# taz.de -- Landtagswahl in Niedersachsen: FDP muss zittern bis zum Schluss | |
> Noch ist unklar, ob die FDP in den Landtag in Niedersachsen einziehen | |
> kann. FDP-Chef Lindner spricht von einem „traurigen Abend“. | |
Bild: Keine Freude: Wahlparty der FDP in Hannover nach der Landtagswahl | |
BERLIN taz | Jubelschreie waren im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin am | |
Sonntagabend nicht zu hören. Stattdessen: ratlose Gesichter, die auf einen | |
Monitor starren und Gemurmel. Nach der ersten Hochrechnung der | |
Forschungsgruppe Wahlen kommt die FDP auf 5 Prozent der Stimmen. Im Laufe | |
des Abends rutscht die Partei dann auf 4,9 Prozent. Damit bleibt unklar, ob | |
die Liberalen den Einzug in das Landesparlament schaffen. Bis zum | |
endgültigen Ergebnis wird die FDP noch weiter zittern müssen. Bei den | |
letzten Landtagswahlen 2017 kam die FDP auf 7,5 Prozent. | |
„Jetzt heißt es, Nerven zu behalten“, sagte der FDP-Spitzenkandidat Stefan | |
Birkner in Hannover. [1][Doch trotz der schwierigen Wahlprognose zeigte er | |
sich optimistisch]. „Wir sind natürlich zuversichtlich und gehen fest davon | |
aus, dass wir dem niedersächsischen Landtag angehören werden“, sagte er auf | |
der Wahlparty seiner Partei. | |
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner trat derweil in Berlin etwas | |
bedröppelt ans Rednerpult. Es sei ein „trauriger Abend“, „ein „politis… | |
Rückschlag.“ Die FDP habe das Ziel verfehlt, eine „linke Mehrheit“ in | |
Niedersachsen zu verhindern. Die sogenannte „Mitte“, die der FDP-Chef so | |
gerne bemüht, wurde damit „nicht gestärkt.“Lindner wagte auch schon eine | |
erste Fehleranalyse: Der Landtagswahlkampf sei sehr stark auf die | |
Ministerpräsidentenfrage konzentriert gewesen, das sei für die FDP eine | |
„schwere Konstellation“. | |
Viel Selbstkritik kam dabei nicht durch. Die FDP habe einen vernünftigen | |
und ideologiefreien Wahlkampf geführt, so Lindner im Hinblick auf die | |
Forderung die drei Kernkraftwerke weiter am Netz zu halten. Daran will die | |
Partei auch weiter festhalten. „Die physikalischen und ökonomischen Fakten | |
bleiben gleich“, sagte er. Dennoch müsse die FDP nun in der Ampel ihre | |
„Rolle definieren“, damit sie nicht mehr als Partei „links der Mitte“ | |
wahrgenommen werde. | |
## Regierungsbeteiligung eher unwahrscheinlich | |
Selbst wenn die FDP den Einzug schafft, eine Regierungsbeteiligung ist eher | |
unwahrscheinlich. Rot-Grün kommt nach derzeitigem Stand auf eine Mehrheit. | |
Eine Fortsetzung der Großen Koalition wäre auch möglich. Im Endspurt des | |
Wahlkampfs hatte die FDP noch versucht, mit einer Zweitstimmenkampagne, | |
Stimmen aus dem bürgerlichen Lager zu holen. Man solle FDP wählen, um | |
Rot-Grün zu verhindern. Dieser Versuch war offenbar nur mäßig erfolgreich. | |
Der FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner hatte [2][vor der Wahl zudem | |
angekündigt], bei einer Regierungsbeteiligung ein Ministerium übernehmen zu | |
wollen. Für eine Wunschkonstellation hatte er sich aber nicht | |
ausgesprochen. Der 49-jährige Jurist war 2008 bis 2012 Staatssekretär im | |
Umweltministerium, anschließend übernahm er dort für rund ein Jahr den | |
Ministerposten. Birkner ist seit 2011 Landesvorsitzender der FDP, seit 2017 | |
auch Fraktionsvorsitzender im Landtag. | |
Im Wahlkampf setzte er auf klassisch liberale Themen wie Digitalisierung, | |
Entbürokratisierung, weniger Steuern. Zudem forderte der Schwippschwager | |
vom grünen Bundeswirtschaftsministeriums Robert Habeck den Weiterbetrieb | |
der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland und setzte damit einen | |
Kontrapunkt zu den Grünen. | |
Verpasst die FDP bei der Niedersachsenwahl den Einzug ins Parlament, dann | |
würde sich der Abwärtstrend der Liberalen verfestigen. Denn bei den | |
bisherigen Landtagswahlen in diesem Jahr steckte die FDP eine Niederlage | |
nach der anderen ein. [3][Im Saarland] verpassten sie den Einzug in den | |
Landtag, in [4][Schleswig-Holstein] und [5][in Nordrhein-Westfalen] | |
schafften sie zwar den Sprung ins Landesparlament, verloren aber die | |
Regierungsbeteiligungen. Im Bund liegt die FDP derzeit in Umfragen um die 7 | |
Prozent. | |
9 Oct 2022 | |
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[4] /Konstituierende-Sitzung-in-Kiel/!5856675 | |
[5] /Wahlschlappe-der-FDP/!5852532 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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