# taz.de -- Intendant der Elbphilharmonie: „Ich habe ein Königreich“ | |
> In einem Jahr eröffnet das Sorgenkind Elbphilharmonie. Der seit 2007 | |
> amtierende Intendant Christoph Lieben-Seutter litt bei Pannen mit, bereut | |
> aber nichts. | |
Bild: Generalintendant Christoph Lieben-Seutter im Zuschauerraum der Laeiszhall… | |
taz: Herr Lieben-Seutter, wird die Elbphilharmonie je ein Haus für alle | |
sein? | |
Christoph Lieben-Seutter: Wird sie. Wir erwarten nicht nur auf der Plaza | |
Zigtausende Besucher, auch das Konzertprogramm ist breit gefächert und | |
zugänglich. Allerdings ist durch die horrenden Baukosten das Vorurteil | |
entstanden, dass die Eintrittskarten hochpreisig sein werden. Aber das eine | |
hat mit dem anderen nichts zu tun. Auch für hochkarätige Konzerte wird es | |
Karten zum Preis einer Kinokarte geben. | |
Akustisch ist die Elbphilharmonie für Klassik konzipiert. | |
Das stimmt, auch wenn sich der Klassik-Begriff längst stark erweitert hat; | |
Jazz ist Teil der klassischen Musik geworden, auch die Rolling Stones sind | |
längst Klassiker. Aber wenn Sie mit Klassik Werke meinen, die von | |
sogenannten klassischen Komponisten geschrieben wurden und auf den üblichen | |
akustischen Instrumenten gespielt werden: Dann wird das rund drei Viertel | |
der Elbphilharmonie-Bespielung ausmachen. | |
Das ist kein Programm für alle. | |
Ich stehe dazu, dass es in der Kultur Dinge gibt, die nicht jedem sofort | |
zugänglich sind. Und es ist klar, dass das, was wir anbieten, nicht | |
automatisch 90 Prozent der Bevölkerung in die Wiege gelegt ist. Nicht jeder | |
ist sofort dafür ausgerüstet, eine anderthalbstündige Mahler-Sinfonie zu | |
hören. Aber jeder kann es ausprobieren. Abgesehen davon: Minigolf spielt | |
auch nicht jeder. Deshalb ist er noch lange nicht elitär. | |
Apropos: Wurden die Kosten der Elbphilharmonie besonders scharf kritisiert, | |
weil sie ein Kulturbau ist? | |
Jein. Ich glaube, die exorbitanten Kosten wurden zu Recht kritisiert. Was | |
aber unfair ist: Die Elbphilharmonie kostet nicht deshalb eine dreiviertel | |
Milliarde Euro, weil sie ein Klassik-Konzerthaus ist. Sondern weil man auf | |
einen alten Kaispeicher ein spektakuläres, multifunktionales Gebäude | |
gesetzt hat, das auf Stützen steht und statisch schwierig ist. Teuer wird | |
das Ganze durch die architektonische Einzigartigkeit. Die bedeutet immer | |
auch ein Risiko. | |
Und wo stehen Sie persönlich? Sie sind jetzt neun Jahre im Amt – ein König | |
ohne Reich ... | |
Ich habe ein Königreich, wenn auch noch nicht das, für das ich gekommen | |
bin: Ich verantworte die Laeiszhalle und ein reichhaltiges Musikprogramm. | |
Ich habe hier ein Projekt, wie es kein zweites gibt auf der Welt – mit | |
allen Höhen und Tiefen. | |
Haben Sie nie an Kündigung gedacht? | |
Ein einziges Mal hatte ich eine Unsicherheit. Als 2008 die Bauskandale | |
hochkochten, dachte ich: Das liegt dermaßen im Argen, keiner kann mir | |
garantieren, wann das fertig wird, was mache ich hier eigentlich? Aber dann | |
habe ich für mich entschieden: Okay, die Elbphilharmonie ist | |
architektonisch, städtebaulich, künstlerisch ein absolut einmaliges | |
Projekt. Das ist viel mehr, als nur ein Konzerthaus zu führen, da will ich | |
bis zum Ende dabei sein. | |
Aber sind Sie nicht trotzdem zum Buhmann geworden, auf den die Skandale | |
abfärbten? | |
Am Anfang bin ich in Hamburg ja erst mal groß gefeiert worden, als der | |
tolle Musikmanager, der alles richtet. Als dann die Bauskandale losgingen, | |
hieß es plötzlich: „Und dieser Intendant, was macht der hier überhaupt, der | |
versteht Hamburg gar nicht.“ Da hab ich es auch mal abgekriegt. Inzwischen | |
bin ich lange genug hier, mache mit den Elbphilharmonie-Konzerten ein | |
erfolgreiches Programm und habe auch sonst in der Stadt ein sehr gutes | |
Standing. | |
Haben die Elbphilharmonie-Konzerte genug Abonnenten gebracht, die Sie mit | |
ins neue Haus nehmen können, dessen großer Saal 2.150 Leute fasst? | |
Nein, aber das macht mir keine grauen Haare. Wir haben mit über 2.000 die | |
meisten Abonnenten in Hamburg nach dem NDR und viele neue Konzertbesucher, | |
die keine Abos kaufen. Außerdem wird die Elbphilharmonie neuen Schwung | |
auslösen. In dieses attraktive Haus werden in den ersten Monaten | |
Zigtausende kommen. Auch ins Konzert, schon aus Neugier. Die spannende | |
Frage ist: Kommen die ein zweites Mal? | |
Werden Sie? | |
Touristen vielleicht nicht, aber es geht uns in erster Linie um Hamburg. | |
Die Elbphilharmonie wird nur dann ein nachhaltiger Erfolg, wenn sie von den | |
Hamburgern regelmäßig besucht wird. Wir müssen nicht nur künstlerisch | |
überzeugen, sondern auch vom Gesamteindruck her: Der Kartenkauf muss leicht | |
sein, die Verkehrsanbindung stimmen, der Pausen-Kaffee schmecken. | |
8 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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