# taz.de -- Krise in Bosnien und Herzegowina: Serben rüsten auf | |
> Milorad Dodik, der starke Mann in der serbischen Teilrepublik, möchte | |
> eine eigene Armee gründen. Die Reformagenda der EU ist ihm egal. | |
Bild: Sabotage des Staates Bosnien und Herzegowina um jeden Preis: Milorad Dodik | |
SPLIT taz | Der bosnisch-serbische Politiker Milorad Dodik zündelt in | |
Bosnien und Herzegowina ungebremst weiter und ist dabei, sogar eine | |
internationale Krise heraufzubeschwören. Erst am vergangenen Sonntag | |
erklärte er, es sei nach dem Friedensvertrag von Dayton 1995 ein Fehler | |
gewesen, die Armee der bosnischen Serben aufzulösen. Nur unter | |
internationalem Druck hätten die Serben damals nachgegeben, erklärte Dodik. | |
Er fungiert zurzeit als serbischer Vertreter im dreiköpfigen | |
Staatspräsidium im Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina sogar als | |
Staatspräsident, unternimmt aber gleichzeitig alles, um den gemeinsamen | |
Staat zu sabotieren. | |
Bei den Verhandlungen in Dayton wurde 1995 beschlossen, die Armeen der drei | |
„Kriegsparteien“ unter der Aufsicht der Nato-geführten internationalen | |
Truppen aufzulösen. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, | |
damals der Brite Paddy Ashdown, setzte 2003 eine gemeinsame Armee mit | |
Vertretern aller drei Volksgruppen, der Bosniaken, der Serben und der | |
Kroaten, durch. Sie besteht aus drei Regimentern mit einem gemeinsamen | |
Oberkommando. | |
Nach dem Willen der in der Peace Implementation Conference | |
zusammengeschlossenen 52 in Bosnien engagierten Staaten und internationalen | |
Organisationen und im Einklang mit der UNO sollte damals mit der Schaffung | |
einer gemeinsamen Armee der Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina | |
gefestigt werden. | |
## Institutionen werden ausgehöhlt | |
Der Führer der serbischen Nationalisten, Milorad Dodik, stellt nun die | |
gemeinsame Armee genauso in Frage wie den Gesamtstaat Bosnien und | |
Herzegowina. Ihm ist es in den vergangenen Jahren mit Hilfe Russlands nach | |
und nach gelungen, die Institutionen des Gesamtstaates auszuhöhlen und den | |
in Dayton geschaffenen serbischen Teilstaat Republika Srpska (RS) als quasi | |
eigenständigen Staat aufzubauen. | |
So schert sich Dodik nicht mehr um die Reformvorschläge der EU für den | |
gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina, der 2016 ein Beitrittsgesuch bei | |
der EU gestellt hat. Gemeinsam mit dem kroatischen Nationalistenführer | |
Dragan Čović werden seit Jahren alle Reformbemühungen, die zur Integration | |
des Landes in die EU führen sollen, blockiert. | |
Jetzt möchte er offenbar das serbisch dominierte Regiment der | |
[1][gemeinsamen Armee der Republika Srpska] unterstellen. Gestützt wird | |
diese Politik durch Russland, das mit Militärberatern in der Republika | |
Srpska und in Serbien selbst aktiv ist. Russen bilden seit mehr als drei | |
Jahren in Banja Luka sogenannte Antiterroreinheiten aus. Nach Ansicht | |
westlicher Militärexperten sind das keine Polizeieinheiten mehr, sondern | |
der Kern einer serbisch-bosnischen Armee. | |
Dodik hat offenbar die Absicht, das serbische Regiment der gemeinsamen | |
Bosnischen Armee mit diesen Spezialkräften zusammenzuführen. Er spricht | |
sogar davon, die Uniformen denen der serbischen Streitkräfte aus der Zeit | |
des Krieges anzugleichen. | |
[2][Russland hat nicht nur Waffen geliefert], in den vergangenen zwei | |
Jahren zum Beispiel 4.000 Gewehre, dazu auch Flugabwehrraketen vom Typ Igla | |
1-V. Auch wirtschaftlich versucht Russland die RS enger an sich zu binden, | |
so vor allem im Energiesektor mit dem Kauf der Raffinerie in Bosanski Brod | |
und durch Aktivitäten des Erdgasförderunternehmens Gazprom. | |
## Ganz im Stile Wladimir Putins | |
Dennoch ist der Teilstaat wirtschaftlich am Boden, die Armut und | |
Perspektivlosigkeit treibt immer mehr Menschen ins Ausland. Zudem kann die | |
RS auch nicht einmal mit der Entwicklung in der bosniakisch-kroatischen | |
Föderation mithalten. | |
Doch der Schirmherr Dodiks, Russlands Präsident Wladimir Putin, hat ein | |
strategisches Ziel: Er will den russischen Einfluss mit Hilfe Dodiks auf | |
dem Balkan ausweiten und dem Einfluss der Nato entgegentreten. | |
In Serbien selbst ist dies schon gelungen, mit der kroatischen Rechten gibt | |
es ebenfalls immer engere Kontakte. Ideologisch bietet die Orthodoxe Kirche | |
Russlands Hilfe an, und Kosakenchöre sollen die Menschen erfreuen. | |
Rechtsradikale Biker aus Russland besuchten im März dieses Jahres den | |
serbischen Teilstaat in Bosnien. Andererseits haben Hunderte von serbischen | |
Ex-Soldaten als Freiwillige auf Seiten Russlands im Donbass, in der | |
Ostukraine, gedient. | |
[3][Ganz im Stile Wladimir Putins] geht Dodik gegen Kritiker vor – mit | |
rabiater Gewalt werden sie unterdrückt und mundtot gemacht. Wie die | |
Bewegung für den ermordeten Studenten David im Dezember vergangenen Jahres, | |
dessen Vater Proteste initiiert hatte. | |
Kürzlich wurde ein Geschäftsmann aus Banja Luka, der Dodik öffentlich | |
kritisiert hatte, ermordet. Viele Mitglieder der Zivilgesellschaft haben in | |
den letzten Monaten das Land verlassen. | |
17 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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