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# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Mobbing mit Pfiff
> Nach der Elfmeter-Fehlentscheidung im Pokalhalbfinale: Schiedsrichter
> Siebert ist einem Shitstorm ausgesetzt, den seine DFB-Chefs besonders
> beflügeln.
Bild: Daniel Siebert entscheidet auf Elfmeter – und liegt falsch
Sogar Thomas Müller hat am Freitag seine Aussage vom Mittwoch widerrufen.
Dafür fertigte der Mittelfeldspieler und Social-Media-Profi des FC Bayern
München extra eine Videobotschaft an, die er über Facebook verbreitete.
Der Elfmeter, teilte er reuig mit, den der FC Bayern beim Pokalhalbfinale
gegen Werder Bremen von Schiedsrichter Daniel Siebert zugesprochen bekam,
sei doch nicht berechtigt gewesen. Unmittelbar nach dem Spiel hatte Müller
noch behauptet, alles habe seine Richtigkeit gehabt. Sein Teamkollege Coman
sei von Gebre Selassie strafstoßwürdig gefoult worden.
Mit einem Fehlurteil ist Siebert im Rekordtempo zu einem der größten
Schwerverbrecher des deutschen Fußballs aufgestiegen. Wenn jetzt selbst die
Profiteure dieses Pfiffs wie Müller sich zu einem derart öffentlichen
Widerruf genötigt sehen, dann veranschaulicht das gut, welche Dynamik die
Debatte um diese Schiedsrichterleistung angenommen hat.
Sie kann fast schon als so indiskutabel gelten wie die Anerkennung des
Phantomtors von Thomas Helmer vor 25 Jahren, welche das
Schiedsrichtergespann um Hans-Joachim Osmers zu verantworten hatte.
Todesdrohungen wurden den Unparteiischen damals zugesandt.
Vermutlich wird auch Daniel Siebert in diesen Tagen etwas mehr Post als
üblich erhalten. Von dem Hass, der in den sozialen Netzwerken ohnehin in
rauen Mengen vorrätig ist, bekommt der 34-Jährige minütlich einiges ab. Und
schon die etwas zivilisierteren Beschimpfungen weisen eine abstruse
Maßlosigkeit auf. Wenn einer wie Reinhard Grindel nach einem Fehler
zurücktreten müsse, zetert etwa einer, dann sollte doch jetzt auch Daniel
Siebert seine Konsequenzen ziehen.
## Ein erstaunlicher Vorgang
Man kann das alles großväter- und -mütterlich als schlimmen Kulturverfall
geißeln, weil so etwas früher (als es noch kein Internet gab) ganz und gar
nicht möglich gewesen wäre. Die Hater an den Computertastaturen sind aber
nicht die schlimmsten Gegner von Siebert. Diese Aufgabe übernehmen schon
seine eigenen Vorgesetzten. Jochen Drees, der Chef der
DFB-Videoschiedsrichter, wandte sich am Donnerstag, als der Shitstorm gegen
Siebert im vollen Gange war, mit einem Statement, das auf der Homepage des
Deutschen Fußball-Bundes platziert wurde, an die Öffentlichkeit. Und er
stellte klar, dass hier ein Fehler von Siebert und dem Videoassistenten
Robert Kampka vorgelegen habe. Sie hätten nicht so kommuniziert, wie man
das erwarten würde.
Ein erstaunlicher Vorgang. Statt seine Mitarbeiter in dieser misslichen
Situation zu verteidigen, verteidigte Drees den Videobeweis als
Hilfsmittel. Dass ein solcher Umgang mit dem eigenen Personal nicht gerade
zu mehr Selbstsicherheit und damit auch zu besseren Entscheidungen auf dem
Platz führt, liegt auf der Hand.
Es ist absurd. Während die Verantwortlichen des deutschen
Schiedsrichterwesens in regelmäßigen Abständen mehr Respekt für die
Unparteiischen von den Spielern, Vereinsfunktionäre und Fußballfans
einfordern, machen sie ihren Untergebenen das Leben besonders schwer.
Zuletzt klagte Schiedsrichter Manuel Gräfe 2017 über eine Atmosphäre der
Vetternwirtschaft und des Mobbings. Um geschützt zu werden, muss man
offenbar mehr geschätzt werden, als das bei Daniel Siebert der Fall war.
Beim Einsatz eines erst 34-Jährigen in einem so brisanten Spiel wie dem
DFB-Pokalhalbfinale zwischen Bremen und Bayern stehen zwangsläufig auch
diejenigen Schiedsrichter in der Verantwortung, die eine öffentliche
Bewertung vornehmen. Statt den Shitstorm zu beflügeln, hätte Drees einfach
erklären können, was viele immer noch nicht verstehen wollen: Gerechtigkeit
wird es leider auch mit dem Videobeweis nie geben.
26 Apr 2019
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Daniel Siebert
Schiedsrichter
Werder Bremen
FC Bayern München
Videobeweis
Deutscher Fußballbund (DFB)
Werder Bremen
DFB-Präsident
Fußball
Werder Bremen
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