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# taz.de -- Deutschland bei der Handball-WM: Haarscharfer Ausgleich
> Gegen Weltmeister Frankreich trübt nur das Tor in letzter Sekunde das
> tolle Spiel der deutschen Handballer. Sie demonstrieren puren Optimismus.
Bild: Deutschlands Torhüter Andreas Wolff nach dem Tor zum Spielende
Berlin taz | In einer Disziplin ist diese deutsche
Handball-Nationalmannschaft bereits weltmeisterlich: Fiese Nackenschläge in
letzter Sekunde schüttelt sie binnen kürzester Zeit von sich ab, als wäre
rein gar nichts gewesen. Trainer Christian Prokop hatte bereits am Montag,
nachdem sein Team gegen Russland einen Vorsprung von drei Toren in der
finalen Phase leichtfertig verspielte, trotzig erklärt: „Wir haben uns
etwas aufgebaut, das will ich nicht kaputtreden nach einem Unentschieden.“
Tatsächlich wirkte am Dienstagabend sein Team in der Berliner Arena gegen
Titelverteidiger Frankreich so funktionstüchtig wie noch nie unter seiner
Regie. „Das beste Spiel seit zwei Jahren“, hatte Bob Hanning, der
Vize-Präsident des Deutschen Handballbunds, gesehen. Und Teammanager Oliver
Roggisch bekundete mit Blick auf die Leistungen beider Mannschaften: „Das
war heute schon finalreif.“
Und doch hatten die deutschen Handballer in der Schlussphase genau nach dem
gleichen fehlerhaften Strickmuster wie gegen Russland agiert. Wieder
begünstigte ein individueller Fehler, dieses Mal ein Missverständnis
zwischen Fabian Böhm und Uwe Gensheimer, dass die Franzosen zum letzten
entscheidenden Wurf ausholen konnten, zum Endstand von 25:25. Nach dieser
schmerzhaften Kopie vom Vortag propagierte Prokop: „Wir nehmen weiter in
Deutschland gemeinsam Schwung auf.“
Innerhalb von zwei Tagen hat das deutsche Team sehr anschaulich vorgeführt
bekommen, wie schmal der Grat ist, auf dem sie ebenfalls in der Hauptrunde
wandeln wird, für die man sich nun vorzeitig qualifiziert hat. Auch gegen
einen vermeintlich schwächeren Gegner können zwei, drei Fehlentscheidungen
in den letzten drei Minuten reichen, um sich aus dem Turnier zu
verabschieden. Und am Dienstagabend hob Hendrik Pekeler, ein wichtiger
Bestandteil des vor allem in der ersten Hälfte erstaunlich dichten
Abwehrriegels, hervor, man habe gegen „die mit Abstand beste Mannschaft der
letzten zehn Jahre gespielt“. Mit der Partie gegen Russland sei das
natürlich nicht zu vergleichen.
Die beiden Remis erweisen sich möglicherweise gerade auch deshalb als
wertvoll, weil sie noch einige Fantasieräume offen lassen. Gedankliche
Spielräume also, welche die Prokop’sche Erzählung vom Schwung in
Deutschland, den man weiter mehren möchte, stärken.
Die emotionale Vereinnahmung des ganzen Landes ist bewusst gewählt. Die
Verantwortlichen beim Deutschen Handballbund versuchen derzeit den
Heimvorteil bei diesem Spiel der großen Emotionen so weit wie nur möglich
auszureizen. Bereits vor dem Spiel gegen Frankreich forderte der
Hallensprecher die 13.500 Zuschauer auf: „Sobald die Mannschaft in
Unterzahl gerät, steht die deutsche Arena auf.“ Dies sei ein ausdrücklicher
Wunsch der Mannschaft.
Torhüter Andreas Wolff lobte das Publikum insbesondere für die Vorarbeit
beim Spiel Brasilien gegen Russland. Die Südamerikaner wuchsen aufgrund der
Unterstützung über sich hinaus, siegten und verhelfen den Deutschen
vermutlich zu einer formidablen Ausgangsposition für die Hauptrunde, weil
diese voraussichtlich die gewonnen Punkte gegen Brasilien mit in die
Hauptrunde nehmen.
Auch den Zuschauerbeitrag für den Punktgewinn gegen Frankreich siedelte
Wolff in seiner Euphorie sehr hoch an: „Sie waren heute sogar achter,
neunter und vierzehnter Mann, haben uns eine Super-Ausgangslage in der
Gruppe beschert.“
## Schwunghemmende Zerrung
Ein klein wenig schwunghemmend war am Mittwoch nur die Meldung, dass sich
Steffen Weinhold eine Zerrung zugezogen hat und nicht nur für das letzte
Gruppenspiel am Donnerstag gegen Serbien ausfallen wird, sondern bis zu
fünf Tagen pausieren muss. Der 29-jährige Rückraumspieler Kai Häfner wurde
nachnominiert.
Derweil haut Bob Hanning, der für den Handball so viel trommelt wie kaum
ein anderer, besonders auf die Pauke, um diese WM zu einer nationalen
Angelegenheit zu machen. Als er von den acht Millionen TV-Zuschauern bei
der Partie gegen Frankreich erfuhr und den Anteilen am TV-Markt, sagte er:
„Wenn wir einen Marktanteil von 30 Prozent haben, dann frage ich mich immer
– was machen die anderen 70 Prozent?“
16 Jan 2019
## AUTOREN
Johannes Kopp
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