| # taz.de -- Linke und rechte Demonstrationen: Kampf um Cottbus | |
| > 4.500 Menschen protestieren am Wochenende auf der Straße. Die einen für | |
| > die Heimat. Die anderen gegen Hass. Wer gewinnt die Deutungshoheit? | |
| Bild: Gegen den Hass: Teilnehmer der linken Demonstration am Samstag in Cottbus | |
| Cottbus taz | Für Ahmad Albenny ist die Situation so: „Es gibt hier viele | |
| sehr gute Deutsche, die nett zu uns sind, und es gibt andere, die hassen | |
| uns.“ Albenny kommt aus Damaskus, ist Stipendiat bei der | |
| Hans-Böckler-Stiftung und seit Oktober studiert er in Cottbus Wirtschafts- | |
| und Ingenieurswesen, Fachrichtung Informatik, das kann er so schnell sagen, | |
| dass es sich anhört wie ein Wort. Er ist 25, lacht viel, so dass man seine | |
| Zahnlücke sieht, und hüpft von einem Bein aufs andere, weil er viel zu dünn | |
| angezogen ist für den schneidenden Wind, der an diesem Samstag durch | |
| Cottbus weht. | |
| In Cottbus tobt in diesen Wochen ein Kampf. Er wird mit harten Bandagen | |
| geführt, es geht dabei um sehr viel, und wer ihn gewinnen wird, ist | |
| ungewiss. Es ist aber kein Kampf zwischen Deutschen auf der einen und | |
| Flüchtlingen auf der anderen Seite, auch wenn manche Schlagzeilen der | |
| letzten Wochen diesen Anschein erwecken. | |
| Es ist ein Kampf darum, wem diese Stadt im südlichen Brandenburg gehört, | |
| wer dort das Sagen hat: Schaffen es die Rechten, hier genauso zur | |
| tonangebenden Kraft zu werden, wie sie es im benachbarten Sachsen | |
| vielerorts schon ist? Oder gelingt es ihnen nicht, dieses Ziel zu | |
| erreichen, weil Cottbus anders ist – jünger, weltoffener, moderner? | |
| Der Altmarkt in der Innenstadt, wo Albenny steht, ist [1][am Samstag | |
| Austragungsort in diesem Kampf darum], wem Cottbus gehört: Am Vormittag | |
| füllen weiße Luftballons den Platz, die Menschen als Zeichen gegen Hass und | |
| Rassismus in den Händen halten. Am Nachmittag strömen andere Menschen zum | |
| östlichen Rand des Platzes, wo eine Kundgebung gegen Flüchtlinge beginnt. | |
| Den ganzen Tag über zählen und vergleichen Polizisten und Journalisten: Zu | |
| welcher Demonstration kommen mehr Menschen? Welche ist lauter? Welche | |
| repräsentiert das wahre Cottbus? In dem Kampf darum, wer bestimmt, was | |
| Cottbus ist, sind sie heute die Kampfrichter. | |
| ## Kampfplatz um die Deutungshoheit: der Altmarkt | |
| Jörg Schmidtke ist einer von denen mit den weißen Luftballons. Er ist mit | |
| seinem syrischen Kollegen gekommen, der das mittelständische Cottbusser | |
| Unternehmen, in dem Schmidtke arbeitet, seit Oktober verstärkt. Als | |
| Schmidtke, Mitte 50, Schiebermütze, verschmitztes Lächeln, neulich von | |
| einer ehemaligen Kollegin eine WhatsApp-Nachricht bekam, in der von der | |
| Bedrohung des deutschen Volkes die Rede war, schrieb er „Was solln der | |
| Scheiß“ zurück und löschte anschließend ihre Nummer. „Manche Menschen h… | |
| offenbar nie gelernt zu denken“, ist alles, was der gebürtige Cottbusser | |
| für solches Gerede übrig hat. | |
| Für Carolin Bloch, Sofie-Marie Trebschuh und Martin Jürgens ist die | |
| Demonstration auch eine Gelegenheit, das öffentliche Bild von Cottbus in | |
| eine Richtung zu bewegen, die etwas näher dran ist an ihrem eigenen Gefühl | |
| zu dieser Stadt. Trebschuh arbeitet als Architektin in der Stadt, Jürgens | |
| und Bloch studieren hier. | |
| Alle drei sind Ende zwanzig, alle drei leben gerne in Cottbus, und alle | |
| drei befinden sich in einem Zwiespalt: Auf keine Fall wollen sie die | |
| rassistischen Mobilisierungen der letzten Monate kleinreden. Doch mit den | |
| Schauermärchen, die über Cottbus erzählt werden, so, als gebe es in der | |
