# taz.de -- Lust auf Stadt: Auf Pilgertour in Rom | |
> Pilger und Touristen. Wenn sie in Massen anreisen, fluchen selbst die | |
> Römer. Und wird jemand heilig gesprochen, geht auf Roms Straßen gar | |
> nichts mehr. | |
Bild: Touristen belagern die Spanische Treppe. | |
Wenn die Pilger kommen, hauen wir ab“, sagt Carlo Miccoli. Der Lehrer wohnt | |
mit seiner Familie in der Via del Falco, einer mittelalterlichen Gasse im | |
Schatten des Vatikans. Beim diesjährigen kirchlichen Mega-Event, der | |
Heiligsprechung von zwei Päpsten im April, wachte Miccoli im Morgengrauen | |
auf, weil sein Bett bebte. Ein doppelstöckiger Pilgerbus donnerte auf dem | |
antiken Kopfsteinpflaster vor seinem Fenster vorbei, obwohl die Straße | |
eigentlich Fußgängerzone ist. | |
An den zwei Tagen der Heiligsprechung wurden fast eine Million Pilger in | |
4.000 Bussen zum Vatikan gekarrt. Die Busse legten den Stadtverkehr lahm, | |
in den Straßen konnte man nicht laufen und in den Bars nicht den Tresen | |
oder gar die Toilette erreichen. | |
Die Stadt und ihre Bürger mussten für das unfromme Treiben – unter anderem | |
für Verkehrsumleitungen, Polizeieinsatz, Wasserversorgung und Müllabfuhr – | |
zwischen 7 und 8 Millionen Euro bezahlen. | |
Nach der Pilgerparty verkündete Bürgermeister Ignazio Marino, dass die | |
Römer für diese Kosten nicht mehr aufkommen würden. Selbst die römischen | |
Geschäftsleute sind nicht besonders scharf auf die Gäste des Papstes. | |
„Die Pilger geben wenig Geld aus und bringen ihr Essen oft im Rucksack | |
mit“, sagt Erino Colombi, Chef des römischen Handelsverbandes. Aber die | |
Pilger sind nicht die Einzigen, die in Massen über die Stadt herfallen und | |
das Leben der Anwohner beeinträchtigen oder – wenn es ganz schlecht läuft �… | |
zur Hölle machen. | |
Das passiert den Anwohnern der zentralen Piazza Campo de Fiori so gut wie | |
jeden Abend. Hier saufen und grölen bei der nächtlichen Movida | |
Jungtouristen aus der ganzen Welt. | |
Amerikaner reisen organisiert in Gruppen an, um bei dem berühmten römischen | |
Pub Crawl dabei zu sein. Während sie zu Hause nur schwer an Alkohol | |
herankommen, können sie sich bei der Kneipentour in Rom für einen | |
Pauschalpreis grenzenlos zuschütten. Die Anwohner der Piazza beschweren | |
sich seit Jahren vergebens über den nächtlichen Radau und die morgendlichen | |
Müllberge vor der Statue des Kirchenketzers Giordano Bruno. | |
Gegen die Interessen der Kneipenbesitzer und Hoteliers haben die Bewohner | |
des Stadtzentrums allerdings kaum eine Chance. Zwar versucht der Stadtrat | |
derzeit zumindest die illegal von Restauranttischen besetzten Gehsteige zu | |
räumen, doch damit legt er sich mit den Mafiaorganisationen Camorra und | |
’Ndrangheta an. | |
Durch den Anstieg des Massentourismus in Rom auf über 10 Millionen Besucher | |
jährlich ist das Geschäft auch für die organisierte Kriminalität | |
interessant geworden. Während die Bosse früher Pizzerien und Pubs zur | |
Geldwäsche nutzten, kaufen sie jetzt etablierte Restaurants auf und stellen | |
dafür unauffälliges Fachpersonal ein. | |
„Die Antimafia-Ermittlungen der römischen Staatsanwälte lesen sich wie ein | |
Restaurant-Führer“, schrieb das Wochenmagazin L’Espresso unlängst. Vor | |
allem Lokale in Top-Lagen wie Piazza Navona oder Via Veneto sind begehrte | |
Objekte. | |
Doch auch in anderen Vierteln, wo die Mafia einsickert, steigen die Preise. | |
Den Römern bleibt da am Ende wenig von ihrer Stadt. Immer mehr ziehen in | |
die Peripherie. | |
Aber ein Entrinnen gibt es nicht. Am Standrand bekommt man zwar noch eine | |
bezahlbare Mietwohnung, aber der Verkehr ist dort jeden Tag so chaotisch | |
wie bei einer Heiligsprechung am Petersplatz. | |
2 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Michaela Namuth | |
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