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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Tuchel ist sich für Bayern zu schade
> Er will sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Münchner Fußballoligarchie
> machen. Deshalb sagt Tuchel den Bayern ab – und Arsenal London zu.
Bild: Tuchel gewinnt 2017 mit dem BVB den DFB-Pokal. Trophäenküssen will er d…
Ja, ist denn der Tuchel Thomas jetzt komplett übergeschnappt, das Angebot
der Bayern auszuschlagen? Mitnichten, denn er weiß, was ihn in München als
Cheftrainer erwartet hätte. Der etwas komplizierte Charakter hätte nur
schwerlich ein Arrangement mit den Altvorderen um Uli Hoeneß und Karl-Heinz
Rummenigge gefunden. Er hätte als Fremdkörper unter besonderer Beobachtung
der Fußballpatrone gestanden. Es hätte über kurz oder lang Friktionen
gegeben, die wohl eher Schaden am Image des Übungsleiters Thomas Tuchel
hinterlassen hätten.
La famiglia bavarese hat halt so ihre Eigenheiten. Tuchel steht nun, wie er
sagt, „bei einem ausländischen Top-Klub im Wort“; es sollte sich nach
Informationen des kicker um den FC Arsenal London handeln, wo Tuchel die
Nachfolge des seit 22 Jahren amtierenden Arsène Wenger antreten würde.
In einer Telefonkonferenz wollten die Bayernbosse den hageren Deutschen am
Freitag noch auf ihre Seite ziehen, aber da hatte er sich schon für die
passendere Karriereoption entschieden. Was wie eine Verzweiflungstat der
Bayern aussieht, ist auch eine solche gewesen, denn zuletzt war Tuchel
immer mehr in den Fokus des Serienmeisters gerückt. Jupp Heynckes hatte
sich für ihn stark gemacht.
Der aktuelle Bayerncoach tat das aus Verbundenheit. Aber der nun schon
72-Jährige wollte auch sichergehen, dass seine Nachfolge endlich geregelt
ist. Im Sommer möchte sich der Sohn eines Schmiedes auf seinen Bauernhof in
Schwalmtal in der Nähe von Mönchengladbach zurückziehen. Jupp will in Rente
gehen. Es kann doch nicht sein, wird sich der gute Jupp denken, dass nur
ein Opa einen der besten Vereine in Europa retten kann. Oder doch? Auf die
Avancen der Bayern, die ihn am liebsten weiter in Amt und Würden sehen
möchten, will der ehemalige Stürmer trotzdem nicht eingehen.
Thomas Tuchel lässt die Bayern für einen Moment alt aussehen. Das könnte
sich bald wieder ändern, denn so schnell wird keiner mehr die Chuzpe haben,
ein Angebot der großen Bayern abzulehnen. Die Münchner werden wohl die
Fühler nach Leipzig ausstrecken, wo mit Ralph Hasenhüttl nicht nur ein
guter Trainer sitzt, sondern auch ein Verein, der den Bayern gefährlich
nahe gekommen ist. Zuletzt haben sie die Münchner sogar geschlagen.
## Tuchel lässt den BVB alt aussehen
Der FC Bayern München könnte also seine bewährte Strategie der Schwächung
direkter Konkurrenten fortsetzen und Hasenhüttl verpflichten. Sie könnten
aber auch Shootingstar Domenico Tedesco an die Säbener Straße locken,
Trainer des FC Schalke 04, der nicht nur extrem ambitioniert ist, sondern
gewiss auch pflegeleichter als Tuchel. Womöglich gerät sogar wieder
Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann auf die Liste der Headhunter, obwohl ihm
die Bayernbosse im Januar eigentlich die Reife für den Posten des
Bayerntrainers abgesprochen hatten. Aber Not macht halt erfinderisch.
Tuchel lässt im Übrigen auch die Dortmunder Borussia alt aussehen. Seit
seinem Weggang hat sich der Klub selbst verzwergt. Erst jetzt wissen sie,
was sie an ihm hatten – nicht nur den Coach mit dem besten Punkteschnitt
aller schwarz-gelben Trainer, sondern auch einen, der die Auftritte seiner
Schützlinge zu einem Ereignis machen konnte. Dortmund ist in der
Post-Tuchel-Ära geschrumpft. International haben sie den Anschluss
verloren. Der Projektcharakter innerhalb des BVB ist verloren gegangen. Im
Kader der Nationalmannschaft, den Bundestrainer Joachim Löw zuletzt berufen
hat, steht kein einziger Dortmunder. Null. Auch das ist bezeichnend für
einen eklatanten Bedeutungsschwund.
Thomas Tuchel, und das ist die überraschende Erkenntnis, war sich zu schade
für den FC Bayern München. Er hat in London Größeres vor, als sich in
München zum Erfüllungsgehilfen einer bajuwarischen Fußballoligarchie zu
machen. Das kann natürlich furchtbar schief gehen. Mutig ist der Wechsel an
die Themse allemal. Und konsequent.
25 Mar 2018
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Fußball
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Arsenal London
Thomas Tuchel
Uli Hoeneß
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