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# taz.de -- Manager Ruhnert über den 1. FC Union: „Ich habe null Abstiegsang…
> Der Manager des 1. FC Union ist auch Linkspolitiker im Sauerland. Bei den
> einen geht's rauf, bei den anderen runter. Wie schafft Oliver Ruhnert den
> Spagat?
Bild: Gutes Gespann: Oliver Ruhnert und Trainer Urs Fischer arbeiten seit vier …
taz: Herr Ruhnert, Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa
League. Vor dem Champions-League-Finale am Sonntag drängt sich da die Frage
auf: Geht da noch mehr für Union Berlin?
Oliver Ruhnert: Die Frage habe ich fast befürchtet. Denn das Bespiel
Eintracht Frankfurt zeigt gerade, dass man Erfolge feiern kann, die man für
kaum denkbar gehalten hat. Dass der Elfte der Fußball-Bundesliga
Europa-League-Sieger wird, das halte ich beinahe schon für einmalig. Man
mag das als Phrase empfinden, aber ein Verein wie unserer muss immer von
Spiel zu Spiel denken. Und dann kann man aus einer guten Phase in der
Saison möglicherweise neue Ziele ableiten.
In der abgelaufenen Saison [1][war Union eine Art Zaungast in Europa.] Ist
der Klub jetzt schon einen Schritt weiter?
Eintracht Frankfurt hat jetzt nicht das erste Mal in der Europa League
spielen dürfen. Sie hatten da schon verschiedene Highlights auch in diesem
Wettbewerb. Für uns hat es sich in der Conference League komplett neu
angefühlt und so ist es jetzt mit der Europa League wieder.
Bei all den immer neuen Erfolgen fragen wir uns, wo eigentlich der
angestammte Platz von Union ist. Ist der noch zwischen erster und zweiter
Liga?
Wir sind sicherlich in der ersten Liga angekommen. Wir gehen jetzt ins
vierte Jahr, und zweimal sind wir auf einem internationalen Rang gelandet.
Es fühlt sich zwar alles neu an, immer, jedes Jahr, jetzt wieder. Aber
jetzt wissen wir schon: Ja, wir sind da drin. Du schaust mehr auf die erste
Liga, nicht mehr so viel auf die zweite. Du betrachtest auch die
internationalen Gegner anders. Wir sind jetzt Part of the Game.
Ein normaler Erstligist?
Wir sind im nächsten Jahr der Erstligist, bei dem mit Abstand am wenigsten
Zuschauer ins Stadion passen. Wir sind der Verein, der die wenigsten
Bundesligajahre auf dem Buckel hat. Auch wenn das keiner mehr hören will,
bleiben wir immer [2][noch ein bisschen der Gegenentwurf zu vielen anderen
Klubs]. Wir wissen, dass wir vielleicht auch mal wieder um den
Klassenerhalt spielen.
Also das Ziel für nächste Saison sind dann wieder die üblichen 40 Punkte,
und die Verträge werden so aufgesetzt, dass sie auch für die zweite Liga
gültig sind?
Alle Verträge müssen auch eine Gültigkeit für die zweite Liga haben. Da
lacht man immer so ein bisschen drüber. Aber man sieht doch die Beispiele,
bei denen es von ganz oben ganz schnell nach unten geht. Schauen Sie sich
mal [3][Traditionsvereine an wie 1860 München], wie Preußen Münster,
Alemannia Aachen, wie sie alle heißen. Da ist es doch sehr sinnig, den
Fokus in einer wieder veränderten ersten Liga auf den Klassenerhalt zu
legen. Und diese 40 Punkte sind nicht leicht zu erreichen. 40 Punkte heißt
mindestens 13 Siege in dieser Liga zu holen, in der Gegner sind, von denen
du sagst, dass du sie eigentlich gar nicht bezwingen kannst.
Zudem ist Ihr Kader ständig in großer Bewegung. 15 neue Spieler vor der
Saison zu verpflichten ist ja beinahe schon normal für Union. Wünschen Sie
sich da manchmal mehr Stabilität?
Grundsätzlich ist Kontinuität gut. Du hast Leute, die die Abläufe kennen.
