# taz.de -- Kiffen und Speisen in Amsterdam: Trompeten für die Eltern | |
> Ein Familienausflug in die niederländische Metropole Amsterdam. Und ein | |
> Rezept für Schwarzwälder-Hasch-Kirsch-Torte. | |
Bild: Aber bitte mit äh, wie jetzt? | |
Es war der Wunsch unseres Sohnes, seinen 18. Geburtstag zusammen mit seinen | |
Eltern in der holländischen Hauptstadt zu verbringen. Als er uns seinen | |
Wunsch mitteilte, glaubten wir, er habe irgendwoher von der Schönheit | |
dieser Stadt gehört, von den herrlichen Grachten, vielleicht sogar vom | |
Rijksmuseum und von ƒden berühmten Rembrandt-Gemälden oder auch vom | |
Anne-Frank-Haus. | |
Aber er ließ uns nur kurz in diesem Irrtum. Er wollte nach Amsterdam, um an | |
seinem 18. Geburtstag in einem Coffeeshop mit seinen Eltern Marihuana zu | |
rauchen. | |
Henris Mutter und ich waren von der Idee nicht besonders begeistert. Der | |
Umgang mit Cannabis ist uns nicht sehr geläufig, und die wenigen Male im | |
Leben, an denen wir an einer Marihuana-Zigarette gezogen hatten, waren eher | |
unspektakulär verlaufen. Ihr war schlecht davon geworden, und ich, nach | |
einem grundlosen Lachanfall, war noch am Tisch eingeschlafen. Aber | |
irgendwie fanden wir den Wunsch unseres Sohnes auch rührend. Wir hätten das | |
mit unseren Eltern nicht machen können. | |
Zur Vorbereitung auf die Reise hatte Henri uns einen Film gezeigt, in dem | |
die Droge Alkohol mit der Droge Marihuana verglichen wurde. Die Sendung | |
lief in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt und sie kam zu dem Ergebnis, | |
dass Alkohol schädlicher sei als Cannabis. | |
## In einem Meer von Jugendlichen | |
Nach unserer Ankunft am Flughafen waren wir in die Innenstadt gefahren und | |
ließen uns treiben in einem Meer von Jugendlichen, die aus ganz Europa nach | |
Amsterdam gekommen waren. Ganz offensichtlich nicht wegen des Rijksmuseums. | |
Jedes zweite Geschäft rund um den Dom bot Utensilien für den Konsum von | |
Cannabis an. Unser Sohn betrat eines davon und ließ sich vom Verkäufer eine | |
Mühle erklären, mit der die Blütenständer der Hanfpflanze gemahlen werden. | |
Wir, Vater und Mutter, standen etwas deppert nebendran und suchten nach dem | |
richtigen Gesichtsausdruck. | |
Es war sein 18. Geburtstag. Wir waren nur seine Gäste. Er durfte | |
entscheiden, wir durften ihn begleiten. Er war jetzt volljährig und konnte | |
tun und lassen, was er wollte. Gegen frühen Abend war Henri im Besitz einer | |
Hanfblütenmühle, eines Feuerzeuges mit der Aufschrift legalize-it und zwei | |
paar Socken mit aufgedruckten Hanfblättern. Nun hielt er den Zeitpunkt für | |
gekommen, mit uns einen Coffeeshop zu betreten. | |
Der Laden nannte sich „The Green Place“ und lag nicht weit entfernt vom | |
Neuen Markt. Drinnen herrschte eine rauchige Enge, eine Traube von Menschen | |
drängte sich um den Tresen, hinter dem zwei junge Männer Cannabisblüten | |
abwogen und in Plastiktütchen über den Tresen schoben. Henri bestellte 3 | |
Gramm einer bestimmten Sorte, nachdem er seinen Ausweis gezeigt hatte, | |
bezahlte, und wir gingen durch einen schmalen Gang in den hinteren Bereich | |
des Lokals, in dem dicht an dicht die Haschischraucher auf Sofas und | |
Kunstledersesseln saßen. | |
Wir quetschten uns irgendwo dazwischen, und unser Sohn drehte, ziemlich | |
geübt, wie ich fand, eine trompetenförmige Zigarette. Nacheinander zogen | |
wir an ihr, bis nichts mehr von ihr übrig blieb. Vor noch gar nicht so | |
langer Zeit schenkten Väter ihren heranwachsenden Söhnen mal einen | |
ordentlichen Schnaps ein, damit sie ein wenig Erfahrung sammeln würden und | |
gewappnet wären für die Welt da draußen. Heute drehen die Heranwachsenden | |
ihren Eltern eine Marihuana-Trompete, vielleicht um sie ein wenig | |
aufzulockern. | |
## Schlitze statt Augen | |
Anschließend beschlossen wir, abendessen zu gehen. Meiner Frau war es zwar | |
etwas schlecht, ich schwankte ein wenig, und unser Sohn hatte dort, wo | |
früher seine Augen waren, nur noch zwei Schlitze. Aber das Restaurant sah | |
von außen schön aus und trug den noch viel schöneren Namen „Moeders“, zu | |
Deutsch: Mütter. Jeder Quadratzentimeter der Wand war mit Fotos älterer | |
Frauen behängt, die hier schon einmal gegessen hatten. Wir bestellten | |
„Mamma’s Happen“, und ich hoffte inständig, dass uns niemand in unserem | |
Zustand fotografieren würde. | |
Unsere Diskussion über Vernunft und Drogen wäre möglicherweise ergiebiger | |
verlaufen, hätten wir sie vor dem Besuch des Coffeeshops und ohne Wein zum | |
Essen geführt. So drehte sie sich ein wenig im Kreise und mein Argument, | |
dass Wein das bessere Rauschmittel sei, da schon die Römer . . . wurde von | |
meinem Sohn einfach mit der Serviette weggewischt. „Du lädst dir doch nur | |
Gäste ein, damit du einen Grund hast, Alkohol zu trinken“, erwiderte er. | |
Nur die Mutter blickte stumm auf dem ganzen Tisch herum. | |
Kurzum: Es war ein schöner Ausflug nach Amsterdam. Wir fanden vor dem | |
Rückflug sogar noch ein wenig Zeit für das Rijksmuseum. Unser Sohn stand | |
mit schmalen Augen lange vor einem Rembrandt und murmelte: „Ich komme | |
wieder.“ | |
17 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Philipp Mausshardt | |
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