# taz.de -- Lust auf Stadt: New York, New York | |
> Entdecken die Touristen einen neuen Stadtteil, steigen dort auch sogleich | |
> die Mieten. Für New Yorḱ ist der Massenansturm eine wichtige | |
> Einnahmequelle. | |
Bild: Eine Selfie zur Erinnerung.: Touris vor Sol LeWitts Wall Drawing #370 im … | |
Wenn ich einen Touristenbus in den Straßen von Brooklyn sehe, bin ich jedes | |
Mal hingerissen“, sagte Bill de Blasio, der New Yorker Bürgermeister, kurz | |
nach seinem Amtsantritt. Es ist zu bezweifeln, dass sich die Bewohner des | |
einstigen Künstlerviertels Williamsburg oder die Pioniere am noch immer | |
giftigen Gowanus Canal über den Anblick eines roten Doppeldeckers ebenso | |
freuen, verheißt er doch vor allem höhere Mieten und teure Restaurants. | |
Doch im Zuge des Trends zum „erfahrungsbezogenen Tourismus“ wollen sich | |
Fremde wie Einheimische wohlfühlen, natürlich am liebsten in bisher | |
unerschlossenen Winkeln der Metropole. Doch kaum streunen die Outsider von | |
den ausgetretenen Pfaden auf Insiderterritorium, gelten sie auch schon als | |
dreiste Eindringlinge. | |
Aber was soll’s: Jeder selbsterkorene Kosmopolit ist ja auch Tourist. Und | |
Touristen will New York unbedingt. Wie schon zuvor Michael Bloomberg, | |
dessen für 2015 gestecktes Ziel von 55 Millionen Besuchern längst | |
übertroffen wurde, will auch sein Nachfolger de Blasio die Wirtschaft der | |
Stadt vor allem mit Unterstützung von Besuchern aus aller Herren Länder | |
ankurbeln. | |
Tatsächlich gaben die amerikanischen und ausländischen New-York-Touristen, | |
die 2013 gemeinsam die Einwohnerzahl Englands überschritten, fast 40 | |
Milliarden Dollar in New York City aus. Das reicht aber längst noch nicht, | |
im nächsten Jahr sollen es 70 Milliarden werden. Times Square, Soho, und | |
das Metropolitan Museum (MoMA) wurden schon vor einem Jahrzehnt | |
kolonisiert, und nun marschieren auch Menschen aus Iowa, Texas, London und | |
Brasilien tapferen Schrittes durch das MoMA. | |
Chinesen bilden die am schnellsten wachsende Gruppe unter den | |
New-York-Besuchern, nicht zuletzt dank einer Training Academy für | |
Reiseführer, von der New Yorker Handelskammer kürzlich in Schanghai | |
eröffnet. Die Besucher aus dem Fernen Osten übernachten meist in New Jersey | |
in Flughafennähe für ein Drittel des manhattenüblichen Zimmerpreises von | |
knapp 300 Dollar pro Nacht und fahren morgens noch vor Anbruch der Rushhour | |
mit dem Bus in die Stadt. | |
Umgekehrt reisen Bewohner Manhattens immer häufiger nach Mexiko oder Costa | |
Rica, um die durchschnittliche Monatsmiete von fast 3.000 Dollar für ihre | |
Einzimmerwohnung mit Hilfe von Touristendollars zahlen zu können. Oder sie | |
ziehen gleich nach Berlin. | |
## Nur eine imposante Adresse | |
Aus dem Tumult manischer Shopper und chronischer Verkehrsstaus ragt das | |
Plaza abends als Bastion schwarzer Stille aus dem kommerziellen Hochglanz: | |
Das einstmals funkelnde Juwel der Stadt sitzt als trauriger Kasten am | |
Südende des Central Parks, die meisten Suiten sind zu täglich entstaubten | |
und so gut wie nie benutzten Eigentumswohnungen verwaist. Es ist kaum mehr | |
als eine imposante Adresse auf der Visitenkarte eines Milliardärs aus | |
Übersee. | |
Da hätte man dort doch lieber Touristen, Portiers, Gepäck, Betrieb. | |
Zumindest sollte sich der Einheimische gelegentlich eine Stunde als Gast in | |
der eigenen Stadt schenken und sich in einem der noch lebendigen Grand | |
Hotels gegenüber dem Plaza einen kostspieligen Drink erlauben. | |
Hinter den dicken Glasscheiben breitet sich dann schweigend die fast | |
vergessene Bilderbuchversion der Stadt aus: Jogger im Central Park, gelbe | |
Taxis, deren Hupen man hier nur wie aus weiter Ferne hört … | |
2 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Claudia Steinberg | |
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