# taz.de -- Klage gegen Bohrturm vor Borkum: Gericht soll Gasprojekt kippen | |
> 2022 beschlossen Deutschland und die Niederlande, am Wattenmeer nach Gas | |
> zu bohren. Dann wurde das Vorhaben gestoppt. Nun ging der Prozess weiter. | |
Bild: Proteste gegen die Gasförderung vor Borkum | |
DEN HAAG taz | „Wir machen uns sehr große Sorgen wegen der | |
Umweltbelastungen“, sagt Eldert Sleeboom. Er sitzt im Borkumer Stadtrat und | |
war Teil einer achtköpfigen Borkumer Delegation, die am Donnerstag in Den | |
Haag versuchte, die Gasförderung nahe der Nordseeinsel zu stoppen. „Das | |
gehört nicht mehr in unsere Zeit“, betonte Sleeboom. | |
Vor dem [1][Gerichtshof in Den Haag wurde erneut über das Projekt nördlich | |
des Wattenmeers verhandelt]. Der niederländische Konzern One-Dyas verfügt | |
seit 2022 über eine Lizenz, um im Grenzgebiet zu Deutschland nach Gas zu | |
bohren. Geklagt gegen das gemeinsame niederländisch-deutsche Projekt hat | |
auch die [2][Deutsche Umwelthilfe] (DUH), die [3][„immense Schäden für | |
Nordsee, Wattenmeer und die unmittelbar angrenzenden Meeresschutzgebiete“] | |
befürchtet. | |
Auch die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, die benachbarte Insel | |
Borkum und die niederländischen Umweltorganisation Mobilisation for the | |
Environment, unterstützen die Klage. Im April vergangenen Jahres hatte das | |
Gericht verfügt, den Bau der Förderungsanlage vorerst auszusetzen. Nun | |
versuchen die betroffenen Nordseeinseln, Verbände und Initiativen, die | |
Genehmigung für das Gasprojekt endgültig kassieren zu lassen. | |
Vor dem Gerichtsgebäude im Zentrum Den Haags hielt auch der niederländische | |
Zweig von Extinction Rebellion eine Kundgebung unter dem Motto „North Sea | |
Fossil Free“ ab. Direkt daneben die Borkumer Delegation. Die Insel setzt | |
auf erneuerbare Energien, die Insel solle 2030 klimaneutral werden. „Was | |
hier geschieht, ist für uns nicht der richtige Weg“, sagte Sleeboom, der | |
auch Aufsichtsratschef des Nordseeheilbads der Nordseeinsel ist. | |
## Gasförderung in der Nähe des Wattenmeers? | |
Sein Ratskollege Hermann Gansel unterstrich auch mögliche wirtschaftlichen | |
Folgen einer Gasförderungsanlage in unmittelbarer Nähe des zum | |
Unesco-Weltnaturerbe zählenden Wattenmeers. „Borkum ist fast vollständig | |
vom Tourismus abhängig. Der Wind weht meistens aus Südwesten, also genau | |
aus der Richtung der Plattform. Wenn dort abgefackelt wird, wie vor einigen | |
Jahren bei den Probebohrungen, sind Borkum, Juist und Norderney direkt | |
betroffen“, betont Gansel. Zudem gelangten durch die Förderung auch | |
Schwermetalle, Stickstoff und Schwefeldioxid an die Strände der Insel. | |
„Wenn dann keine Tourist*innen mehr kommen, ist Borkum wirtschaftlich am | |
Ende.“ | |
Dass Hans Vijlbrief, der niederländische Staatssekretär für Bergbau, dem | |
„Gasförderungsprojekt N05“ im Juni 2022 eine Lizenz erteilte, geschah vor | |
dem Hintergrund der europäischen Gaskrise nach Beginn des Ukrainekriegs. | |
Im niederländischen Kontext kommt dazu der Ausstieg aus der Erdgasförderung | |
in der nördlichen Provinz Groningen, die seit Jahren für Erdbeben in der | |
Region sorgt. Die aus Sicherheitsgründen bereits reduzierte Förderung wurde | |
im vergangenen Herbst vollständig eingestellt. Vorausgegangen waren gerade | |
heftige Diskussionen, den Ausstieg aus dem russischen Gas durch solches aus | |
Groningen abzufedern. | |
Nach Erteilung der Genehmigung erklärte Vijlbrief in einem Schreiben an das | |
niederländische Parlament, die Plattform solle etwa 19 Kilometer nördlich | |
der Inseln Schiermonnikoog und Borkum liegen und ihr Gas durch Pipelines an | |
Land liefern. Angetrieben werde sie vom deutschen Offshore-Windpark | |
Riffgat. In Deutschland hat das niedersächsische Landesamt für Bergbau, | |
Energie und Geologie (LBEG) das Projekt noch nicht abschließend genehmigt. | |
„Letztlich hat der russische Angriffskrieg aber gezeigt, dass das | |
öffentliche Interesse der Versorgungssicherheit eine klar übergeordnete | |
Rolle einnimmt“, erklärte das LBEG jedoch bereits. | |
[4][Die rot-grüne niedersächsische Landesregierung ist über das Projekt bis | |
heute gespalten.] Meta Janssen-Kucz, Vizepräsidentin des Landtags in | |
Hannover und ebenfalls nach Den Haag gekommen, sprach kurz vor Beginn der | |
Sitzung von einem „Dissens“: Die Grünen lehnten die Gasförderung ab, | |
während das SPD-geführte Wirtschaftsministerium sie befürworte. | |
## Klarheit über Ausstoß von Schwefel und Stickstoff | |
Konkret erhofft sich Janssen-Kucz vom Prozess Klarheit über den zu | |
erwartenden Ausstoß von Schwefel und Stickstoff. One-Dyas sei bei der | |
letzten Sitzung im September verpflichtet worden, darüber detailliert | |
Auskunft zu geben. Ausdrückliches Lob hatte Janssen-Kucz für die | |
grenzübergreifende Zusammenarbeit politischer und ökologischer Akteure: | |
„Wenn wir das nicht tun, stehen wir gegenüber einem solchen Konzern auf | |
weniger starken Füßen“ | |
One-Dyas sieht die Gasförderung dagegen im Einklang mit der Energiewende | |
als Übergangsenergie. In der Tageszeitung Volkskrant hatte Chris de Ruyter | |
van Steveninck, Direktor des in Amsterdam ansässigen Unternehmens, erklärt, | |
es helfe nicht, „zu allem ‚Nein‘ zu sagen“. | |
Dagegen kritisiert die niederländische Waddenvereniging: „Die Genehmigung | |
wurde unrechtmäßig erteilt. Die Nutzung für Bergbau, Gasförderung und | |
Salzgewinnung erhöht den Druck auf das Wattenmeer und verstärkt Effekte des | |
Klimawandels. Das muss verhindert werden.“ | |
In einer früheren Version des Textes hieß es, das niedersächsische | |
Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) das Projekt habe das | |
Projekt bereits genehmigt. Dies haben wir nun geändert. | |
25 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Klage-gegen-Bohrprojekt-in-der-Nordsee/!5959459 | |
[2] https://www.presseportal.de/pm/22521/5559607 | |
[3] /Gasbohrungen-vor-Borkum/!5937533 | |
[4] /Protest-gegen-Gasbohrungen-vor-Borkum/!5928632 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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