# taz.de -- Kunst zur BER-Eröffnung: Ein bisschen wie fliegen | |
> Nun öffnet doch tatsächlich nicht nur der BER, sondern auch die Berliner | |
> Ausstellung „Wir heben ab“. Wenn auch vorerst nur zwei Tage. | |
Bild: Die fliegenden Fische von Eduard Hildebrandt (1818-1868) | |
Jetzt ein Flugfahrrad von Panamarenko! Das wäre ideal, um zum | |
Kupferstichkabinett am Kulturforum zu kommen. Denn der Platz vor den Museen | |
ist von einer Baustelle umgeben, die man zu Fuß umständlich umgehen muss. | |
Wäre es da nicht fein, mit dem Fahrrad, dem der belgische Künstler | |
Panamarenko ganz feine Libellenflügel gezeichnet hat, kurz durch die Luft | |
gleiten zu können und auf den Terrassen vor dem Kulturforum zu landen? | |
Der Traum vom Fliegen ist zurzeit schwer belastet. Zwar kann der Flughafen | |
BER am 31. Oktober mit neunjähriger Verzögerung eröffnen, aber vom Reisen | |
wird in der jetzigen Situation der Pandemie abgeraten. Viele | |
Fluggesellschaften haben Flüge storniert und sehen selbst einer ungewissen | |
Zukunft entgegen. Real zu fliegen, in einem Flugzeug mit vielen | |
Passagieren, die Freude daran und die Möglichkeit dazu verringern sich | |
gerade rapide. Aber immerhin hat das Blau des Himmels etwas davon. | |
Dass in dieses Blau aufzubrechen und durch die Lüfte wie ein Vogel gleiten | |
zu können ein alte Wunschvorstellung der Menschen ist, davon erzählt die | |
Ausstellung „Wir heben ab. Bilder vom Fliegen von Albrecht Dürer bis | |
Jorinde Voigt“ im Kupferstichkabinett. Sie eröffnet, ein Gruß an den BER, | |
an diesem Wochenende. Und ist ganz aus der reichhaltigen Sammlung des | |
Kupferstichkabinetts bestückt. Ein großer Vorteil in Pandemiezeiten, wie | |
die Kuratorin Anna Marie Pfäfflin weiß. Wenn man schließen muss, wie es ja | |
nun nach den neuen Verordnungen ab Montag der Fall ist, und später | |
verlängern möchte, gibt es keine Komplikationen mit Leihverträgen. | |
## Fledermaus vorm Besen einer Hexe | |
Eine Kulturgeschichte ganz aus dem eigenen Bestand machen zu können war für | |
die Kuratorin auch ein Vergnügen. Zu suchen, wer sich alles in die | |
gezeichneten Himmel erhob: Vögel und Insekten, Engel und Heilige, | |
Götterboten der Antike, Hexen und Teufel, Akrobaten und Luftschiffer. | |
In der Auswahl, die mit viel Luft dazwischen gehängt ist, finden sich | |
schöne Werke prominenter Künstler. Gustave Doré und Eugene Delacroix, den | |
dunklen Seiten der Romantik zugetan, haben virtuose Bilder von Satan und | |
Mephisto entwickelt, die voller Kraft über Städte und durch Sterne gleiten. | |
Von Max Klinger stammt eine Aquatinta-Radierung, in der eine große | |
Fledermaus vor den Besen einer Hexe gespannt ist, die mit fliegender Mähne | |
durch die Lüfte braust. Ein Adler hilft auf einem anderen, sehr | |
dramatischen Blatt Klingers, Prometheus zu entführen. Unheimlich sind auch | |
die fliegenden Menschen, die Francisco de Goya 1815 unter weit gespannten | |
Flügeln in eine Platte gestochen hatte. | |
Die Ausstellung, nach Themen und Epochen gegliedert, widmet sich mit | |
wenigen Stücken auch den Anfängen der Luftfahrt. Darunter ist die | |
Luftschifferin Madame Wilhelmine Reichardt, die mit dem Physiker und | |
Aeronauten Gottfried Reichardt verheiratet war. Beide waren Pioniere der | |
Luftschifffahrt. Gemeinsam bauten sie einen Gasballon, 1811 stieg | |
Wilhelmine in Berlin das erste Mal auf. Wie sie mit einem Ballon sehr | |
wagemutig über das Münchner Oktoberfest glitt, hat Joseph Siedler in einer | |
Lithografie 1820 festgehalten. | |
Von Otto Dix und Wolf Vostell stammen Grafiken, die sich mit den | |
Auswirkungen der Luftwaffe im Krieg beschäftigen. Bei Vostell sind die | |
Starfighter nebeneinander aufgereiht, eine aggressive Form, die fast zu | |
einem Ornament wird. Otto Dix zeigte in einer Radierung von 1924 die | |
aufgerissenen Mauern eines von Fliegerbomben zerstörten Hauses, über die | |
Leichen von Menschen und Tieren hängen. | |
Da ist man bei einer harten Seite der realen Luftfahrt angekommen. Der | |
Traum vom Fliegen war glücklicher, solange er sich in der Fantasie | |
entfalten konnte. Dem körperlichen Erleben, sich in der Höhe und der Luft | |
bewegen zu können, gelten allerdings auch einige Grafiken von Akrobaten | |
(von Fernand Legér und Paul Klee) und von Schaukelnden (Max Klinger). Sie | |
thematisieren die Suche nach Leichtigkeit als ein Erlebnis, das für kurze | |
Zeit fühlbar macht, wie etwas anderes als das an die Erde gebundene Leben | |
möglich ist – ein utopischer, fantastischer, spielerischer Moment, der ganz | |
für sich genügen kann. Und doch wird er in der Kunst oft genutzt, um | |
Metapher zu werden für den Wunsch nach größerer Freiheit. | |
Vor der Schaukelnden von Max Klinger denkt die Kuratorin Anna Marie | |
Pfäfflin denn auch an die Romanfigur Effi Briest von Theodor Fontane, die | |
so gerne auf einer Schaukel saß. Und damit in den Augen ihrer Mutter schon | |
etwas ungebührlich Wildes, Grenzüberschreitendes ausdrückte. | |
31 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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