| # taz.de -- Milliardäre und Angst vor Enteignung: Kein Neid, nirgends | |
| > Die BMW-Eigentümer*innen Klatten und Quandt erklären in einem Interview | |
| > ihre Sicht auf Reichtum. Dabei bleiben viele Dinge unausgesprochen. | |
| Bild: Das BMW-Geschwisterpaar 2008 mit damals noch lebender Erblasserin Johanna… | |
| Stefan Quandt und Susanne Klatten gehören mit ihren Milliardenvermögen zu | |
| den reichsten Menschen Deutschlands. Die Geschwister sind Erben der | |
| Quandt-Familie, deren Finanzen und Namen über mehrere Generationen hinweg | |
| eng mit BMW verbunden sind. Tendenziell, wie viele in ähnlicher Position, | |
| die Öffentlichkeit eher meidend, gaben die beiden in dieser Woche ein | |
| langes gemeinsames Interview. Im Manager Magazin, einer Art Goldenes Blatt | |
| der Hochfinanz aus der Spiegel-Gruppe, hatten sie dabei Gelegenheit, von | |
| kritischen Nachfragen unbehelligt ihre Lebens- und Arbeitsphilosophie | |
| ausführlich [1][darzulegen]. | |
| Anlass für das Gefälligkeitsgespräch war die Aufnahme der BMW-Erben in die | |
| „Hall of Fame“ der Zeitschrift, der tatsächliche Grund für die ungewohnte | |
| Öffentlichkeitsoffensive scheint aber ein gewisser Rechtfertigungsdruck zu | |
| sein. In Zeiten fröhlicher Enteignungsdebatten scheint auch im obersten | |
| Einkommenssegment ein Bewusstsein für die Legitimationslücke bei gewaltigen | |
| Erbschaften, astronomisch anmutenden Vermögenswerten und dynastischer | |
| Kontrolle über große Industrieunternehmen zu entstehen. | |
| Die vom Juso-Rabauken Kevin Kühnert vor einiger Zeit ins Gespräch gebrachte | |
| mögliche Enteignung von BMW kommt zwar erst ganz am Ende des freundlichen | |
| Austauschs zwischen Klatten, Quandt und ihren Stichwortgebern vom | |
| Manager-Magazin zur Sprache, der Tenor aber wird gleich am Anfang klar: | |
| Reich zu sein bedeutet Verantwortung, Erben belastet, unternehmerisches | |
| Handeln ist gesellschaftliches Engagement. Flankiert wird solcherart | |
| ideologische Kapitalismuspolitur mit rührselig menschelnder | |
| Familienaufstellung. | |
| Knallharte Kämpfe um Firmenübernahmen und wirtschaftliche Kontrolle werden | |
| so zu schicksalhaften Akten der persönlichen Selbstfindung. „Es war der | |
| Wunsch unseres Vaters, dass wir beide bei BMW engagiert bleiben, dem fühlen | |
| wir uns verpflichtet“, erklärt Klatten den ungebrochenen Zugriff der | |
| Geschwister auf das Unternehmen. Ihre rabiate Übernahme der Kontrolle über | |
| die mit VW umkämpfte Technologiefirma SGL Carbon betrachtet Klatten als „so | |
| etwas wie eine Diplomarbeit“. Wer kennt das nicht, einen Studienabschluss, | |
| der hunderte Millionen Euro verschlingt? | |
| ## Wen was antreibt | |
| „Für uns beide ist es sicherlich nicht das Geld, das uns antreibt“, sagt | |
| Quandt, etwas davon abzugeben scheint aber keine Priorität für die | |
| Geschwister zu sein. Denn: „Wir wissen, dass Umverteilung noch nie | |
| funktioniert hat.“ Selbst die Besteuerung von Erbschaften ist den beiden | |
| ein Greuel: „Ich frage mich immer, warum der Todeszeitpunkt ein Moment sein | |
| sollte, in dem der Staat auf bereits versteuertes Einkommen noch einmal | |
| zugreift.“ | |
| Und falls das nicht überzeugend genug ist, wird zur Sicherheit noch die | |
| nationalistische Karte gezogen, müssten Erben doch zur Bedienung der | |
| Steuerlast geerbte Aktien verkaufen. Dann „könnten plötzlich weite Teile | |
| von BMW den Chinesen oder arabischen Scheichs gehören“. Das wäre ja nicht | |
| zu auszumalen, und außerdem: Was hat dieser ausländische Scheich denn je | |