| Stadt nichts außer Nazis und Messerstechereien, können sie auch nichts | |
| anfangen. Jürgens, ein ruhiger Mensch mit einem breiten Lächeln, erzählt | |
| von einem Artikel über Cottbus, den er neulich in einer großen deutschen | |
| Wochenzeitung gelesen hat: „Der war gut recherchiert, aber für die Bilder | |
| haben die nur die allerhässlichsten Ecken der Stadt fotografiert. | |
| Wahrscheinlich würden selbst die meisten Cottbusser nicht erkennen, um | |
| welche Stadt es geht.“ | |
| Dass die drei gerne in Cottbus leben, das liegt auch an Orten wie dem | |
| Altmarkt, der an diesem Tag zur Kampfarena geworden ist. Er ist ein | |
| Aushängeschild der Stadt: Kopfsteinpflaster, ringsum kleine Läden, Cafés | |
| und Restaurants, es gibt Sushi und Craft Beer. „An Sommerabenden, wenn die | |
| Tische draußen stehen, wird die Stadt von einer sehr angenehmen Atmosphäre | |
| erfüllt“, sagt Bloch, großer Schal, orangefarbene Mütze und dunkel | |
| lackierte Fingernägel, die an Cottbus vor allem das kulturelle Angebot | |
| schätzt. Wie Trebschuh kommt sie aus einem kleinen Ort in Brandenburg, | |
| Cottbus ist für die beiden Wahlheimat, „die perfekte Mischung aus Stadt und | |
| Land“, sagen sie. | |
| Früher war der Altmarkt ein Parkplatz, in den Nullerjahren wurde der Platz | |
| umgestaltet. Die Altbauten ringsum sind saniert, wie in den meisten Straßen | |
| der Innenstadt, der kleine Platz macht einen bürgerlichen | |
| Kleinstadt-Eindruck. Cottbus kann allerdings auch ganz anders aussehen, in | |
| Sachsendorf im Süden der Stadt etwa, wo sich Plattenbau an Plattenbau | |
| reiht. Dort ging es los im Sommer 2015 mit den Demonstrationen gegen die | |
| Flüchtlinge. | |
| Die Umgestaltung des Altmarkts war eine von vielen Maßnahmen, mit denen die | |
| Stadt darauf reagierte, dass ihr die Einwohner abhanden kamen: Zur Wende | |
| lebten hier noch 130.000 Menschen, in den neunziger Jahren konnte die | |
| 100.000-Marke nur deswegen gehalten werden, weil umliegende Orte | |
| eingemeindet wurden. 2001 begann die Stadt mit der „geplanten Schrumpfung“, | |
| sprich: dem Abriss von Plattenbauten. 2015 wurde das Programm gestoppt: | |
| Statt die leerstehenden Wohnungen abzureißen, wurden sie nun umgebaut – | |
| auch und vor allem, um Flüchtlinge unterzubringen. | |
| ## Anruf aus Damaskus | |
| Letzte Woche, erzählt Albenny, haben ihn seine Eltern angerufen, aus | |
| Damaskus. Sie hatten erfahren, dass es in einer kleinen deutschen Stadt | |
| namens Cottbus Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und syrischen | |
| Flüchtlingen gegeben habe, und jetzt waren sie besorgt: Cottbus, ist das | |
| nicht deine Stadt, Ahmad? „Meine Eltern aus Syrien rufen mich an und | |
| fragen, ob ich in Deutschland noch sicher bin“, sagt Albenny und muss doch | |
| wieder lachen, so absurd ist das. | |
| Die Eckdaten der aktuellen Zuspitzung in Cottbus sind bekannt: In der | |
| Silvesternacht drangen unbekannte Täter in eine Flüchtlingsunterkunft ein | |
| und griffen Bewohner an – es heißt, der Wachschutz habe ihnen geholfen. Am | |
| 12. Januar zückte ein 14-Jähriger aus Syrien ein Messer und bedrohte damit | |
| ein Ehepaar, fünf Tage später soll ein syrischer Jugendlicher einen | |
| deutschen Gleichaltrigen mit einem Messer im Gesicht verletzt haben. | |
| Seitdem patrouillieren Polizei und Ordnungsamt im Blechen-Carré, dem | |
| Einkaufszentrum gleich um die Ecke vom Altmarkt, wo sich die Taten | |
| abspielten. Die üblichen Modegeschäfte und Restaurants, im Erdgeschoss kann | |
| man Kostüme für kleine FBI-Agenten und Meerjungfrauen kaufen, denn Karneval | |
| ist hier in Cottbus eine große Sache. Im Blechen-Carré kaufen die Cottbuser | |
