ab, vielmehr sollte man über | |
| eine Alternative zum Weihnachtsbaum zum Beispiel aus Tannengrün nachdenken | |
| oder beim lokalen Forstbetrieb nachfragen. Die bieten oft Bäume direkt aus | |
| dem Wald an. | |
| ## Seine Bäume betrachtet Frädrich als „Wertobjekt“ | |
| Frädrich wuchtet einen Baum von der Palette auf den Boden. Seine Bäume sind | |
| nicht bio-zertifiziert. Aber Pestizide nutze er trotzdem nicht, verspricht | |
| er zumindest. Seine Fleecejacke ist voller Erde, auf der Hose zeichnen sich | |
| Wasserflecken ab. Kalt scheint ihm nicht zu sein. Seine Kund:innen seien | |
| „Überzeugungstäter“, erklärt er. Etliche haben schon mehrere Jahre in Fo… | |
| einen Baum geliehen. Andere sind das erste Mal da. „Wir haben uns dieses | |
| Jahr nur für einen Baum entschieden, weil wir ihn hinterher nicht | |
| wegschmeißen müssen“, berichtet eine Kundin. | |
| Die Bäume aus seinem „Weihnachtsurwald“ betrachtet Frädrich als | |
| „Wertobjekt“, schließlich werden sie im nächsten Jahr wieder verliehen. | |
| Sein Team gibt den Kund:innen Pflegehinweise mit, damit die Bäume die | |
| Zeit in der Wohnung gut überstehen. Insgesamt komme jeder zweite Baum | |
| zurück, davon sei der Großteil auch in einem guten Zustand. Wenn die Bäume | |
| zu groß werden, pflanzt Frädrich sie aus. | |
| Genau da liegt ein Problem, finden Naturschützer:innen. Denn die | |
| [2][Nordmanntanne] kommt nicht, wie der Name vermuten lässt, aus Nord- oder | |
| Mitteleuropa, sondern aus dem Kaukasus. Sie wurde vom Finnen Alexander von | |
| Nordmann entdeckt und nach ihm benannt. Damit ist sie eine nicht-heimische | |
| Art und das sei „immer ein Risiko“ für das Funktionieren des heimischen | |
| Ökosystems, erklärt Ralf Straußberger, Waldreferent beim BUND. | |
| ## Nordmanntanne der beliebteste Weihnachtsbaum | |
| Für Frädrich ist das weniger ein Problem, denn pflanze er seine Bäume zum | |
| Beispiel in Wohnsiedlungen oder private Waldabschnitte als Unterholz. | |
| Dieses Konzept sei nicht zu Ende gedacht, hält Straußberger dagegen. Die | |
| Nordmanntanne wächst bis zu 30 Meter hoch und sei neben dem ökologischen | |
| Risiko auf kurz oder lang für die meisten Gärten und Grünbereiche zu hoch. | |
| Mittlerweile haben sich die schmalen Wege zwischen den Bäumen mit | |
| Kund:innen gefüllt. Frädrich erklärt ihnen, dass seine Bäume manchmal | |
| etwas schiefer sind, weil sie nicht so stark behandelt werden wie die der | |
| [3][Konkurrenz aus dem Baumarkt]. Es wäre besser, von der Nordmanntanne | |
| wegzukommen und auf heimische Arten zurückzugreifen, glaubt auch er. | |
| Doch sie sei nun mal der beliebteste Weihnachtsbaum. Der Schutzgemeinschaft | |
| Deutscher Wald zufolge sind drei Viertel der verkauften Weihnachtsbäume | |
| Nordmanntannen. „Wir mussten die Waage finden zwischen Anspruch und | |
| Realität“, sagt er, nimmt etwas Eis von einer Tanne und zerdrückt es | |
| zwischen seinen Händen. Kalt ist ihm wohl immer noch nicht, er hat ja auch | |
| gut zu tun. | |
| 12 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.robinwood.de/sites/default/files/ROBIN%20WOOD%20Weihnachtsbaum%… | |
| [2] /Oekologische-Weihnachtsbaeume/!5557380 | |
| [3] /Test-zu-Pestiziden-in-Weihnachtsbaeumen/!5739679 | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Nickel | |
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