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# taz.de -- „Klimacheck“ in Österreich: Gesetz in der Warteschleife
> Eigentlich sollen in Österreich alle Gesetze per „Klimacheck“ auf ihre
> Nachhaltigkeit geprüft werden. Doch das Vorhaben hängt in der Luft.
Bild: Der Klimacheck könnte Straßenbau in Österreich stoppen
Wien taz | Es war ein Schock für Österreichs Straßenbaulobby. Der
umstrittene acht Kilometer lange Lobau-Tunnel unter einem wichtigen Wiener
Naturschutzgebiet und andere bereits genehmigte Straßenprojekte sollen
nicht gebaut werden, [1][verkündete die grüne Umweltministerin Leonore
Gewessler Anfang Dezember]. Der Lobau-Tunnel sollte einen bereits fast
fertigen Umfahrungsring um die Hauptstadt schließen. Die Wiener SPÖ hatte
außerdem mit Stadterweiterungsplänen für den Tunnel argumentiert, für die
es neue Straßen brauche.
Gewesslers Entscheidung kam auch beim Koalitionspartner ÖVP nicht gut an.
Doch im Grunde hat sie nur das umgesetzt, was im
[2][Koalitionsübereinkommen vom Januar 2020] festgeschrieben ist: Projekte,
die noch vor der Ausführungsphase stehen, sollen in Österreich einem
„Klimacheck“ unterzogen werden. „Durch den verpflichtenden Klimacheck wird
Klimaschutz bei Gesetzen und Verordnungen ein zentrales
Entscheidungskriterium“, heißt es da.
Diese Passage hatten die Grünen in den Vertrag hineinverhandelt, um sich
gegenüber der ÖVP besser behaupten zu können, die gewöhnlich die Interessen
der Industrie über den Umweltschutz stellt. Schließlich gehe es darum, „die
Weichen in Richtung klimaneutrales Österreich 2040 zu stellen.
Der Klimacheck ist somit ein wichtiger Schritt, um die Ziele des Pariser
Klimaschutzabkommens zu erfüllen und in Europa zum Vorreiter im Klimaschutz
zu werden“, sagte damals Lukas Hammer, Vorsitzender des Umweltausschusses
und Klima- und Energiesprecher der Grünen.
## Corona-Lockdown bremste legislativen Eifer aus
Im März vergangenen Jahres beschloss der Umweltausschuss im Nationalrat mit
den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos den verpflichtenden Klimacheck.
Alle neuen und und sogar bereits bestehenden Gesetze, Verordnungen und
Bund-Länder-Vereinbarungen sollen demnach auf ihre Klimafolgen und die
Auswirkungen auf den Bodenverbrauch überprüft werden. Auch die Erstellung
von Förderrichtlinien und Investitionen des Bundes fallen darunter.
Eine Woche später kam der erste Corona-Lockdown – und der legislative Eifer
der Regierungsparteien erlahmte, räumt Gewesslers Pressesprecher Florian
Berger ein. Im Juli 2020 richtete die Fraktion der liberalen Neos eine
parlamentarische Anfrage an Ministerin Gewessler, wie denn der Stand der
Dinge beim Klimacheck sei.
Gewessler musste in ihrer mit 31. August datierten Antwort zugeben, dass
eine formelle interministerielle Arbeitsgruppe noch nicht gegründet worden
sei. Zu Details der Ausgestaltung des Klimachecks seien noch keine
Entscheidungen getroffen, „weshalb auf einige der weiteren Fragen keine
inhaltlich detaillierte Antwort gegeben werden kann.“
## Prestigeerfolg Klimaticket
Auch sonst musste die ehemalige Umweltaktivistin Gewessler vage bleiben.
Selbst die Frage, ob der Klimacheck verbindlich sei oder nur empfehlenden
Charakter habe, konnte sie nur mit ihrem persönlich Wunsch beantworten.
Eine Verbindlichkeit des Klimachecks werde „angestrebt.“
Seither ist mehr als ein Jahr ins Land gezogen. Gewessler hat mit dem
flächendeckenden Klimaticket für Busse und Bahnen im September einen
[3][Prestigeerfolg] landen können und mit dem Verordnen von
Straßenbaustopps für heftige Kontroversen gesorgt. Dafür hat sie die
Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG)
zu Klimachecks bei Straßenbauprojekten verpflichtet. Das lief jedoch
unabhängig von dem Plan, Gesetze einem Klimacheck zu unterziehen.
Was das geplante Gesetz betrifft, will sich Ministeriumssprecher Florian
Berger nicht festnageln lassen. Es befinde sich aktuell in Ausarbeitung:
Das Gesetz solle „neben einem klaren Reduktionspfad für die CO2-Emissionen
vor allem regeln, wie Bund und Länder gemeinsam Verantwortung übernehmen
können, damit die Ziele auch verbindlich erreicht werden, wie die
Wissenschaft besser in Entscheidungen eingebunden werden kann und vor allem
auch wie die Bürger:innen eine starke Stimme in der Klimapolitik
bekommen“.
Diese starke Stimme soll als Klimarat noch im Januar – so es die Pandemie
zulässt – in Aktion treten. Schon jetzt werde aber „überprüft, welche
Auswirkungen ein Gesetz auf unser Klima und unsere Umwelt hat. Das soll mit
dem Klimacheck systematisch und gezielt verankert werden“.
Die SPÖ als größte Oppositionspartei hatte sich immer als Befürworterin
eines Klimachecks gegeben. Nun kommen die Einwände: Wiens SPÖ-Bürgermeister
Michael Ludwig, der den Lobau-Tunnel als Kernstück seiner Verkehrsplanung
sieht, weiß, dass er mit seinem Protest andere rote und ÖVP-Bürgermeister
in der Verkehrspolitik hinter sich hat. Auch die von Gewessler auf Eis
gelegte dritte Piste für den Flughafen Wien-Schwechat ist für sie noch
nicht aufgegeben. Man darf gespannt sein, ob der Klimacheck im
Gesetzgebungsprozess verwässert wird – oder eine echte Wende in der
Klimapolitik bringt.
27 Dec 2021
## LINKS
[1] /Oesterreich-sagt-Bau-des-Lobautunnels-ab/!5815914
[2] https://brutkasten.com/wp-content/uploads/2020/01/Regierungs%C3%BCbereinkom…
[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210930_OTS0186/greenpeace-begrues…
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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