| ein, und hier hängen jugendliche Cliquen ab, deutsche, syrische, gemischte, | |
| manchmal gibt es Streit. | |
| 8.500 Ausländer leben heute in Cottbus, 3.400 von ihnen kamen seit 2015 in | |
| die Stadt. Das ist weniger als im bundesdeutschen Durchschnitt, aber mehr | |
| als in anderen brandenburgischen Kommunen. Die Uni, die Altstadt, die | |
| Parks, zumindest in der Innenstadt eine gute Infrastruktur: Cottbus ist im | |
| Vergleich mit anderen Orten in Brandenburg ein recht angenehmer Ort zum | |
| Leben, und wo es sich angenehm lebt, da zieht man gerne hin. Das gilt auch | |
| für Flüchtlinge. | |
| Die Frage ist in diesen Tagen, ob man das mit dem angenehmen Leben in der | |
| Vergangenheit formulieren muss. Denn in den letzten Wochen geht Albenny am | |
| Abend nicht mehr gerne auf die Straße: Er kennt Geschichten von anderen | |
| ausländischen Studenten, die angegriffen wurden, einem Bekannten wurde der | |
| Kiefer gebrochen. Albenny ist einer, der eigentlich jeden Satz mit einem | |
| Witz enden lassen will, von seiner Angst erzählt er nicht gerne. | |
| Am 19. Januar hat das Land Brandenburg mit einem „Aufnahmestopp“ für | |
| Flüchtlinge in Cottbus auf die aktuelle Situation reagiert. Faktisch | |
| bedeutet das, das aus der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in | |
| Eisenhüttenstadt nun keine Flüchtlinge mehr nach Cottbus zugewiesen werden. | |
| Wenn es jenseits rechter Propaganda tatsächlich ein Problem mit der | |
| ungleichen Verteilung von Flüchtlingen in Brandenburg gibt, dann liegt das | |
| allerdings woanders: Die Kommunen bekommen Geld pro Flüchtling, den sie aus | |
| Eisenhüttenstadt übernehmen. Ziehen die Flüchtlinge später in einen anderen | |
| Landkreis, wandert das Geld nicht mit. Die Kommunen rund um Cottbus etwa, | |
| so heißt es in der Stadt, würden kassieren für Flüchtlinge, die längst in | |
| die Stadt gezogen sind. | |
| ## Keine schlechten Erfahrungen mit Ausländern, aber … | |
| Am Nachmittag beginnt die Demonstration von „Zukunft Heimat“ vor der | |
| Oberkirche, nur wenige Meter östlich vom Altmarkt. Es ist die typische | |
| Mischung im Osten, die hier zusammenkommt: ältere, harmlos aussehende | |
| Menschen und jüngere, die weniger harmlos aussehen. Männer in der Überzahl. | |
| Einer von ihnen ist Jürgen Kahrs, er wird ungefähr so alt sein wie Jörg | |
| Schmidtke, der wenige Stunden zuvor mit seinem syrischen Kollegen | |
| demonstriert hat. Kahrs trägt grauen Backenbart, er sieht aus wie der | |
| sympathische ältere Nachbar. Er sagt, ihm gehe es „bei der ganzen Sache“ um | |
| drei Punkte: Erstens, dass Politiker und Medien aufhören sollen zu lügen. | |
| Zweitens, dass Frauen und Kinder abends wieder sicher nach Hause kommen. | |
| Drittens, dass es Arbeit gibt für Deutsche, nicht für Ausländer. | |
| Nein, er selbst habe persönlich noch keine unangenehmen Erfahrungen mit | |
| Ausländern gemacht, sagt Kahrs. „Aber hören Sie doch mal zu, was die Leute | |
| erzählen.“ Kahrs wird einer der moderateren Teilnehmer dieser Demonstration | |
| sein, mit ihm zu reden fällt trotzdem nicht ganz leicht: Gegenargumente | |
| zählen nicht, denn es lügen ja alle – die Politik, die Medien, selbst die | |
| Polizei mit ihren Kriminalitätsstatistiken: „Alles gefälscht.“ Er wählt | |
| AfD, sagt er, „damit sich hier endlich mal was ändert, damit mal alle | |
| wachgerüttelt werden.“ | |
| „Nichts, was in Cottbus momentan passiert, passiert aus dem Nichts“, sagt | |
| Joschka Fröschner. Er arbeitet für die Opferperspektive, einer | |
| Organisation, die Opfer rassistischer Gewalt berät. Fröschner und seine | |
| Kollegen sind in ganz Brandenburg unterwegs, doch in keiner Stadt waren sie | |