| geleistet, außer qua Geburt mit Reichtum überschüttet worden zu sein, nicht | |
| wahr. | |
| Aber egal, die Front gegen fremde Mächte wird gehalten, auch wenn überall | |
| ganz undankbar „ein Maß an Misstrauen im gesellschaftlichen Raum“ | |
| mitschwingt, das „uns als Unternehmer beschäftigt“. Das schmerzt, denn „… | |
| wie die Diskussion geführt wird, ist sie sicher nicht gerecht“. „Hinzu | |
| kommt der Neid, ein gerade in Deutschland weitverbreiteter Wesenszug“. | |
| Susanne Klatten ist sich sicher: „Viele Menschen denken, das fliegt einem | |
| irgendwie zu. Und manche glauben, dass wir ständig auf einer Jacht im | |
| Mittelmeer herumsitzen.“ Wirklich? Das denken viele? Aber selbst ein Boot | |
| müsste kein Grund für Neid sein, auch die Leitung internationaler Konzerne | |
| ist sicher nicht unbedingt der Berufswunsch aller. Die Menschen füllen die | |
| Rollen aus, für die sie geboren wurden und dass Geld allein nicht glücklich | |
| macht, ist nicht zufällig ein bekanntes Sprichwort. | |
| ## Es geht nicht um Missgunst | |
| Der Kernsatz des Gesprächs ist vielleicht wirklich die rhetorische Frage: | |
| „Wer würde denn mit uns tauschen wollen?“ Denn genau hier zeigt sich das | |
| wohl absichtsvolle Missverständnis der Enteignungsdebatte. Es geht nicht um | |
| individuelle Lebensumstände, es geht um die Verhältnisse, in denen sie | |
| entstehen. Kritik an einem System, das die Anhäufung riesiger | |
| Privatvermögen und deren dynastische Weitergabe ermöglicht als persönliche | |
| Missgunst zu denunzieren, ist aus Sicht der BMW-Erben vielleicht plausibel, | |
| als Argumentationsmuster aber so perdfide, wie durchschaubar – außer | |
| vielleicht für das Manager-Magazin. | |
| Dessen Versuch, Demut und Bescheidenheit von Klatten und Quandt | |
| propagandistisch herauszustellen, statt ein spannendes konfrontatives und | |
| produktives Interview zu führen, wird gleich im Einstieg durch eine | |
| offensichtliche, fast peinliche, kleinbürgerliche Lust am Glamour | |
| konterkariert. „Wir treffen uns im ‚Business Club‘ der Münchener BMW Wel… | |
| […] Alles ist bestens präpariert im Boardroom, der Platz für 25 Leute | |
| bietet: Eine Kosmetikerin und eine Serviererin sind stand-by“. | |
| Namen haben die Dienstboten keine; keine Familien, keine Zukunft, keine | |
| Geschichte. Journalist*innen, die deren Story hätten recherchieren und | |
| erzählen können, waren leider nicht stand-by. | |
| 21 Jun 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.manager-magazin.de/premium/susanne-klatten-stefan-quandt-erstes… | |
| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
| ## TAGS | |
| Familie Quandt | |
| BMW | |
| Enteignung | |
| Kolumne Der rote Faden | |
| Medienpreis | |
| Familie Quandt | |
| SPD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Geld und Schuld: Träumen Sie schlecht, Frau Klatten? | |
| BMW-Großaktionärin Susanne Klatten fällt mit einem befremdlichen Interview | |
| auf. Und Claus Weselsky dreht wieder auf – zum letzten Mal. | |
| Journalistenpreis und NS: Zu Ehren eines Nazis | |
| Auch 2020 wird der Medienpreis in Gedenken an NS-Unternehmer Herbert Quandt | |
| verliehen. Kaum jemand scheint sich heute daran zu stören. | |
| Medienpreis und NS-Aufarbeitung: Im Namen des Herrn Quandt | |
| Jedes Jahr nehmen Journalisten einen Preis mit dem Namen eines | |
| NS-Unternehmers entgegen. Und (fast) niemanden stört das. | |
| Kommentar Reaktionen zu Kevin Kühnert: Das Unbehagen im Kapitalismus | |
| Die Gedankenspiele des Juso-Vorsitzenden sind nicht beunruhigend. Traurig | |
| sind seine Genossen, die sich aus Angst von ihm distanzieren. |