# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Weg damit! | |
> Die Handelfmeter-Diskussion in der Bundesliga will kein Ende nehmen: | |
> Warum die aktuelle Regelauslegung Mumpitz ist. | |
Bild: Schalkes Daniel Caliguri verwandelt, was Dortmunds Trainer Favre für ein… | |
Es ist nur zwei Wochen her, dass wir an dieser Stelle über die [1][Krise | |
des Handelfmeters] schrieben, die eigentlich, legten wir dar, eine Krise | |
des Regelwerks ist. Wir schrieben: „Die Willkür hat Einzug gehalten in die | |
Stadien. Das Regelwerk zum Themenkomplex Handspiel ist zu einer Farce | |
verkommen – und der Schiedsrichter zum Handlanger einer bizarren | |
Regelauslegung.“ | |
Nun gab es am Samstag dieses bemerkenswerte Spiel der Dortmunder gegen | |
Schalke, inklusive des Elfmeterpfiffs von Schiedsrichter Felix Zwayer, der | |
uns eine erneute Handelfmeterdiskussion aufzwingt. | |
Folgendes war passiert: Schalker schießt im Strafraum aus einem halben | |
Meter Entfernung einen Schwarz-Gelben an. BVB-Verteidiger Weigl trägt | |
seinen linken Arm nicht eng anliegend am Körper, wie es die | |
Bundesliga-Anzugordnung in solchen Fällen vorschreibt, sondern lässt | |
selbigen – aus Nachlässigkeit oder Alternativlosigkeit, wer weiß das schon | |
– in die Tiefe des Raumes hineinragen. Schiri Zwayer bläst in sein Gerät. | |
Schalke schießt vom Elfmeterpunkt, gleicht aus zum 1:1. Dortmund wirkt | |
verunsichert nach dieser harten Sanktion, begreift dieses Unrecht als Wende | |
zum Schlechten. Trainer Favre schimpft nach Spielende wie ein Rohrspatz | |
über diese Regel. Er spricht vom „größten Skandal im Fußball seit Jahren�… | |
Gut, der Mann ist betroffen, weil sein Team wohl die Meisterschaft | |
verspielt hat. In so einer Situation neigt man zur Übertreibung, wähnt | |
finstere Mächte im Spiel. Aber auch wenn sich die Wolke der Erregung | |
verzogen hat, wird Favre diese Handelfmeterpfeiferei für groben Unfug | |
halten. Zu Recht. Denn ein Abwehrspieler, der nur seinen psychomotorischen | |
Reflexen folgt und unterhalb der Reaktionszeit vom Gegner aus nächster | |
Distanz angeschossen wird, wird fälschlicherweise zum Delinquenten | |
gestempelt. | |
Weigl hat kein absichtliches Handspiel begangen. Er wurde ohne Zutun am Arm | |
getroffen. Ihm Absicht zu unterstellen, würde nicht einmal Felix Zwayer | |
wagen – und trotzdem pfeift er, weil es nicht mehr um absichtliches | |
Handspiel im Strafraum geht, sondern um den Sachverhalt „angeschossener | |
abstehender Arm“. Die Fachpresse spricht in diesem Zusammenhang von | |
„Vergrößerung der Körperfläche“ – als gehörten die Arme nicht zur | |
Grundausstattung eines Fußballspielers. | |
## Komische „Tentakel-Regel“ | |
Das Schiedsrichterwesen täte gut daran, es sich künftig wieder ein bisschen | |
schwerer zu machen. Das Verfahren nach Schema F ist plump und wird den | |
Ansprüchen der Fans, der Trainer und der Kicker an dieses Spiel nicht | |
gerecht. Die, nennen wir sie „Tentakel-Regel“, ist unterkomplex. Eine | |
Rückkehr zur Ahndung des echten, also des deutlich sichtbaren absichtlichen | |
Handspiels ist dringend geboten, denn der Fußball verspielt | |
Glaubwürdigkeit, wenn er sich hanebüchene Paragrafen ins Handbuch schreiben | |
lässt, Regeln, über die sich das Fußballvolk lustig macht. | |
Der Dortmunder Elfer hat das Dilemma exemplarisch illustriert. Bis auf | |
zwei, drei Schalker Spieler, die im Strafraum ein Handspiel sahen und damit | |
ihre Chance auf ein geschenktes Tor gekommen, wurde Weigls Malheur im | |
Stadion nicht als strafwürdiges Vergehen gewertet. Von den meisten Fans, | |
die Schalker inbegriffen, wurde es nicht einmal wahrgenommen. | |
Erst dieses merkwürdige exterritoriale Wesen, auch Videoschiedsrichter | |
genannt, der sich als Hüter eines merkwürdigen Paragrafen aufspielte, | |
brachte Zwayer auf die richtige falsche Spur. Um es noch deutlicher zu | |
sagen: Weigl handelte nicht fahrlässig, er war auch nicht unwissend oder | |
schusselig, er hat nicht im Zustand geistiger Umnachtung gegen ein | |
Fußballgesetz verstoßen, nein, er hat nur redlich versucht, seinen Job zu | |
machen. Das sollte nicht verfolgt werden. | |
28 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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