Aber wir haben jedes Jahr neue Schritte gemacht. Letztes Jahr erstmals drei
Wettbewerbe, davor erstmals Bundesliga, davor das Ziel, aufzusteigen. Und
da musst du fragen, ob du dafür auch gerüstet bist. Manchmal haben wir
keinen Einfluss auf die Fluktuation, weil ein Spieler gehen möchte, weil
Verträge auslaufen. Dann haben wir Bereiche, wo wir keine große Fluktuation
haben. Wir haben einen Trainer, der jetzt in die fünfte Saison geht.
Und dann geht es ja auch um die sportliche Weiterentwicklung.
Die Mischung aus Spielern, die im zweiten, im dritten Jahr hier sind, mit
den Neuzugängen hilft uns dabei, jedes Jahr auch die Spielweise zu
verändern. Vielleicht mal das Spiel aktiver zu gestalten oder andere
Erfordernisse im Spielsystem zu bedienen. Das sind Dinge, die Manager und
Trainer besprechen. Und meine Aufgabe ist es, den Scouts zu sagen, was für
Spielertypen wir versuchen zu finden.
Hat Ihnen der Trainer eine Wunschliste übermittelt?
Er findet Lewandowski und Kimmich interessant. Ich muss ihm halt
zwischendurch sagen: Das wird eher schwierig. Urs Fischer, der in der
Champions League gearbeitet hat, mit Basel erfolgreich war, weiß, dass er
anderswo vielleicht Spieler auf einem noch höheren Level trainieren könnte.
Und er wünscht sich das manchmal sicher.
Wirklich? Er macht einen so bescheidenen Eindruck.
Urs Fischer ist Profi. Das heißt auch, dass er sich als Trainer mit dem
Spiel seiner Mannschaft weiterentwickeln möchte. Es ist ihm immer gelungen,
ein System und eine gewisse Spielweise auf die Mannschaft so zuübertragen,
dass es gepasst hat. Und das ist für mich die größte Kunst. Er findet einen
Weg, mit den Jungs, die er zur Verfügung hat, erfolgreich zu sein.
Bei der Verpfichtung der Spieler mischt er sich also nicht ein?
Wir haben hier eine Scoutingabteilung und einen Manager. Es ist unsere
Aufgabe, dem Trainer Spieler zu präsentieren. Und das tun wir auch.
Natürlich sind wir im Austausch. Aber wenn er sagen würde, ich will den und
den Spieler, das würde zu Problemen führen. Ich mische mich auch nicht in
seine Aufstellung ein.
Ist es leichter geworden, Spieler für Union zu interessieren?
Du musst nicht mehr so viel erklären. Die Spieler kennen Oliver Ruhnert und
Urs Fischer. Die Spieler kennen Union Berlin. Und selbstverständlich haben
die Auftritte in der Conference League dazu geführt, dass man in Europa
weiß, dass es hier in Berlin mittlerweile noch einen Klub gibt.
Der andere Club in Berlin [4][steht für den Investorenfußball], Union ist
eher was für Fußballromantiker. Sehen Sie sich in einem Wettbewerb um den
Fußballcharakter?
Nein, aber, ich freue mich, wenn Union positiv besetzt ist. Es ist sicher
was Besonderes, wenn man in einem Stadion spielt, wo auf drei Seiten
Stehplätze sind und sich die Leute die Tickets leisten können. Und es ist
etwas Besonderes, wenn man einen solchen Standort hat, wo man sonst nur
noch Arenen gewohnt ist. Egal wo ich in Deutschland hinkomme, gibt es diese
Freude über Union. Das Feedback, das man bekommt, ist ausgesprochen
positiv. Und das ist für alle handelnden Personen im Klub einfach toll.
In dieser Saison lebt die Fantasie eines Fußballs auf, der nicht von außen
zu Tode finanziert wird. Eintracht Frankfurt wurde Europa-League-Sieger.
Freiburg und Union waren erfolgreich. Kann der Kampf gegen den
Kommerzfußball gewonnen werden?
Diese Saison war etwas richtig Besonderes. Das gefällt auch mir persönlich
sehr gut, weil es widerspiegelt, was sich Vereine mit ihren Fans erarbeiten
konnten. Aber ich kann nicht beurteilen, ob das ein Trend sein kann. Dass
es dem Fußball gutgetan hat, ist unstrittig.
