# taz.de -- Kliniken in zweiter Coronawelle: Die Vollbremsung kann gelingen | |
> Klinikärzte warnen vor einer Überlastung bei weiter steigenden | |
> Corona-Neuinfektionen. Die Zahl der Intensivplätze ist knapp bemessen. | |
Bild: Ein Intensivbett im St.-Antonius-Hospital in Eschweiler | |
BERLIN taz | Die [1][zweite Welle der Pandemie] erreicht die deutschen | |
Kliniken. Ein Vorgeschmack dessen, was bald bundesweit droht, hat am | |
Donnerstag Norbert Suttorp beschrieben, Direktor der Medizinischen Klinik | |
mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité. | |
Derzeit werden in Berlin 600 Covid-19-Patient*innen stationär behandelt, | |
160 auf Intensivstationen, mehr als zu den Spitzenzeiten im April. Deshalb | |
sind in der Hauptstadt nur noch 13 Prozent der Intensivbetten frei. Die | |
Verdopplungszeit der Corona-Infektionen liegt bei zehn Tagen. Rechne man | |
das bis Silvester fort, kämen „gruselig hohe Zahlen“ raus, warnte Suttorp. | |
Genau genommen 64 mal so viele Patient*innen: 38.400. | |
Deshalb seien die [2][Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz] überfällig | |
gewesen. Denn selbst wenn das exponentielle Wachstum gestoppt wird, kommt | |
das gerade noch rechtzeitig, um eine komplette Überlastung der Berliner | |
Kliniken zu verhindern. Es geht dabei längst nicht nur um Intensivbetten. | |
„Als Infektiologe weiß ich, im Winter kommen mehr Patienten mit | |
Vorerkrankung, die bei Infekten der Atemwege schnell in Atemnot geraten“, | |
sagt Suttorp. Schon in normalen Zeiten sind Klinken wie seine im Winter mit | |
Patient*innen komplett ausgelastet, die unter Lungenentzündungen oder einer | |
schweren Influenza leiden. | |
## Puffer bald aufgebraucht | |
Suttorp war einer von vier Klinikleitern aus München, Hamburg, Berlin und | |
Eschweiler, die für die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für | |
Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) die Lage in den Kliniken erläuterten. | |
So problematisch wie in Berlin ist die Lage zum Glück bisher nicht überall | |
– was aber kein Grund zur Entwarnung ist. | |
Sondern lediglich bedeutet, dass noch genug Puffer da ist, um die | |
Covid-19-Patient*innen zu versorgen, die auf jeden Fall noch kommen werden. | |
Setze sich die Dynamik der letzten Wochen fort, dann wären in 10 Tagen rund | |
2.700 Intensivbetten in Deutschland mit Covid-19-Patient*innen belegt, | |
derzeit sind es rund 1.700. „Das wäre ohne Weiteres zunächst zu | |
beherrschen“, sagte Divi-Präsident Uwe Janssens. | |
Danach hoffen die Intensivmediziner auf deutlich „positive Effekte“ der | |
Maßnahmen der Bundesregierung. Denn die derzeit recht hohe Zahl freier | |
Intensivbetten, 7.500 plus 12.700 Notfallreserve, sei trügerisch, warnte | |
Stefan Kluge, Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum | |
Hamburg-Eppendorf. | |
Es fehlte schon vor der Pandemie für 20 bis 30 Prozent der Betten [3][das | |
Personal]. Da hilft dann auch eine Notfallreserve wenig – die ohnehin nur | |
bedeutet, dass Betten, die sonst für andere Patent*innen da wären, | |
umgewidmet werden. | |
## Mit Corona 18 Tage auf Intensiv | |
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: „Die Neuinfektionen von heute sind ein | |
Blick in die Vergangenheit“, sagte Kluge. Die hohen Infektionszahlen jetzt | |
von zuletzt 16.774 nachgewiesenen Ansteckungsfällen binnen 24 Stunden | |
schlagen erst in ein, zwei Wochen in den Kliniken durch. | |
Erst 10 Tage nach den ersten Symptomen landen [4][die schweren Coronafälle] | |
auf der Intensivstation. „Diese Welle kommt erst noch auf uns zu“, so | |
Kluge. Und im Schnitt bleiben sie dann mit 18 Tagen wesentlich länger als | |
andere Erkrankte. „Die Patienten verstopfen die Intensivstationen | |
regelrecht.“ | |
Kluge warnte vor einem „Verdrängungswettbewerb“ an den Kliniken: „Im | |
Extremfall haben wir nur noch Notfallpatienten mit Covid-19 oder | |
Herzinfarkten auf den Intensivstationen.“ Alle anderen müssten warten. | |
Damit schade man vielen Patient*innen. Auch deshalb dürfe die Zahl der | |
Intensivpatient*innen nicht wesentlich weiter steigen. | |
29 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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