# taz.de -- Kein Handschlag für Nazis in Eisenach: „Das war mir einfach nich… | |
> Katja Wolf ist seit 2012 Oberbürgermeisterin von Eisenach. Fast so lange | |
> kämpft sie schon darum, den NPDlern im Rat nicht die Hand geben zu | |
> müssen. | |
Bild: Katja Wolf (Die Linke) will ihre Hände sauber halten | |
Frau Wolf, in der ersten Sitzung des neu gewählten Eisenacher Stadtrats | |
haben Sie den vier Räten der NPD-Fraktion am Dienstag den Handschlag | |
verweigert. Warum? | |
Das ist eine Geschichte, die schon 2014 begann. Ich habe schon damals bei | |
der konstituierenden Sitzung im Stadtrat ein eindeutiges Signal ausgesandt, | |
indem ich der NPD Fraktion nicht die Hand gegeben habe. In der Thüringer | |
Kommunalordnung ist formuliert, dass die Stadträte per Handschlag | |
verpflichtet werden. Das war mir durchaus bewusst. Die Stadträte müssen | |
sich zur Einhaltung aller geltenden Gesetze bekennen. Schon damals wäre es | |
für mich das falsche Signal gewesen, der NPD die Hand zu reichen. Es geht | |
um eine Fraktion, die dem schwer rechtsradikalen Milieu zuzuordnen ist – | |
sich in all ihren Verlautbarungen, in allen Äußerungen in Eisenach und | |
darüber hinaus weit außerhalb der Grenzen der Verfassungsmäßigkeit bewegt. | |
Der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Eisenacher Stadtrat, Patrick Wieschke, | |
ist ein mehrfach vorbestrafter Gewalttäter. Er wurde schon wegen eines | |
Sprengstoffanschlags auf einen türkischen Imbiss, Körperverletzung und | |
Volksverhetzung verurteilt und stand wegen Missbrauchs unter Verdacht. Mit | |
so einem Menschen und einer Fraktion, die ihn zum Vorsitzenden wählt, kann | |
man keine Normalität herstellen. Das war für mich schon vor fünf Jahren | |
klar. | |
Patrick Wieschke hat damals gegen Ihr Verhalten geklagt. Er fühle sich | |
durch Ihre Weigerung, seiner Fraktion die Hand zu geben, diskriminiert. Das | |
Verwaltungsgericht Meiningen wies im November 2014 die Klage zunächst ab, | |
mit der Begründung, es gehe um eine „hinnehmbare politische | |
Symbolhandlung“, der kein „diskriminierender, ehrenrühriger Charakter“ | |
zugrunde liege. Im April diesen Jahres hob das Thüringer | |
Oberverwaltungsgericht dann dieses Urteil auf und entschied, dass | |
Bürgermeister*innen neu verpflichtete Stadtratsmitglieder durch einen | |
Handschlag bestätigen müssen. Eine Revision sieht das Urteil nicht vor. | |
Ich habe Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Dementsprechend ist es | |
auch noch nicht rechtskräftig. In der ersten Instanz war festgestellt | |
worden, dass der Handschlag eine rein symbolische Funktion und keinerlei | |
rechtliche Wirkung hat. Das Nicht-Erteilen des Handschlags hat also | |
keinerlei Einschränkung für das Mandat zu Folge. | |
Erwarten Sie trotzdem Konsequenzen? | |
Es ist klar, dass da juristisch noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. | |
Zum einen, weil ich Widerspruch gegen Nichtzulassung der Revision beantragt | |
habe. Zum anderen gehe ich natürlich davon aus, dass auch die NPD sich | |
weitere juristische Schritte vorbehält. Dementsprechend ist absehbar, dass | |
die juristische Auseinandersetzung noch weitergeht. Meine sehr deutliche | |
Erwartung an den Gesetzgeber ist, dass man die Regelung aus der | |
Kommunalordnung entfernt, weil sie tatsächlich völlig überflüssig ist. | |
Diese Notwendigkeit sieht übrigens auch das Oberverwaltungsgericht. | |
Also war für Sie klar, dass Sie auch dieses Jahr der NPD nicht die Hand | |
reichen werden? | |
Dass ein Handschlag das falsche Signal wäre, hat sich aus meiner Sicht | |
sogar noch verstärkt: Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig die | |
Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt, ebenso, dass die Partei dem | |
Nationalsozialismus nahesteht. Karlsruhe spricht sogar wörtlich von einer | |
„Wesensverwandschaft mit dem Nationalsozialismus“. Sie ist zwar nicht | |
verfassungswidrig, aber verfassungsfeindlich. Verboten wurde die NPD damals | |
nur deshalb nicht, weil sie angeblich zu schwach und nicht systemgefährdend | |
sei. Dazu kommt, dass durch die aktuellen rechtsterroristischen Ereignisse | |
die Hürde für mich noch einmal höher war, mit einem Handschlag Normalität | |
herzustellen. Das war mir einfach nicht möglich. Ich finde es für mich | |
nicht zumutbar, Körperkontakt mit einem Nazi herzustellen, der durch und | |
durch mit jeder Pore Menschen verachtet. Da ist für mich ein Punkt | |
erreicht, an dem ich meine eigene Grenze ziehe. | |
Wo genau ist denn da die Grenze? Im Eisenacher Stadtrat sitzen ja auch 4 | |
AfD Rät*innen… | |
…die ich mit Handschlag verpflichtet habe. Die Grenze ziehe ich mit der | |
eindeutigen Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit. | |
Ist diese Grenze auch Thema im Umgang mit der NPD im Sitzungsalltag? | |
Mein Umgang mit der NPD ist insofern professionell, dass sie in ihrer | |
Arbeit selbstverständlich dieselben Rechte genießen wie die anderen | |
Stadträte auch. Sie bekommen von mir dieselben Informationen und | |
Berichtsvorlagen und haben dasselbe Fragerecht wie alle anderen. Ihre | |
Mitwirkungsrechte und -pflichten sind dieselben. Diese Gleichbehandlung ist | |
von meiner Seite aus natürlich gegeben. Das ist auch meine Pflicht, da | |
akzeptiere ich selbstverständlich klar den juristischen Rahmen. | |
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat getwittert, er verstehe ihre | |
Haltung gegenüber den NPD-Räten. Erfahren Sie auch sonst Unterstützung? | |
Sogar mehr, als ich erwartet hätte. Wenn ich durch die Stadt laufe, werde | |
ich von fremden Menschen angesprochen, die mir ausdrücklich dafür danken. | |
Natürlich gibt es auch einen Shitstorm auf manchen Facebookseiten, aber das | |
ist ja nicht überraschend. | |
Wie sieht es bei anderen Bürgermeister*innen aus? | |
2014 gab es noch vier andere Orte, in denen Bürgermeister NPD-Stadträte | |
ebenfalls nicht per Handschlag verpflichtet haben. Aktuell habe ich noch | |
keinen Überblick, zumal die NPD ja aus vielen Kommunalparlamenten | |
ausgeschieden ist. | |
28 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Lilly Schlagnitweit | |
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