| in den letzten Jahren so häufig wie in Cottbus. Gut 4.000 Menschen nahmen | |
| dort laut dem Demonstrationsmonitoring des Potsdamer | |
| Moses-Mendelssohn-Zentrums im Jahr 2017 insgesamt an rechten Aktivitäten | |
| teil, im brandenburgischen Vergleich ist das einsame Spitze. | |
| Cottbus ist für verschiedene rechte Strömungen von besonderer Bedeutung, | |
| und auch das muss man wissen, um besser verstehen zu können, was dort | |
| gerade passiert. Es gibt eine Neonazi- und Hooliganszene, um die es ein | |
| paar Jahre etwas ruhiger geworden war und die seit Beginn der aktuellen | |
| rassistischen Mobilisierungswelle wieder Morgenluft wittert. Die Fanszene | |
| des örtlichen Fußballvereins Energie Cottbus, früher mal erste, heute | |
| vierte Liga, bietet Neonazis schon lange eine Heimat, und dass das im | |
| Verein als Problem gesehen wird, ist eine eher neue Entwicklung. Es gibt | |
| die Identitäre Bewegung, deren Regionalchef Robert Timm in Cottbus an der | |
| Uni eingeschrieben ist und die Stadt zu ihrem neuen „Leuchtturmprojekt“ | |
| machen will. Es gibt die Initiative „Zukunft Heimat“, gegründet in einem | |
| kleinen Ort im Spreewald, die seit Mai 2016 in Cottbus Fuß gefasst hat. | |
| Neben Pegida in Dresden ist „Zukunft Heimat“ die einzige der 2014/2015 | |
| gegründeten flüchtlingsfeindlichen Bewegungen, die noch eine nennenswerte | |
| Teilnehmerzahl auf die Straße bringen kann. | |
| ## Die AfD will Cottbus knacken | |
| Und es gibt eine Partei, die von alldem profitiert. Der Wahlkreis Cottbus – | |
| Spree-Neiße ist der einzige in Brandenburg, in dem die AfD bei der | |
| Bundestagswahl stärkste Kraft wurde, 26,8 Prozent der Zweitstimmen holte | |
| sie hier. Für die Brandenburger AfD, die sich viel stärker als andere | |
| Landesverbände als Bewegungspartei versteht, ein Zeichen, dass ihre | |
| Strategie aufgeht: Mitglieder des Landesvorstands traten regelmäßig auf den | |
| Demonstrationen von „Zukunft Heimat“ auf, den Termin unmittelbar vor der | |
| Wahl übernahm die Partei gleich ganz. | |
| Dabei versteht sich der 2015 gegründete Verein „Zukunft Heimat“ als | |
| umfassende Interessenvertretung der Bürger: Fahrraddemos für einen Radweg | |
| oder Spendensammlungen für das Tierheim gehören zum Repertoire – aber eben | |
| auch Proteste gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft in der | |
| Spreewald-Kleinstadt Golßen. | |
| Der Vorsitzende von „Zukunft Heimat“ ist Hans-Christoph Berndt, Personalrat | |
| an der Berliner Charité und selbst erst vor wenigen Jahren aus Berlin nach | |
| Golßen gezogen. Der Brandenburger Verfassungsschutz vermutet, dass | |
| ehemalige Mitglieder der 2012 verbotenen Kameradschaft „Widerstandsbewegung | |
| Südbrandenburg“ den Verein unterstützen. | |
| Hans-Christoph Berndt spricht an diesem Samstag auf der Abschlusskundgebung | |
| von „Zukunft Heimat“, noch vor dem Stargast, dem aus Dresden angereisten | |
| Pegida-Chef Lutz Bachmann. „Wenn eine Regierung ihr Volk austauscht, muss | |
| das Volk seine Regierung austauschen“, ruft er der Menge zu. Seine Rede | |
| kommt gut an, überhaupt ist die Stimmung hervorragend auf dieser | |
| Demonstration, unter deren Teilnehmern es zwei große Themen gibt: Zum einen | |
| bespricht man Privates unter Bekannten – wie geht es den Kindern, was macht | |
| der Nachbar. Die Demonstration ist ganz offensichtlich auch ein soziales | |
| Ereignis. Zum anderen geht es um die Lügenpresse: Was die wieder schreiben | |
| wird, wie sie die Teilnehmerzahlen herunterrechnen und die Teilnehmer als | |
| Neonazis verunglimpfen wird. | |
| ## Vorübungen der AfD für die Landtagswahl | |
| Für die AfD ist Cottbus und die gesamte Lausitz von strategischer | |
