| # taz.de -- Klimaexpertin zu Feuern in Australien: „Kohlelobby hat Regierung … | |
| > In Australien wüten die Buschfeuer, doch der Premier leugnet die | |
| > Klimakrise. Wegen des Einflusses der Kohlekonzerne, sagt Klimaexpertin | |
| > Brynn O’Brien. | |
| Bild: Anti-Kohle-Grafitto in Melbourne | |
| taz: Wie ist Ihre Situation in Sydney heute, riechen Sie die | |
| [1][Buschfeuer]? | |
| Brynn O’Brien: Ja, Sydney ist ganz schön verraucht, die Sicht | |
| eingeschränkt, es sieht ziemlich nach Qualm aus. | |
| Der Klimawandel verstärkt die Feuer nach der Meinung vieler Experten | |
| wahrscheinlich, Ihr Regierungschef Scott Morrison hält die menschengemachte | |
| Erderhitzung für einen Schwindel. Wird die Öffentlichkeit da nicht langsam | |
| wütend auf ihn? | |
| Australien ist wegen der Feuer am Boden zerstört, jenseits von Politik und | |
| Parteien. Die Öffentlichkeit ist wegen des schlechten Krisenmanagements | |
| wütend auf den Premier. Bei der Verantwortung für die Feuer wird es schwer. | |
| Emissionen und Klimawandel sind eine globale Angelegenheit. | |
| Australien hat weltweit [2][pro Kopf eine der höchsten CO2-Emissionen], | |
| insgesamt liegt der Anteil am globalen Ausstoß nur bei 1,3 Prozent. Aber | |
| wir sind der weltgrößte Exporteur von Kohle und zweitgrößter von Flüssiggas | |
| – und damit einer der Haupttreiber des Klimawandels. Viele Australier | |
| wissen, dass die Politik das seit Jahrzehnten deckt. Sie und die Firmen, | |
| die davon profitieren, sind die eigentlichen Kriminellen. | |
| Einige nennen die Buschfeuer das „Tschernobyl der Kohleindustrie“. Könnte | |
| es sein, dass wir an einem Wendepunkt von Australiens Klimapolitik sind? | |
| Vielleicht. Aber wir haben noch kein politisches Momentum erreicht, um eine | |
| Wahl gegen die Kohle zu gewinnen. Auch wenn es in den Kommunen immer mehr | |
| Protest gibt. Beide großen politischen Parteien unterstützen die Ausweitung | |
| des Kohlebergbaus. Jetzt, in diesem Moment, während es brennt. | |
| Warum ist die Kohleindustrie so einflussreich? Spenden die an die Politik? | |
| Viele spenden an Politiker, aber der Einfluss fußt auf Beziehungen, die | |
| seit Jahrzehnten auf persönlicher Ebene kultiviert werden. Scott Morrison | |
| ist von Kohlelobbyisten umringt. Beispielsweise war sein Stabschef John | |
| Kunkel früher Vizechef des Minerals Council of Australia, der wichtigsten | |
| Bergbau-Lobbyorganisation des Landes. Morrison hat 2017 ein Stück Kohle ins | |
| Parlament geschleppt und allen gesagt hat, vor Kohle müsse niemand Angst | |
| haben. Das Stück Kohle hatte ihm der Minerals Council zuvor in die Hand | |
| gedrückt. Die Kohleindustrie und -lobby hat die Regierung absolut im | |
| Griff. | |
| Welche Rolle spielen die Medien? | |
| Die von Rupert Murdochs News Corp kontrollierten Medien sind in Australien | |
| sehr dominant. Bei ihnen gibt es eine lange Tradition, den Klimawandel zu | |
| bestreiten und wirklich täglich Falschinformationen darüber zu verbreiten. | |
| Die Leute sehen das und glauben es. Natürlich gibt es auch andere Medien. | |
| Die öffentlich-rechtlichen ABC-Sender berichten gut, werden aber massiv von | |
| den Murdoch-Medien attackiert. | |
| Und die Regierung hat ihnen das Budget in den letzten Jahren | |
| zusammengestrichen. Sie sind sogar explizit von Regierungsverantwortlichen | |
| bedroht worden, weil sie zu viel über den Klimawandel berichten. Ich bin | |
| vor ein paar Monaten von einem ABC-Journalisten interviewt worden und habe | |
| versucht, über die Lobbyarbeit der fossilen Industrie aufzuklären. Die | |
| Verbände haben sich danach umfassend bei der ABC über das Interview | |
| beschwert. | |
| In den USA ist die Situation ähnlich, es gibt aber einen mächtigen Teil der | |
| Industrie, besonders das Silicon Valley, der sich klar für einen rigiden | |
| Klimaschutz einsetzt. | |
| Unsere Wirtschaft ist anders strukturiert, wir sind mehr von fossilen | |
| Industrien abhängig, die Finanzindustrie hängt da auch mit drin. Der | |
| Investmentsektor ist groß hier. Er sorgt sich zwar öffentlich über den | |
| Klimawandel, handelt aber nicht. Sie ziehen sich auch nicht aus der | |
| Kohleindustrie zurück. Andere große Firmen sind zwar bei erneuerbaren | |
| Energien ambitioniert, weil diese immer billiger werden. Es gibt aber | |
| keine Klima-Lobbymacht vergleichbar mit der der Kohleindustrie. | |
| Die Labor-Partei hat 2012 einen CO2-Preis eingeführt, den die Liberal Party | |
| nach ihrem Wahlsieg wieder kassiert hat. Würde ein Regierungswechsel etwas | |
| ändern? | |
| Labor ist gerade dabei, seine Positionen für die nächsten Wahlen zu | |
| formulieren. Eigentlich wollen sie 45 Prozent CO2-Reduktion bis 2030. Aber | |
| es scheint, als weichen sie das auf. Es könnte sein, dass die Buschfeuer | |
| sie zur Vernunft bringen. Während der letzten Wahl hatten sie keinen Plan, | |
| wie sie aus der Kohle und dem Gas raus wollen. Stattdessen versprachen sie | |
| der Gasindustrie 1,5 Milliarden Dollar Hilfen, um in Nordaustralien Öl und | |
| Gas zu fracken. Das hat nichts mit Klimapolitik zu tun. Die haben die | |
| letzten Wahlen auch verloren, weil sich die Kohleindustrie massiv gegen sie | |
| gestellt hat. | |
| Wie sieht dann ein Weg zu mehr Klimaschutz aus? | |
| Als Erstes sollten Unternehmen, die nicht von der fossilen Industrie | |
| profitieren, aufhören, deren Positionen zu unterstützen. Der Bergbaukonzern | |
| BHP etwa gehört teilweise Pensionsfonds. Ein Teil der Anteilseigner hat im | |
| November versucht, das Unternehmen zu einem Ende der Lobbyarbeit für die | |
| Kohleindustrie zu drängen. Es gab aber noch keine Mehrheit dafür. Wir | |
| brauchen sicher auch eine Änderung in der Eigentümerstruktur der Medien. | |
| Aber am Ende müssen die Bürger die Sache in die Hand nehmen. | |
| 8 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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