# taz.de -- Lithium-Abbau in Chile: Der Streit um das weiße Gold | |
> Lithium steckt in Akkus für Mobiltelefone und in Batterien für | |
> Elektrofahrzeuge. Die Regierung in Santiago wittert ein Geschäft, wenn | |
> sie den Abbau privatisiert. | |
Bild: Preiswerter Abbau: Lithium lagert unter offenem Himmel in den Salzseen de… | |
SANTIAGO DE CHILE taz | Chiles Regierung hat den Startschuss für eine im | |
Land umstrittene Initiative gegeben: Der private Abbau der reichhaltigen | |
Lithiumvorräte soll ausgeweitet werden. Bis zum 12. September können sich | |
Unternehmen um eine Lizenz zur Förderung des auch „weißes Gold“ genannten | |
Metalls bewerben. Mitglieder der Opposition prüfen, ob sie das Vorhaben | |
noch über das Verfassungsgericht stoppen können. | |
Lithium wird nicht nur in der Glas- und Keramikproduktion, in Schmierfetten | |
oder in Akkus für Mobiltelefone oder Laptops eingesetzt. Aufgrund seiner | |
guten Speicherfähigkeit ist es auch der Grundstoff für | |
Lithium-Ionen-Batterien von Elektro- und Hybridfahrzeugen. | |
Und von diesen werden in den nächsten Jahren immer mehr gebraucht. Die | |
Boston Consulting Group schätzt, dass sich der Markt für Lithiumbatterien | |
bis 2020 auf ein Volumen von 25 Milliarden US-Dollar verdreifachen wird. | |
Davon will Chile profitieren. Das Land besitzt nach Daten des | |
US-amerikanischen geologischen Dienstes USGS mit 7,5 Millionen Tonnen die | |
weltweit größten Lithiumreserven und stellt bereits heute knapp über 40 | |
Prozent des Weltmarktexports. | |
Der Abbau in Chile ist preiswert: Das Metall lagert unter offenem Himmel in | |
den Salzseen der Atacama-Wüste. Bisher durften jedoch nur zwei Firmen unter | |
staatlicher Aufsicht eingeschränkte Mengen des Rohstoffs fördern. Doch nun | |
will Präsident Sebastián Piñera privaten Unternehmen erlauben, in den | |
nächsten 20 Jahren 100.000 zusätzliche Tonnen Lithium abzubauen. | |
## Einmalig 350 Millionen Euro für jeden Vertrag | |
Für jeden Vertrag will die rechte Regierung einmalig 350 Millionen | |
US-Dollar kassieren. „Wir müssen Innovation fördern und dürfen unsere | |
Marktteilnahme nicht gefährden“, sagt Pablo Wagner, Staatssekretär im | |
Bergbauministerium, mit Blick auf Australien oder China, die ihre | |
Lithiumproduktion ebenfalls erhöhen wollen. | |
Doch Opposition und Kupfergewerkschaft warnen davor, dass die Fehler | |
wiederholt werden, die bei der Privatisierung von Kupfer gemacht wurden. | |
Der mit Abstand wichtigste Rohstoff Chiles wurde noch bis Anfang 1973 unter | |
Präsident Salvador Allende zu 94 Prozent von staatlichen Unternehmen | |
abgebaut. Heute dominieren private Konzerne zwei Drittel des chilenischen | |
Kupfermarktes. | |
„Angeblich, um die Weltmarktführung nicht zu gefährden, wurde der | |
Kupferabbau in private Hände gegeben“, sagt die sozialistische Senatorin | |
Isabel Allende. „Mit dem Ergebnis, dass wir für unser Land längst nicht das | |
Geld einnehmen, das wir einnehmen könnten.“ | |
Vor allem kritisiert die Opposition, dass die Regierung das Vorhaben per | |
Dekret am Parlament vorbei organisiert hat. Gemeinsam mit der | |
Kupfergewerkschaft des Landes hat sie Proteste gegen die Privatisierung | |
angekündigt. Ziel der Aktion: Die Förderung des weißen Goldes soll | |
weiterhin bei dem staatliche Kupferkonzern bleiben. | |
## „Der Markt ist nicht unendlich“ | |
Orlando Caputo, Ökonom und emeritierter Universitätsprofessor, warnt zudem | |
davor, zu schnell zu viel Lithium zu produzieren. Zwar ist der Bedarf an | |
Lithium von rund 15.000 Tonnen im Jahr 2005 auf knapp 25.000 Tonnen im Jahr | |
2010 gestiegen, „aber der Markt ist nicht unendlich. Fördert man zu viel | |
Lithium, verfällt der Preis. Das ist nicht im Interesse Chiles.“ | |
Die privaten Bergbaukonzerne in Chile hätten sich um solche Bedenken schon | |
einmal nicht geschert, sagt Caputo. Sie hätten von 1995 und 1999 die | |
Kupferexporte drastisch erhöht, als es keine staatliche Regulierung gab. In | |
der Folge gab es bis 2003 ein Überangebot, die Weltmarktpreise sanken. | |
„Diese Gefahr sehe ich mit den Lithium-Lizenzen erneut.“ | |
Auch die kanadische TRU-Group, die Rohstoffmärkte analysiert, schätzt, dass | |
es bis 2020 ein Überangebot an Lithium geben wird. Die Nachfrage werde sich | |
bis dahin zwar auf 47.000 Tonnen knapp verdoppeln – das Angebot werde aber | |
dreimal so hoch sein wie heute. | |
Caputo plädiert deshalb dafür, dass Chile gemeinsam mit Bolivien und | |
Argentinien staatliche regionale Kooperationen zur Lithiumförderung und | |
-verarbeitung vorantreiben soll. Die drei südamerikanischen Länder besitzen | |
85 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen in Salzseen. | |
## Am Parlament vorbei | |
Jaime Aleé, der Direktor des Zentrums für Lithium-Innovationen an der | |
Universität von Chile, wirbt dafür, eine eigene Produktion von | |
Lithiumbatterien aufzubauen. „Die Batterie eines Nissan Leaf kostet 20.000 | |
US-Dollar, Chile trägt dazu nur 40 US-Dollar bei. Das ist der Unterschied | |
zwischen Rohstoffexport und eigener Weiterverarbeitung.“ | |
Die Regierung jedoch will weiterhin so schnell wie möglich privatisieren. | |
Als einer der möglichen Nutznießer gilt das Unternehmen SQM. Es gehört | |
Julio Ponce Lerou, Exschwiegersohn des chilenischen Militärdiktators | |
Augusto Pinochet. Just dieser schuf Anfang der 1980er Jahre die gesetzliche | |
Möglichkeit, die Lithiumvorkommen am Parlament vorbei zu privatisieren. | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
## TAGS | |
Wassermangel | |
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