# taz.de -- Klima-Vergütung für Waldbesitzer: Regierung arbeitet an Baumpräm… | |
> Bislang schluckt der deutsche Wald jedes Jahr gratis 60 Millionen Tonnen | |
> Kohlendioxid. Dafür sollen seine Besitzer bald bezahlt werden. | |
Bild: Gestresster Ökosystemdienstleister: der Bayerische Wald bei Frauenau | |
BERLIN taz | Bisher arbeitet die größte CO2-Müllabfuhr in Deutschland | |
kostenlos: Etwa 60 Millionen Tonnen des Treibhausgases schlucken die Wälder | |
jedes Jahr, während Deutschland etwa 810 Millionen Tonnen davon ausstößt. | |
Doch jetzt soll die größte „Senke“ für Treibhausgase sich bezahlt machen: | |
Die Bundesregierung arbeitet nach taz-Informationen mit den Ländern am | |
Konzept einer „Baumprämie“, um die Waldbesitzer für diese | |
„Ökosystemdienstleistung“ ihres Eigentums zu bezahlen. Auf den Bund könnt… | |
damit jährliche Kosten in Höhe von etwa 1,5 Milliarden Euro zukommen. | |
Erst letzte Woche machten neue Horrorzahlen über den Wald im Klimawandel | |
die Runde: Nach Daten des Bundesagrarministeriums haben Stürme, Trockenheit | |
und Schädlinge wie der Borkenkäfer [1][dem Wald stark zugesetzt]. | |
Im dritten Trockenjahr hintereinander hat sich der Anteil an Schadholz auf | |
178 Millionen Kubikmeter auf einen neuen Rekord gesteigert. 285.000 Hektar | |
müssen wieder bewaldet werden. Viele Waldbesitzer klagen über drastisch | |
sinkende Einnahmen, weil Holz bei dem Überangebot kaum noch etwas wert ist. | |
Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat deshalb als Hilfen für die Wald- | |
und Holzindustrie seit 2019 insgesamt 1,5 Milliarden Euro organisiert. | |
## „Inwertsetzung der Waldklimafunktion“ | |
Doch das reicht den Waldbesitzern nicht aus. Sie drängen auf ein | |
Instrument, das regelmäßig die CO2-Speicherfunktion des Ökosystems Wald | |
vergütet. Vor einem Jahr forderte deshalb die Arbeitsgemeinschaft Deutsche | |
Waldbesitzerverbände AGDW eine „Vergütung der Ökosystemdienstleistung | |
CO2-Speicher“ durch eine „Inwertsetzung der Waldklimafunktion“. | |
Weil pro Hektar Wald im Schnitt 5 Tonnen CO2 jährlich gespeichert würden | |
und die Tonne CO2 im Europäischen Emissionshandel etwa 25 Euro wert sei, | |
kam das Konzept auf 125 Euro pro Hektar Wald im Jahr. | |
Die Milliardenzahlungen für die insgesamt 11,4 Millionen Hektar Wald sollen | |
nach den Vorstellungen der Waldbesitzer aus dem „Energie- und Klimafonds“ | |
der Regierung kommen, in den die Erlöse des Emissionshandels fließen. Es | |
sei doch logisch, aus dem Geld für den CO2-Ausstoß eine CO2-Senke zu | |
bezahlen, sagt Larissa Schulz-Trieglaff von der AGDW. „Das Geld sollte dem | |
klimaverträglichen Waldumbau zugutekommen und einen Nachweis für die | |
nachhaltige Bewirtschaftung erbringen.“ | |
Auch baumreiche Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz | |
wünschen sich eine Finanzierung ihrer Waldbesitzer über eine solche | |
„Baumprämie“. Eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Waldbesitzern tagt | |
seit dem Frühjahr, um ein Konzept zu erarbeiten, bestätigt das | |
Bundesagrarministerium. Damit würde zum ersten Mal eine Dienstleistung der | |
Natur, die bislang gratis erbracht wird, für den Klimaschutz auf Cent und | |
Euro vergütet. | |
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist da vorsichtiger. In einem | |
Interview mit der Westfalenpost sagte sie: „Ich kenne noch kein Modell für | |
eine Baumprämie, das ausgereift ist. Es klingt einfach, ist es aber nicht.“ | |
Was passiere, wenn das Holz entnommen und verbrannt werde, womit das CO2 | |
wieder frei wird – „muss die Prämie zurückgezahlt werden?“ | |
## Umweltschützer warnen vor CO2-Fokus | |
Tatsächlich stellen sich noch viele Fragen: Würde das Geld auch für Moore | |
gelten, die noch deutlich mehr CO2 speichern? Was passiert bei einem | |
Waldbrand? Wäre eine deutsche Baumprämie ein Beispiel, nach dem in der EU | |
waldreiche Länder wie Polen ebenfalls nach Subventionen rufen würden? Und | |
was ist mit dem Kohlendioxid, das im Grünland der Bauern und im Meer | |
eingelagert wird? | |
Die Umweltverbände sehen eine „Baumprämie“ durchaus positiv – wenn sie | |
[2][mit klaren ökologischen Auflagen verbunden] wäre, sagt etwa Christoph | |
Thies von Greenpeace. „Es ist sinnvoll, Anreize zu schaffen, damit etwa | |
Holz auf Schadflächen stehen bleibt oder nur noch die Hälfte des | |
Holzzuwachses geschlagen würde“. | |
Experten von BUND und WWF warnen davor, die Dienstleistung des Waldes nur | |
auf das Klima zu beschränken – die Funktion als Wasserspeicher, | |
Erholungsort oder Naturraum dürften nicht in den Hintergrund treten. Eine | |
Finanzierung der Wälder über öffentliche Mittel würde aber auch heißen, | |
dass der Wald nicht mehr nur ein möglichst profitabler „Wirtschaftswald“ | |
bleiben könne, heißt es. | |
Wie sehr und wie lange der deutsche Wald noch als CO2-Müllabfuhr fungiert, | |
ist außerdem unsicher. Zwar speichere das Ökosystem Wald netto noch | |
Kohlenstoff, aber „es gibt wahrscheinlich einen Abwärtstrend in der | |
Senkenfunktion“, sagt Nicola Wellbrock vom Thünen-Institut, dem | |
Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. | |
Die letzten Daten zeigen, dass die CO2-Speicherung in den trockenen Jahren | |
zurückgeht, aber konkrete Auskunft wird erst die nächste | |
„Bundeswaldinventur“ geben, die 2021 beginnt. Das Alter des Waldes, | |
Trockenheit, Hitze und Schädlinge im Klimawandel lassen bei vielen Experten | |
auch die Angst wachsen, dass der Wald in der Zukunft „von der Senke zur | |
Quelle wird“ – dass er also unterm Strich mehr Kohlendioxid freisetzt als | |
speichert. | |
So viel CO2 der Wald auch speichert, die deutschen oder europäischen | |
Klimaziele sind damit nicht zu erreichen. Das legt zwar das AGDW-Konzept | |
nahe, das die „Klimaziele in Gefahr“ sieht, wobei der Wald „eine wichtige | |
Rolle in der Debatte“ spielen müsse. Allerdings werden die Emissionen aus | |
der „Landnutzung“ bei der offiziellen Berechnung der Treibhausgasbilanzen | |
nach UN-Regeln gar nicht mitgerechnet: Dafür sind die Unsicherheiten bei | |
den Berechnungen einfach zu groß. | |
24 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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