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# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Vollrausch der Ahnungslosen
> Euphorie entfachen – das wollten die WM-Veranstalter. Tatsächlich wächst
> die Zahl der deutschen Handballfans. Der Sport interessiert aber die
> wenigsten.
Bild: Die brasilianische Fußballerin Marta kennen wohl mehr Deutsche als ihn: …
Es hat etwas von einem geplanten Vollrausch. [1][Handballeuphorie
entfachen], das haben sich die Veranstalter dieser Weltmeisterschaft, die
in Deutschland und Dänemark ausgetragen wird, vorab vorgenommen.
Nach dem Ende der Vorrunde präsentierte am Freitag der deutsche
Handball-Bund voller Stolz die Zuschauerzahlen, die vom Erfolg des
vorsätzlichen Vollrausches zeugen. Über 300.000 Zuschauer zählte man in
München und Berlin, dazu kamen noch einmal gut 200.000 Besucher in
Dänemark. Für Andreas Michelmann, den DHB-Präsidenten, belegte diese
Nachfrage: „Das zeigt, welche Wirkung der Handball momentan entfaltet.“
Hassan Moustafa, der Präsident der Internationalen Handballförderation, der
von seinen Untergebenen der Einfachheit halber „Weltpräsident“ genannt
wird, hat es vorab gewusst. Auf Deutschland kann man sich verlassen. Bei
der Eröffnungszeremonie erinnerte er neben dem Bundespräsidenten
Frank-Walter Steinmeier an eine der Sternstunden des Handballs – zu
mindestens aus seiner Sicht: Er gedachte der Olympischen Spiele 1936 in
Nazideutschland, als das Endspiel im Feldhandball zwischen Deutschland und
Österreich gar vor 100.000 Augenzeugen stattfand.
Wenn derart rauschhafte Ergebnisse gefeiert werden, lohnt aber ein
nüchterner Blick. In München etwa profitierte der DHB von der großen
kroatischen Community in der Stadt, die ihr Team zahlreich unterstützte.
## Alle zehn Sekunden Aufreger
Um den Handball an sich geht es den deutschen Fans in diesen Tagen nur in
zweiter Linie. Schon mal etwas über den bei dieser WM groß aufspielenden
Alexander Blonz gehört? Der 18-jährige Norweger überrascht derzeit die
kleine Zahl der Experten, weil er sich bei dieser WM unerwartet zu einem
Leistungsträger in seinem Team entwickelt hat.
Den Dänen Mikkel Hansen dürften ein paar mehr kennen, immerhin wurde er
schon zweimal zum Welthandballer gewählt. Dass er bislang die meisten Tore
bei diesem Turnier erzielt hat, ist allerdings keine Nachricht in
Deutschland, mit der man die exponentiell gewachsene Zahl der Handballfans
unterhalten könnte. Im Frauenfußball dürfte das deutsche Grundwissen
globaler verteilt sein, die Brasilianerin Marta bekannter als der Franzose
Nikola Karabatić sein.
Das große deutsche Interesse am Handball lässt sich nur durch deutsche
Emotionen nähren. Und fürs Schüren von Emotionen ist der Handball besonders
prädestiniert. Die Sportart bietet alle zehn Sekunden Aufreger: Tore,
Paraden, Fouls, Schiedsrichterentscheidungen.
Toll, grandios, sensationell, unglaublich, phänomenal, fantastisch,
überwältigend, hervorragend … Die Lobesworte für die deutschen Handballfans
waren in diesen Tagen mindestens so zahlreich wie die Tore auf dem Feld.
## Ballermann-Atmosphäre
In Berlin, wo das deutsche Team in den letzten Tagen seine Gruppenspiele
bestritt, haben die Veranstalter die Hallenbesucher mit Klatschpappen und
Deutschlandfähnchen bewaffnet, und jedes deutsche Tor wurde mit Sequenzen
populären deutschen Liedguts begleitet. Ballermann-Atmosphäre. Der
Animateur am Mikrofon ließ die deutschen Fans zum einen das Team von
Christian Prokop erfolgreich nach vorn peitschen, zum anderen aber ließ er
sie vor allem sich selbst feiern.
Bundestrainer Christian Prokop zeigte sich am Donnerstagabend vor den
TV-Kameras überrascht, dass Island und nicht Mazedonien der deutsche Gegner
am Samstag in der Hauptrunde sein wird. Eine Fachbemerkung, auf die
ARD-Moderator Alexander Bommes nicht weiter einging, weil er die Zuschauer
nicht überfordern wollte. Er hielt fest: Island, kein Gegner, dessentwegen
sich die Deutschen Sorgen machen muss. Denn viel mehr will derzeit wirklich
keiner wissen.
18 Jan 2019
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[1] /Deutsche-vor-Handball-Weltmeisterschaft/!5561263
## AUTOREN
Johannes Kopp
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