# taz.de -- Mobilisierung in der Ukraine: Voll erfasst für den Fronteinsatz | |
> Die Ukraine will mit einer stärkeren Erfassung mehr Soldaten | |
> mobilisieren. Präsident Selenski und sein Oberbefehlshaber streiten über | |
> die Zahl. | |
Bild: Ukrainische Soldaten bei einer Übung im Oblast Schytomyr am 30. Januar | |
KYJIW taz | Mit einem neuen Gesetzentwurf will die ukrainische Regierung | |
die gesamte erwachsene männliche Bevölkerung militärisch erfassen und mehr | |
Transparenz in die Mobilisierungsprozesse bringen. Ein am Dienstag | |
eingebrachter Gesetzentwurf soll in einer ersten Lesung am 6. Februar vom | |
Parlament behandelt werden. | |
Vorausgegangen war diesem Gesetzentwurf [1][ein erster Entwurf um die | |
Jahreswende, der für viel Aufregung gesorgt hatt]e, hätte er doch sogar | |
einen Kriegsdienst von Menschen mit einem sogenannten Behinderungsgrad 3 | |
ermöglicht. Auch Personen, die etwa nur einen Lungenflügel haben oder einen | |
Herzschrittmacher tragen, hätten dann eingezogen werden können. Diese | |
Bestimmung entfällt in dem neuen Entwurf. Auch Männer, die Ehefrauen oder | |
Eltern der Behindertengruppe 1 und 2 betreuen, werden nun nicht eingezogen. | |
Gleichzeitig wurde das Alter für einen möglichen Kriegsdienst von 27 Jahren | |
auf 25 Jahre gesenkt. Und auch auf Bewährung entlassene Strafgefangene | |
können nun eingezogen werden. | |
Nun sollen die Zeiten, die ein Soldat Kriegsdienst leistet, klar festgelegt | |
werden. Immer wieder kritisieren Soldaten, dass sie seit fast zwei Jahren | |
an der Front sind, ohne zu wissen, wann sie wieder nach Hause dürfen. Das | |
neue Gesetz soll Soldaten einen Mindesturlaub von mindestens 15 | |
Kalendertagen erlauben, freigelassenen Kriegsgefangenen darüber hinaus | |
einmalig 90 Urlaubstage garantieren. | |
Die Vorbereitung auf den Kriegsdienst muss nun mindestens zwei bis drei | |
Monate dauern. Auch die allgemeine Wehrpflicht wird abgeschafft. | |
Stattdessen müssen nun Männer zwischen 18 und 24 Jahren eine fünfmonatige | |
Wehrübung durchlaufen. Auch der Gang zu den Wehrbehörden wird nun | |
entfallen. Der Mindestlohn von Soldaten wird auf umgerechnet 500 Euro | |
festgesetzt. Nach dem neuen Gesetz kann die Armee auch Fahrzeuge und | |
Gebäude beschlagnahmen. | |
## Empfindliche Strafen | |
Wer einer Einberufung nicht nachkommt, muss mit empfindlichen Strafen | |
rechnen. So kann diesen Personen das Fahren eines Fahrzeugs verboten, deren | |
Eigentum und Bankkonten können beschlagnahmt werden. Alle wehrfähigen | |
Männer müssen ein Dokument der Wehrbehörde über ihre Registrierung mit sich | |
führen. Auch Frauen mit medizinischen Berufen können erfasst werden. Sie | |
sind jedoch von der Ausreisesperre weiter ausgenommen. | |
Dawid Arachamia, Vorsitzender der Fraktion der Präsidentenpartei, sagte, | |
nun müsse niemand mehr Angst haben, sofort nach seiner Einberufung an die | |
Front zu müssen. Schließlich sehe das Gesetz eine mehrmonatige Ausbildung | |
vor. Besonders gefalle ihm, so Arachamia, dass die Registrierung und | |
Einberufung nun digital übers Smartphone erfolge. | |
Genau das kritisiert der in Odessa lebende Blogger Wjatscheslaw Asarow. Es | |
sei nicht fair, von Menschen zu verlangen, immer online erreichbar zu sein | |
– zumal sich immer weniger in der Ukraine ein Smartphone leisten könnten. | |
Den Abgeordneten Jaroslaw Schelesnjak von „Diener des Volkes“ störte vor | |
allem der Umstand, dass der Gesetzentwurf die Beschlagnahmung von | |
Fahrzeugen und Gebäuden durch die Armee ermöglichen soll. Das sei eine | |
Bedrohung für Logistikunternehmen, das Baugewerbe, Spediteure und | |
Landwirte. | |
Dmytro Rasumkow, Vorsitzender der „Diener des Volkes“, kritisiert, die | |
Wehrbehörden könnten unter anderem auch Gesundheitsdaten abfragen. | |
Unterdessen berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur unian.net unter | |
Berufung auf den Economist und die Washington Post von [2][wachsenden | |
Differenzen zwischen Präsident Selenski und dem Oberbefehlshaber Valeri | |
Saluschni]. Saluschnis Einschätzung, man müsse 500.000 Soldaten | |
mobilisieren, habe Selenski für unrealistisch gehalten. Dazu fehlen die | |
notwendigen Voraussetzungen an Uniformen, Waffen, Schulungseinrichtungen | |
und Gelder für den Sold. | |
Saluschni hingegen halte es für notwendig, den zu erwartenden weiteren | |
400.000 in Russland neu zu mobilisierenden Soldaten eine entsprechende | |
Anzahl an neuen Soldaten entgegenzusetzen. In einer Situation, in der die | |
Ukrainer kriegsmüde seien, die internationale Unterstützung für die Ukraine | |
abnehme, würde ein neuer Oberbefehlshaber die Lage „beleben“, wird Selenski | |
zitiert. | |
31 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Mobilisierung-in-der-Ukraine/!5978356 | |
[2] /Spannungen-in-ukrainischer-Fuehrung/!5974055 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Wolodymyr Selenskij | |
Demobilisierung | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wehrpflicht in der Ukraine: Mehr Soldaten für Kyjiws Armee | |
In der Ukraine gelten ab sofort neue Regelungen für die Mobilmachung. Das | |
Einberufungsalter sinkt von 27 auf 25 Jahre. | |
Öffentlichkeit in Russland: Kriegsmüde Frauen | |
Im Oktober 2022 ordnete Russland eine Teilmobilisierung an. Weil ihre | |
Männer bis heute nicht zurückgekehrt sind, begehren zunehmend Frauen im | |
Land auf. | |
Neue Mobilisierungsregeln in der Ukraine: Kein Krieg, zumindest für Reiche | |
Bisher hängen Einberufungen in der Ukraine nicht vom Einkommen ab. Doch die | |
Regierungspartei denkt darüber nach, das zu ändern. | |
Mobilisierung in der Ukraine: Wehrdienst soll flexibler werden | |
Ein neues Gesetz soll den Einsatz in der ukrainischen Armee anders regeln. | |
Dabei geht es auch um das Bekämpfen von Korruption. |