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# taz.de -- Italien vor dem EM-Finale: Aus tiefster Tiefe
> Italiens Einzug ins Finale der Fußball-EM lässt sich als märchenhafte
> Verwandlung erzählen. Dabei hat sich so viel gar nicht geändert.
Bild: Mit Tempo in Richtung Finale: Italien hat bei dieser EM einen Lauf
Rom taz | Am 13. November 2017 lag Italien am Boden. Die Nationalelf
verpasste nach einer Auswärtsniederlage und einem torlosen Remis gegen
Schweden die Qualifikation zur WM in Russland. So etwas hatte es seit 1962
nicht mehr gegeben. Am 6. Juli 2021 [1][zieht Italien ins EM-Finale ein].
Zwischen jener traurigen Nacht in Mailand und dem Triumph von London hat
sich einiges verändert bei den Azzurri – auf und neben dem Platz: Roberto
Mancini hat das Traineramt übernommen, Weltmeister wie Daniele De Rossi und
Gigi Buffon sind zurückgetreten und mit Gabriele Gravina wurde ein neuer
Verbandspräsident gewählt.
Jetzt ist Italien seit 33 Spielen ungeschlagen und steht im EM-Finale gegen
England. Was noch erstaunlicher ist: Bis zur K.o.-Phase hat die Mannschaft
amüsanten, offensiven Fußball gespielt. Selbst im Weltmeisterjahr 2006 mit
Klassespielern wie Francesco Totti und Andrea Pirlo stand eher
Effektivität im Fokus als Schönheit. Und doch kann von einem echten Umbruch
nicht die Rede sein. Es sieht eher so aus, als hätten endlich alle
Puzzleteile ihren Platz gefunden: Der Trainer, die Spieler, die Stimmung –
und all das vor dem finsteren Hintergrund der verpassten WM 2018.
Roberto Mancini ist lange nicht mehr der Mann im grünen Pulli, der immer so
pikiert auf die Kritik an der langweiligen Spielweise reagiert hat, die
Inter Mailand seinerzeit unter ihm auf den Platz gebracht hat. Er hat sich
als Trainer weiterentwickelt, sowohl taktisch als auch im Umgang mit
Spielern und Betreuerstab.
Der ist wie eine Gruppe alter Freunde: Die Assistenten Attilio Lombardo und
Fausto Salsano sowie Teammanager Gianluca Vialli haben mit Mancini zusammen
für Sampdoria Genua gespielt. Daniele De Rossi, der erst Anfang 2020 seine
Laufbahn beendet hat, um beim Verband anzuheuern, hat schon als Spieler des
AS Rom seine Bewunderung für Mancinis Werk zum Ausdruck gebracht. Jetzt
gehört er zu dessen [2][Erfolgsteam].
Als Mancini das Amt antrat, fehlten der Mannschaft nicht nur die Stars. Es
mangelte auch an Selbstvertrauen und Popularität. Die pandemiebedingte
Verschiebung der EM hat es Mancini ermöglicht, geduldig zu bleiben. Er sah
sich eine Menge Spiele an und konnte durch seine Präsenz das Interesse der
Italiener an der Nationalelf langsam wieder wecken.
## Die Juventus-Abwehr ist immer dabei
Am Ende hat sich im Kader gar nicht so viel verändert. Eine Startelf ohne
das Juventus-Abwehrpärchen Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci ist immer
noch nicht vorstellbar – genauso wie ein Mittelfeld ohne Marco Verratti und
Jorginho. Ein Top-Stürmer steht Mancini derzeit nicht zur Verfügung.
Dafür setzt er auf das Talent von Lorenzo Insigne oder Federico Chiesa, die
eine gewisse Lust an Improvisation auf den Platz bringen. Italiens
Schlüsselspieler bei der EM war jedoch Linksverteidiger Leonardo
Spinazzola, dessen Schnelligkeit im Dribbling fast unwiderstehlich ist.
Gegen Belgien ist seine Achillessehne gerissen und im Halbfinale gegen
Spanien war zu sehen, wie viel die Mannschaft ohne ihn an Unberechenbarkeit
verliert.
Die vergnügliche Spielweise der Gruppenphase war übrigens schon im
Achtelfinale gegen Österreich verschwunden. „Italy turned into Italy“,
kommentierte Englands Ex-Internationaler Gary Lineker. Tatsächlich hat die
Mannschaft in der K.o.-Phase eher traditionell gewonnen: Konterspiel und
Defensive statt Ballbesitz und Dominanz. Anders als üblich war das aber
keine strategische Absicht, sondern eine Reaktion auf den Gegner. Die
Anpassungsfähigkeit ist wohl die wichtigste Eingenschaft, zu der Mancini
seinem Team verholfen hat.
Deren Erfolge bei der EM haben natürlich große Begeisterung im Land
ausgelöst, auch deshalb, weil sie so unerwartet kamen. Die Geschichte vom
Aufstieg aus tiefster Tiefe ist einfach zu schön. Ob sie mehr ist als eine
Art Sommerstimmung, ist ungewiss. Zu groß ist die Arbeitsmarktkrise, unter
der so viele Menschen zu leiden haben.
Für gesellschaftlichen Aufbruch steht das Team sowieso nicht. Auf dem Feld
mag sich etwas verändert haben, daneben aber nicht: Im Staff der
Nationalelf findet sich keine einzige Frau.
9 Jul 2021
## LINKS
[1] /Einzigartiges-EM-Halbfinale/!5780691
[2] /Auftakt-der-Fussball-EM-mit-Italien/!5774424
## AUTOREN
Valeria Meta
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Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Italien
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