# taz.de -- Inflation und Krieg: „Wir haben richtig viel zu tun“ | |
> Die Berliner Tafel eröffnet wegen der steigenden Nachfrage nach | |
> Lebensmitteln eine neue Ausgabestelle. | |
Bild: Alles wir teurer, auch das Einfachste | |
taz: Frau Trölsch, am Donnerstag eröffnet in Friedrichshain eine neue | |
Ausgabestelle für Lebensmittel von Laib und Seele, also der Berliner Tafel. | |
Wieso ist das nötig? | |
Antje Trölsch: Gerade jetzt ist der [1][Bedarf aufgrund des Krieges und der | |
Inflation sehr hoch]. Und auch grundsätzlich sind wir froh über jede – und | |
jede neue – Ausgabestelle. In diesem Fall hat eine Gemeinde, die bereits | |
mit der Berliner Tafel kooperiert, eine andere Gemeinde angesprochen. Die | |
waren von der Idee wohl sehr begeistert. | |
Wie sieht es bei den Ausgabestellen zurzeit aus? | |
Aktuell steigt die Zahl unserer Kund:innen wöchentlich. Das liegt an den | |
geflüchteten Personen aus der Ukraine und an den steigenden | |
Lebensmittelpreisen. Wir haben mit der Eröffnung am Donnerstag insgesamt 47 | |
Ausgabestellen. An manchen hat sich die Anzahl der Kund:innen in den | |
vergangenen Monaten verdoppelt. Damit wir niemanden mit leeren Händen nach | |
Hause schicken müssen, haben wir zusätzlich fünf Pop-up-Ausgabestellen | |
eröffnet. | |
Pop-up-Ausgabestellen? | |
Das sind provisorische Stellen, zu denen Menschen kommen können, die in | |
anderenorts leer ausgegangen sind. Die mussten wir jetzt kurzfristig | |
einrichten, weil die Zahlen so deutlich und so schnell gestiegen sind. | |
Wer darf sich bei Ihnen Lebensmittel abholen? | |
Zu uns kommen Menschen, die in irgendeiner Form finanziell bedürftig sind | |
und Transferleistungen beziehen. Dafür gibt es verschiedene Kriterien und | |
in der Regel zeigen die Menschen einen Bescheid vor, woraufhin sie ihre | |
Lebensmittel bei uns in Empfang nehmen können. Da [2][es dauert, bis | |
geflüchtete Menschen ein entsprechendes Papier haben], haben wir eine | |
Übergangsphase eingerichtet. Damit keine Lücke entsteht, gilt zurzeit der | |
ukrainische Pass bei uns als Kriterium. | |
Was bedeutet das für Sie, dass der Bedarf an Lebensmitteln so sehr steigt? | |
Prinzipiell ist es so: Wir verteilen das, was wir bekommen. Die Menge an | |
Lebensmitteln schwankt. Leider ist es in diesem Jahr so, dass neben dem | |
gestiegenen Bedarf auch das Angebot besonders gering war. | |
Woran liegt das? | |
Das haben mehrere Faktoren bedingt. Zum Beispiel die Beeinträchtigung der | |
Lieferketten durch Corona, der Kriegsbeginn in der Ukraine und eine | |
erneute Tendenz zum Hamstern. Für uns ist es immer sehr wichtig, auf eine | |
faire Verteilung zu achten. Aber auch die Solidarität zwischen unseren | |
Kund:innen ist wirklich groß. Allgemein nehmen sie die Situation mit sehr | |
viel Verständnis auf. | |
Welche Schwierigkeiten haben sich durch den gestiegenen Bedarf für Sie als | |
Koordinatorin und für die freiwilligen Helfer:innen ergeben? | |
Die Helfer:innen vor Ort haben richtig viel zu tun, um die Lebensmittel | |
so gerecht wie möglich zu verteilen. Die hängen sich da unglaublich rein, | |
um die Verteilungen für alle Personen zugänglich zu gestalten. Dabei | |
versuchen wir immer darauf zu achten, die Situation an der Eingangstür | |
