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# taz.de -- Mein Kriegsende 1945: „Endlich die Deutschen bekämpfen!“
> Zeitzeugen erinnern sich (Teil 2): Herbert Haberberg marschierte als
> jüdischer Brigadist mit der britischen Armee in Deutschland ein.
Bild: Herbert Haberberg
Herbert Haberberg, Jahrgang 1924, kehrte nach dem Krieg nach London zurück
und arbeitete im Ost-West-Handel. Er heiratete und bekam drei Kinder:
„Ich wurde 1924 in Lünen-Brambauer bei Dortmund geboren. Bereits in der
Schule erfuhr ich Demütigungen von Seiten eines antisemitischen Lehrers.
1938, am Tag nach meinem 14. Geburtstag, wurde dann mein Vater nach Polen
deportiert. Etwa ein Jahr später kamen mein Bruder und ich mit einem
Kindertransport nach England, wo wir voneinander getrennt von Pflegeeltern
aufgenommen wurden.
Ich wollte nichts sehnlicher, als in die britische Armee aufgenommen
werden, um gegen Deutsche zu kämpfen. Ich vermutete schon damals, dass
meine Eltern ermordet worden waren, ich wusste es aber noch nicht. Viele
Jahre später erfuhr ich, dass mein Vater in einem Wald erschossen wurde und
meine Mutter vergast worden war.
1944 war es schließlich so weit: Ich konnte mich der jüdischen Brigade in
der britischen Armee anschließen. Es ging nach Neapel und von Bologna an
die Front. Ich hatte noch nicht einmal die militärische Grundausbildung
abgeschlossen. Doch wir hatten alle mehr oder weniger schlimme Erfahrungen
hinter uns und waren deshalb sehr stark motiviert. Wir bemerkten das
Kriegsende im Grunde nur, weil sich die Deutschen auf einmal schnell
zurückzogen. Über die Kapitulation erfuhren wir dann später aus dem Radio
und aus Zeitungen.
Die Niederlage Deutschlands hob unsere Stimmung, und so saßen wir alle
beieinander und sangen zur Feier hebräische Lieder. Wir sprachen über die
Zukunft. Was auch immer wir für Rachegefühle hatten, so mussten wir diese
doch unterdrücken, da wir britischem Recht unterstanden, auch als wir auf
junge SS-Soldaten in Gefangenschaft stießen.
Als wir nach dem Krieg in Tarvisio stationiert waren, halfen wir dabei,
ohne Erlaubnis jüdische Überlebende aus Osteuropa zu evakuieren. Ich
verbrachte meine restliche Armeezeit im Norden Deutschlands. Ein
Militärpfarrer hatte die Idee, dass ich mit den Überlebenden der DP-Camps
Bergen-Belsen sprechen sollte. Die Menschen wussten nicht wohin und niemand
wollte ihnen helfen. Über mein Netzwerk jüdischer Brigardisten erfuhr ich
von Wegen, nach Palästina auszureisen, und ich ermunterte die Überlebende
dazu.
Einmal fragte mich eine Deutsche, wann denn diese Untermenschen endlich aus
der Gegend verschwinden würden. Ich riet ihr zu einem Blick in den Spiegel,
da würde sie sehen, wie ein Untermensch aussehe.“
Aufgezeichnet von Daniel Zylbersztajn.
Bisher erscheinen:
(1) [1][Walter Frankenstein, versteckt in Berlin]
6 May 2020
## LINKS
[1] /Mein-Kriegsende-1945/!5682091
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
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