# taz.de -- Kommunalwahlen in Italien: Symbol oder Schockwelle | |
> In vielen italienischen Städten finden ab Sonntag Kommunalwahlen statt. | |
> Für die Regierungsparteien hängt von den Ergebnissen viel ab. | |
Bild: Der Bürgermeisterin Virginia Raggi werden in Rom keine Chancen auf Wiede… | |
Rom taz | Italiens Politik steht vor dem wichtigsten Wahltest seit Beginn | |
der Covid-Pandemie im März 2020. Am Sonntag und Montag wählen die | |
Bürger*innen von Rom, Mailand, Turin und Neapel ihre | |
Bürgermeister*innen und Stadträte. Zu den vier größten Städten kommen | |
etwa 1.000 weitere Kommunen, unter ihnen das seit je symbolisch hoch | |
bedeutsame Bologna und die Region Kalabrien. | |
Für die von fast allen Parteien getragene nationale Regierung [1][unter dem | |
parteilosen früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi] hängt von diesem | |
Urnengang nichts ab – für die ihn stützenden einzelnen Parteien dagegen | |
schon. Dass auch Kommunalwahlen nationale Wellen schlagen können, hatte | |
sich vor fünf Jahren gezeigt. [2][Damals hatte das Movimento5Stelle (M5S – | |
5-Sterne-Bewegung)] die vorher von der gemäßigt linken Partito Democratico | |
(PD) regierten Rathäuser von Rom und Turin erobern können. | |
Zwei junge Frauen, Virginia Raggi in Rom und Chiara Appendino in Turin, | |
wurden damals zu den Gesichtern dieses Erfolgs, dem dann 2018 der | |
spektakuläre Fünf-Sterne-Triumph bei den Parlamentswahlen mit fast 33 | |
Prozent folgte. Halten konnte die PD, die wahre Verliererin der damaligen | |
Wahlen, seinerzeit nur Mailand: Neapel ging an einen unabhängigen | |
Linkskandidaten verloren. | |
Jetzt dagegen hat die PD beste Chancen auf einen positiven Wahlausgang – | |
auch, weil sie sowohl in Bologna als auch in Neapel ein Wahlbündnis mit den | |
Fünf Sternen eingegangen ist, das noch vor fünf Jahren völlig undenkbar | |
war. | |
## Die Hauptstadt ist umkämpft | |
In Rom schickt das M5S zwar seine Bürgermeisterin Virginia Raggi wieder ins | |
Rennen, doch die hat angesichts der ungelösten [3][Probleme bei der Abfuhr | |
des sich immer wieder in den Straßen türmenden Mülls] ebenso wie bei dem | |
chronisch unzuverlässigen öffentlichen Nahverkehr keine Chancen auf die | |
Wiederwahl. | |
Die Hauptstadt ist umkämpft zwischen dem Kandidaten des Rechtslagers der | |
Lega, der Postfaschisten der Fratelli d’Italia und der Forza Italia, dem | |
Rechtsanwalt Enrico Michetti, der als populistischer Sprücheklopfer in | |
einem Lokalradio bekannt wurde, und dem früheren Finanzminister Roberto | |
Gualtieri von der PD. | |
In Mailand dagegen könnte es der amtierende Bürgermeister Beppe Sala von | |
der PD sogar schon im ersten Wahlgang, bei dem 50 Prozent benötigt werden, | |
schaffen. Dort hatte die Rechte einen Kinderarzt aufgeboten, der dann im | |
Wahlkampf schnell mit dem Bekenntnis auffiel, er gehe bewaffnet mit seiner | |
Pistole zum Dienst im Krankenhaus, weil er sich sonst „unsicher“ fühle; | |
auch in den eigenen Reihen gilt er mittlerweile als Totalausfall. | |
Gute Chancen hat die Rechte wohl nur in Turin, wo sie einen vergleichsweise | |
gemäßigten Unternehmer ins Rennen schickt. Hier wird wohl der zweite | |
Wahlgang in 14 Tagen die Entscheidung zwischen ihm und dem PD-Kandidaten | |
bringen. | |
Doch auch die Nachwahl eines Parlamentsabgeordneten sorgt für Spannung. Im | |
toskanischen Siena tritt für die PD ihr im Februar gewählter Vorsitzender | |
[4][Enrico Letta an, der bisher dem Abgeordnetenhaus nicht angehört]. Auf | |
dem Papier hat er in der traditionell linken Toskana gute Chancen – doch | |
die Milliardenpleite der in Siena beheimateten Großbank Monte dei Paschi | |
hat die Karten neu gemischt. Sollte Letta in dem Wahlkreis scheitern, | |
könnten auch die erwarteten kommunalen Erfolge kaum eine neue Schockwelle | |
für die PD – und damit für die wichtigste Kraft, die der populistischen | |
Rechten entgegensteht – verhindern. | |
2 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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