bestmöglich zu entzerren. Dafür sind intelligente Wartesysteme notwendig. | |
Intelligente Wartesysteme? | |
Manche Ausgabestellen arbeiten etwa mit Farbgruppen. Es ist wichtig, | |
nachvollziehbar darzustellen, wie die Ausgabe mit Ruhe und Geduld | |
bestmöglich funktioniert. Auch die ganze Logistik dahinter wird | |
anspruchsvoller und fordert mehr Flexibilität. Wenn der Bedarf an einer | |
Ausgabestelle überhaupt nicht gedeckt werden kann, schicken wir manchmal | |
spontan einen Sprinter, der Lebensmittel vorbeibringt. | |
Braucht Laib und Seele langfristig weitere Ausgabestellen, um den Bedarf zu | |
decken? | |
Wir sind jetzt relativ lange mit 45 Ausgabestellen ausgekommen. Vor allem | |
in der östlichen Ecke von Berlin könnten wir aber noch weitere | |
Ausgabestellen gebrauchen. Denn die Stellen sollten für die Kund:innen | |
einfach zu Fuß erreichbar sein, sodass sie sich kein Ticket kaufen müssen. | |
Das ist ja genau die Idee dieser dezentralen Organisation, die auch für | |
eine kiezige Struktur in der Nachbarschaft sorgt. Was den gesamten Bedarf | |
angeht: Ja, ich rechne damit, dass wir langfristig weitere Stellen | |
brauchen. Es sieht nicht danach aus, als wären die Kund:innenzahlen | |
bald rückläufig. | |
Was würden Ihnen helfen, um Sie in der momentan schwierigen Situation zu | |
entlasten? | |
Von der Politik wünschen wir uns ein Gesetz nach dem französischen Vorbild. | |
Dieses verbietet es Märkten ab 400 Quadratmetern, Lebensmittel | |
wegzuschmeißen. Stattdessen müssen sie an karitative Einrichtungen | |
gespendet werden. Das wäre eine riesige Hilfe, denn neben dem Wunsch, bei | |
Bedürftigkeit zu helfen, ist auch Nachhaltigkeit ein Herzensthema der | |
Berliner Tafel. Was uns natürlich immer hilft, ist Geld. Wir finanzieren | |
unsere Arbeit ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Außerdem | |
helfen uns Lebensmittel oder Hygieneprodukte, die aktuell vor allem für die | |
Geflüchteten aus der Ukraine extrem hilfreich sind. | |
12 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Hoechste-Preissteigerung-seit-40-Jahren/!5854139 | |
[2] /Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5847134 | |
## AUTOREN | |
Moritz Martin | |
## TAGS | |
Inflation | |
Schwerpunkt Armut | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Rentenversicherung | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorschlag von Ökonomen: Höheres Rentenalter gegen Inflation? | |
Die Preise steigen und steigen. Mehrere Wirtschaftswissenschaftler schlagen | |
deshalb nun vor, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. | |
Höchste Preissteigerung seit 40 Jahren: Aprilinflation bei 7,4 Prozent | |
Vor allem Nahrungsmittel werden immer schneller immer teurer. Grund ist das | |
wegen Krieg und Lockdownfolgen sinkende Angebot. | |
Geflüchtete aus Ukraine mit Behinderung: „Sie landen schnell bei uns“ | |
Der Verein Die Sputniks kümmert sich um russischsprachige Familien mit | |
behinderten Kindern. Aktuell sind das vor allem aus der Ukraine | |
geflüchtete. | |
Geflüchtete aus der Ukraine: Es geht ums Ankommen | |
Sozialsenatorin Kipping (Linke) sieht Wendepunkt bei der Aufnahme von | |
Geflüchteten. Mehr als „Akuthilfe“ sei jetzt langfristige Integration | |
wichtig. |