# taz.de -- Nach Parlamentswahl in Bulgarien: Ungewisse Zukunft | |
> Die Partei des TV-Stars Slawi Trifonow hat eine hauchdünne Mehrheit | |
> errungen. Potentielle Koalitionspartner vergrault der Entertainer jedoch | |
> gleich. | |
Bild: Ein Wähler mit einem T-Shirt von Ex-Premier Bojko Borissow | |
BERLIN taz | The Show must go on in Bulgarien, fragt sich jedoch nur wie: | |
Die vorgezogene Parlamentswahl vom vergangenen Sonntag hat erneut keine | |
klaren Mehrheitsverhältnisse hervor gebracht. Nach Auszählung von 99,95 der | |
Stimmen liegt [1][die Partei So ein Volk gibt es (ITN) des TV-Stars Slawi | |
Trifonow] mit 24,07 Prozent der Stimmen knapp vor der langjährigen | |
Regierungspartei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) | |
von Exregierungschef Bojko Borissow. | |
Die Sozialistische Partei (BSP) landete mit 13,4 Prozent der Stimmen auf | |
dem dritten Platz, gefolgt von dem Bündnis Demokratisches Bulgarien (DB, | |
12,6 Prozent). Die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die vor allem | |
die Interessen der türkischen Minderheit vertritt, kam auf 10,7 Prozent der | |
Stimmen. | |
Wie bereits nach dem Votum im April wird auch die Partei Steh auf! Mafia | |
raus! mit 5,1 Prozent wieder in die Nationalversammlung einziehen. Sie war | |
erst 2020 gegründet worden, als Zehntausende Bulgar*innen gegen | |
Korruption und Vetternwirtschaft wochenlang auf die Straße gegangen waren. | |
Die Neuwahl war notwendig geworden, weil nach dem Votum am 4. April | |
Versuche einer Regierungsbildung mehrmals gescheitert waren. Seit dem 11. | |
Mai führt ein Übergangskabinett die Geschäfte. | |
## Schmutziger Beiklang | |
Nachdem der im April Zweitplazierte Trifonow wochenlang abgetaucht war, kam | |
er am Montag mit einer Videobotschaft aus der Deckung und düpierte seine | |
potenziellen Koalitionspartner. Seine Partei werde nicht mit anderen | |
politischen Kräften in Gespräche eintreten, da das Wort Koalition einen | |
schmutzigen Beiklang habe, sagte er. | |
Zur großen Überraschung vieler Beobachter*innen zog er jedoch eine | |
komplette Liste mit Mitgliedern des neuen Kabinetts aus dem Hut. | |
Regierungschef soll demnach Nikolai Wassilew werden. Der Wirtschaftsexperte | |
war im Kabinett des damaligen Premiers und Ex-Zaren Simeon Simeon | |
Sakskoburggotski (2001 bis 2005) Vizeregierungschef, Transportminister | |
sowie Staatsminister für Verwaltung. | |
Die meisten von Trifonows Wunschkandidat*innen sind unbekannte | |
Politneulinge, die jedoch alle im Ausland studiert haben. Erstmals soll es | |
auch einen Minister*innenposten für die Angelegenheiten der Minderheit | |
der Roma geben. | |
Für teils bissige Kommentare sorgte die Ankündigung Trifonows, im Rahmen | |
eines Technologieprogrammes zwei bulgarische Astronaut*innen ins | |
Weltall schicken zu wollen – nebst eines/r Vertreter*in aus | |
Nordmazedonien. Der Nachbar würde sich wohl eher irdischere Aktionen | |
wünschen: Seit Monaten blockiert Sofia wegen eines Streits über Geschichte | |
und Sprache die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit Skopje. | |
## Vollendete Tatsachen | |
Die Chefin von Steh auf! Mafia raus!, Maja Manolowa, fand deutliche Worte | |
der Kritik an Trifonows Vorpreschen. Der habe alle vor vollendete Tatsachen | |
gestellt und verlasse sich darauf, dass die anderen Parteien sein Kabinett | |
wählten oder auf [2][Neuwahlen] schielten. „Wir wollen, dass die Autorität | |
des Parlamentarismus und der parlamentarischen Republik zurückkehrt. Diese | |
dürfen nicht durch eine TV- und Facebook-Republik ersetzt werden“, zitiert | |
sie das bulgarische Nachrichtenportal mediapool.bg. | |
Unterdessen hat die EVP-Abgeordnete im EU-Parlament und Vorsitzende des | |
Ausschusses für Finanzkontrolle, Monika Holheimer, angekündigt, dass eine | |
Delegation von EU-Abgordneten nach Sofia reisen werde, um sicherzustellen, | |
dass EU-Mittel ordnungsgemäß verwendet würden. Dieser Schritt ist | |
überfällig. Seit Jahren ist bekannt, dass EU-Gelder in erheblichem Umfang | |
auch in den Taschen bulgarischer Politiker verschwinden. | |
13 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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