# taz.de -- Informelle Siedlungen in der Stadt: Einfach schwimmen lassen | |
> Mitten in der Rummelsburger Bucht ankern derzeit bunt und ungeplant 15 | |
> Boote. Man hilft sich aus auf Lummerland, doch fürchtet man auch das | |
> Verbot. | |
Bild: Lummerland gibt's auch ohne Jim Knopf. | |
Bunt und ungeplant schwimmt die Siedlung auf der Spree in der Rummelsburger | |
Bucht. Boot an Boot schafft die Schiffsinsel etwas ganz Besonderes inmitten | |
der Stadt. „Um frei zu sein“, sagt Hausbootbesitzer Woody, sei er vor fünf | |
Jahren aufs Wasser gezogen. Die KapitänInnen der Schiffe unternehmen das | |
Wagnis, einen utopischen Freiraum jenseits gesellschaftlicher Normen auf | |
dem Wasser zu erschaffen. Piraterie auf der Spree – wenn es sie noch gibt, | |
gibt es sie hier. | |
Lummerland nennen sie ihre Bootssiedlung. Ihr gehören 15 Boote an. Mit der | |
ordentlichen Uferbebauung im Hintergrund sieht sie aus wie eine fiktive | |
Insel. So idyllisch es klingt, die Zukunft Lummerlands hängt nicht nur von | |
der Wasserschutzpolizei, sondern auch von AnwohnerInnen und PolitikerInnen | |
der anliegenden Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg ab. Auf | |
den Booten kursiert das Gerücht, dass das Ankern in der Bucht verboten | |
werden soll. Warum lässt man die Siedlung nicht einfach schwimmen? | |
Sieben Anker halten die Insel. Neben einem Segelschiff liegt ein kleines | |
aus Holz gebautes Schiffchen, das ausschließlich aus Blumen besteht – das | |
„Blumenbeetboot“. Man hilft sich aus auf Lummerland: Auf einem Boot gibt es | |
eine Dusche, auf dem anderen einen Fernseher, auf dem dritten einen Grill. | |
„Einmal am Tag wird für alle gegrillt“, sagt Kapitän Mike. Er ist vor ein… | |
Jahr aufs Wasser gezogen und hat neben Woody geankert. „Wir hatten das | |
nicht geplant, aber nach und nach kamen weitere Schiffe dazu“, sagt Woody. | |
So entstand Lummerland. | |
Für vorbeifahrende Tretboote und Touridampfer ist die Bootssiedlung ein | |
Spektakel; ständig werden Handykameras hochgehalten. „Manchmal fühlen wir | |
uns wie im Zoo“, sagt Mike und lacht. | |
Die Insel ist mit weiteren Hausbooten, die in der Bucht frei ankern, und | |
Schiffen, die an der Spundwand anlegen, gut vernetzt: In der | |
WhatsApp-Gruppe „Bootsfreunde Rummelsburg“ sind rund 40 Leute – auch | |
LandbewohnerInnen. So wird vor Unwetter gewarnt, informiert, wenn die | |
Kulturflöße „Wackelberry“ und „Anarche“ ein Floßkino oder eine | |
Demonstration veranstalten, und besprochen, ob ein Ankerverbot droht. | |
Ein Verbot wäre das Ende für viele BootsbesitzerInnen. „Bezahlbare | |
Liegeplätze gibt es erst wieder hinter Schöneweide“, sagt Martina von der | |
„Anarche“. Theaterprojekte mit Geflüchteten und andere Veranstaltungen, die | |
das „Anarche“-Kollektiv organisiert, wären dann nur noch schwer zu | |
realisieren. Die meisten Schiffe der Bucht sind zu unkonventionell, um in | |
einem der umliegenden Jachthäfen einen Liegeplatz zu bekommen. Die | |
Kulturflöße der Bucht haben sich daher unter dem Namen Spree:publik | |
zusammengeschlossen, um für einen stadtnahen Kulturhafen zu kämpfen. | |
Ein Ankerverbot sei nicht erforderlich, sagt Stefan Sühl vom Wasser- und | |
Schifffahrtsamt, der zuständigen Bundesbehörde. Da die Bucht Teil der | |
Bundeswasserstraßen ist, kann das Land Berlin den Bund lediglich um ein | |
Ankerverbot bitten, wenn Gründe wie Naturschutz angeführt werden. Das sei | |
bisher nicht passiert und auch nicht geplant, so Petra Rohland, | |
stellvertretende Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und | |
Umwelt. | |
Allerdings lagert auf dem Grund der Bucht jahrzehntealter Giftschlamm. | |
Durch das Ankern werde dieser aufgewirbelt, sagt ein Landbewohner, der | |
anonym bleiben will. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Freien | |
Universität hingegen sagt, dass die Boote „kaum Auswirkungen“ auf das | |
Giftproblem hätten. | |
„Wir wollen die Hausboote nicht vertreiben. Wir erkennen diese Lebensweise | |
an“, sagt Stefan Glücklich von der Initiative „Stralau gegen Lärm“, die | |
sich gegen laute Musik umliegender Clubs und Partyboote wehrt. | |
Ruhestörungen durch die Boote der Bucht sind ihm nicht bekannt, allerdings | |
seien die öffentlichen Mülleimer am Ufer überfüllt, und es werde vermutet, | |
dass Fäkalien im Wasser landen, so Glücklich. „Wir haben Trockenklos und | |
Abwasserkanister“ sagt Hausbootbesitzer Jan. Die werden in Jachthäfen | |
entleert oder von Entsorgungsfirmen abgeholt. | |
Am 3. September organisieren LandbewohnerInnen ein Fest an der | |
Uferpromenade. Es wird gemunkelt, dass einige Boote der Bucht involviert | |
werden, um sich gegenseitig besser kennenzulernen. Wahrscheinlich keine | |
schlechte Idee. | |
24 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Sophie Schmalz | |
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