Die Schere zwischen armen und reichen Klubs geht weiter auseinander.
Eigentlich verläuft die Saison quer gegen den Trend.
Dass eine solche Saison noch möglich ist, ist für die finanzstärkeren
Mannschaften fast nicht darstellbar. Dafür müssen wir sehr viel richtig
machen und die anderen sehr viel falsch. Deswegen können wir nur jeden Tag
dreimal Danke sagen, dass wir da vorne gelandet sind.
Wie sieht es mit Ihrer persönlichen Arbeit aus? Wie viel Power stecken Sie
hier rein?
Ein Kollege hat mir mal gesagt, ich dürfe das nicht so nah an mich
heranlassen. Aber ich kann das nicht immer. Das, was ich mache, mache ich
mit größtmöglicher Überzeugung. Letztlich bist du nicht nur Manager,
sondern eben auch Fan des Klubs.
Eine der bewegendsten Geschichten dieser Saison [5][war der plötzliche
Rücktritt Ihres Kollegen Max Eberl] in Gladbach. Er bekannte, keine Kraft
mehr für den Job zu haben. Haben Sie Angst, dass es Ihnen ähnlich ergeht?
Das versuche ich zu vermeiden. Deshalb würde ich jetzt nicht meinen Vertrag
um vier Jahre verlängern. Aber solange mir die Arbeit Spaß macht, ist eine
sehr wichtige Bedingung erfüllt, diese Position ausfüllen zu können.
Trotz dieser so intensiven Tätigkeit sind Sie noch kommununalpolitisch und
im Amateurfußball als Schiedsrichter aktiv. Warum?
Ich liebe mein Sauerland. So habe ich auch einen Bezug zu Leuten, die nicht
im Bereich Profifußball unterwegs sind. Und wenn ich als Schiedsrichter
pfeife, habe ich 90 Minuten, in denen ich nicht an Union denke. Wenn ich
alleine laufen gehe, habe ich trotzdem Union im Kopf.
Sie sind für die Linke im Rat in Iserlohn. Geht das zusammen – Profifußball
und linke Politik?
Wissen Sie, ich bin aus einfachen Verhältnissen. Für mich war es nie ein
Thema, nur weil ich mal in exponierte Stellung gekommen bin, zu sagen, ich
verändere jetzt meine Denkweise, dass es für möglichst viele Menschen eine
solidarische Gesellschaft geben muss. Viele der Werte, die mir politisch
wichtig sind, sind es auch im Fußball. Dass ein Miteinander wichtig ist,
dass man den Schwächeren unterstützen muss, dass man gleichzeitig in einer
Gemeinschaft erfolgreich sein kann und Probleme gemeinsam gelöst kriegt.
Haben Sie Abstiegsangst, wenn Sie nach den letzten Wahlen an die Linken
denken?
Ich habe null Abstiegsangst. Wir haben bei uns in Iserlohn immer das beste
Ergebnis im Westen eingefahren. Wer sich selbst Probleme macht, muss sich
nicht wundern, wenn dann bestimmte Ergebnisse auch so ausfallen.
Nichtsdestotrotz ist die Idee gut, die Leute, die sich dafür einsetzen,
weniger.
Wie managen Sie Ihre Pendelei zwischen dem Sauerland und Berlin?
Ich versuche, ein, zwei Tage die Woche im Sauerland zu sein. Ich besuche
jährlich sechs bis sieben Ratssitzungen. Darüber hinaus bin ich noch
Vorsitzender in einem Ausschuss, alle zwei Wochen gibt es montags eine
Fraktionssitzung. Diese Termine nehme ich wahr, das ist so mit Union
besprochen.
Wissen die Spieler über Ihr politisches Amt Bescheid?
Natürlich, sie wissen auch, dass ich Schiedsrichter bin. Die machen sich
manchmal auch einen Spaß daraus.
Aus Ihrem Dasein als Linkspolitiker oder Ihrer Schiedsrichterei?
Letzteres. Das politische Engagement finden viele, glaube ich, eher gut.
Unter unseren Spielern gibt es ein hohes Maß an sozialem Engagement.
27 May 2022
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
Johannes Kopp
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