| Bedeutung: Hier, wo das sonst rot regierte Brandenburg traditionell am | |
| schwärzesten wählt, errechnet sich die Partei gute Chancen. Bei den | |
| Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen, die in diesem Jahr in dem Bundesland | |
| anstehen, will sie in dieser Region für alle wichtigen Posten kandidieren. | |
| Und das ist nur eine Art Vorübung für die Wahl, um die es eigentlich geht: | |
| 2019 wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt, ebenso wie in Sachsen | |
| und Thüringen – dann will die AfD an die Regierung, und die Lausitz zu | |
| gewinnen ist auf dem Weg dahin ein wichtiger Zwischenschritt. | |
| Es ist also kein kleiner Gegner, mit dem all jene es aufnehmen müssen, die | |
| wollen, dass Cottbus ein weltoffener Ort bleibt. Zu denen gehört auch der | |
| CDU-Oberbürgermeister Holger Kelch, der weitaus weniger rhetorische und | |
| sonstige Zugeständnisse an die Rechten macht, als es bei vielen seiner | |
| Parteikollegen jenseits der Landesgrenze zu Sachsen der Fall ist. Zu ihnen | |
| zählt auch der Unipräsident Jörg Steinbach, der nicht zuletzt um seine | |
| ausländischen Studenten und Professoren fürchten muss. | |
| Denn der Kampf um Cottbus ist auch einer um den Standortfaktor dieser | |
| Stadt. Die Lausitz ist Braunkohlegebiet, und die Braunkohle hat keine | |
| Zukunft. Der schwedische Energieriese Vattenfall hat sich bereits | |
| zurückgezogen. Ein tschechisches Unternehmen ist eingesprungen, doch die | |
| große Frage danach, wie der Strukturwandel in der Lausitz zu meistern ist, | |
| bleibt nach wie vor unbeantwortet. Wenn Cottbus sich als zukunftsfähiger, | |
| internationaler Wissenschaftsstandort etablieren will, als kulturell | |
| interessante Stadt, die Menschen wie Carolin Bloch und Martin Jürgens davon | |
| abhält, ins 100 Kilometer entfernte Berlin oder ins 150 Kilometer entfernte | |
| Leipzig zu ziehen, dann sind es nicht unbedingt „Wir sind das | |
| Pack“-Demonstrationen, die dabei helfen. | |
| ## 3.000 gegen 1.500: ein Punktsieg für die Rechten? | |
| Rund 1.500 Menschen sind an diesem Samstag auf der Demonstration gegen | |
| Rassismus, etwa 3.000 auf der gegen die Flüchtlinge. Ein Punktsieg für die | |
| Rechten, so könnte man meinen, doch das ist nur die halbe Wahrheit: Es ist | |
| das erste Mal in den letzte Wochen, dass das andere Cottbus überhaupt mit | |
| einer Demonstration sichtbar geworden ist. Ein Anfang, findet Jürgens, der | |
| an der Uni im International Relations Office arbeitet: „Es ist wichtig, | |
| dass es überhaupt dieses Signal gibt, gerade auch für die ausländischen | |
| Studierenden.“ Die deutschen Studenten, kritisiert er, würden sich noch | |
| viel zu wenig engagieren: Viele von ihnen pendeln aus Berlin hierher, und | |
| selbst die, die hier leben, würden sich oft nur in „einer Blase zwischen | |
| Bahnhof, Uni, Altmarkt und dem Rewe, der bis 24 Uhr offen hat“, bewegen, | |
| sagt er. | |
| Wie es in Cottbus weitergeht in den nächsten Wochen, ist nicht ausgemacht. | |
| Noch sind die Rechten im Aufwind, es ist durchaus möglich, dass bei der | |
| nächsten Demonstration von „Zukunft Heimat“ noch mehr Menschen teilnehmen. | |
| Klar ist: Wenn sie diesen Kampf gewinnen, haben der syrische Flüchtling | |
| Ahmad Albenny, die jungen Cottbuser Bloch, Trebschuh und Jürgens, der | |
| mittelständische Arbeitgeber von Jörg Schmidtke und der CDU-Bürgermeister | |
| Holger Kelch eins gemeinsam: Ein ziemlich großes Problem. | |
| 4 Feb 2018 | |
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| [1] /Nach-den-Uebergriffen-in-Cottbus/!5481953 | |
| ## AUTOREN | |
| Malene Gürgen | |
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