# taz.de -- Immigrationsgesetz in Frankreich: Schlappe für Macrons Regierung | |
> Die Nationalversammlung in Paris hat den Entwurf für ein | |
> Einwanderungsgesetz zurückgewiesen. Ein Antrag der Grünen wurde knapp | |
> angenommen. | |
Bild: Französischer Innenminister vor der Presse, ein Tag nachdem das Immigrat… | |
PARIS taz | Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung weigern | |
sich, über die Vorlage der Regierung [1][für neue Immigrations- und | |
Asylgesetze] zu debattieren. Mit einer knappen Mehrheit von 270 gegen 265 | |
Stimmen ist am Montagabend ein entsprechender Rückweisungsantrag der | |
Fraktion der Grünen mit den Stimmen aus allen Oppositionsparteien von links | |
und rechts angenommen worden. | |
Die aus sehr unterschiedlichen Gründen umstrittene Vorlage gilt damit als | |
abgelehnt. Zuvor war der Regierungsentwurf im mehrheitlich konservativen | |
Senat weitgehend modifiziert und verschärft worden. Dass nun die | |
Abgeordneten es schlicht ablehnen, überhaupt darüber zu diskutieren, | |
bedeutet für die Staatsführung eine schwere politische Niederlage und für | |
Innenminister Gérald Darmanin eine Demütigung. | |
Er hatte bis zuletzt gehofft, dass sein Text dank einiger Konzessionen von | |
den Konservativen der Partei Les Républicains (LR) unterstützt würde. Doch | |
die LR-Abgeordneten, wie auch jene des rechtsextremen Rassemblement | |
national (RN), kritisierten, die von Darmanin gewünschte Legalisierung von | |
Sans-Papiers in bestimmten Wirtschaftszweigen mit Personalmangel würde | |
einer neuen Einwanderung Tür und Tor öffnen. Die linken Abgeordneten stören | |
sich im Gegenteil an den verschärften Kontrollen. Und beiden Seiten war gar | |
kein Text lieber als die Vorgabe der Regierung. | |
Dass sich so eine „unheilige Allianz“ von ideologisch diametral | |
gegensätzlicher Gruppen gegen die Regierung gebildet hat, ist äußerst | |
ungewöhnlich in Frankreichs Parlamentsgeschichte und stellt ein großes | |
Problem für Staatspräsident Emmanuel Macron dar. Die Reform der | |
Immigrationspolitik war [2][eine seiner Prioritäten] der zweiten Amtszeit. | |
Und Innenminister Darmanin gedachte, sich mit einer Reform der | |
Immigrationspolitik so als möglicher Kandidat für die Nachfolge von Macron | |
zu profilieren. Stattdessen hat er nun noch am Abend bei einer Unterredung | |
im Elysée-Palast dem Präsidenten seinen Rücktritt angeboten, was dieser | |
jedoch abgelehnt hat. Später traf sich das Ministerkabinett zu einer | |
Krisensitzung. | |
## Kabinett ohne Mehrheit in der Nationalversammlung | |
Der überraschende Erfolg der für dieses Mal vereinten Opposition | |
verdeutlicht, dass das Kabinett von [3][Premierministerin Elisabeth Borne] | |
in der Nationalversammlung über keine Mehrheit verfügt. Das ist zwar schon | |
seit den letzten Wahlen von 2022 der Fall, konnte aber bisher bei | |
zahlreichen Abstimmungen noch kaschiert werden, weil ein Teil der | |
Opposition sich jeweils entweder enthalten oder für Regierungsanträge | |
votiert hatte, in anderen Fällen musste die Regierung zum | |
Verfassungsartikel 49.3 greifen, der es ihr (in ziemlich undemokratischer | |
Weise) erlaubt, eine Vorlage ohne Votum für angenommen zu erklären. | |
Diese Abkürzung des 49.3 kam für Darmanin in dem Fall ausdrücklich nicht | |
infrage. Gegen den unerwarteten Zangenangriff von links und rechts war er | |
machtlos. Die Folge: In ersten Kommentaren am Fernsehen war von einer | |
schweren politischen Krise die Rede. Da es sich beim Votum jedoch nicht um | |
eine formelle Misstrauensabstimmung handelte, ist die Regierung nicht | |
gezwungen zurückzutreten. | |
## Regierung such nach einem Ausweg aus der Sackgasse | |
Die französische Staatsführung versucht, nach ihrer Niederlage in der | |
Nationalversammlung für ihre Vorlage einer neuen Immigrationsgesetzgebung | |
einen Weg aus der Sackgasse zu finden. Die gemischte Paritätische | |
Kommission (7 Senatoren, 7 Abgeordnete) soll darum einen „gemeinsamen“ Text | |
ausarbeiten, der dann dem Senat und der Nationalversammlung zur Abstimmung | |
unterbreitet werden könnte. | |
Ganz so einfach ist dies aber nicht: Diese Kommission ist politisch | |
mehrheitlich konservativ. Das Ergebnis der Diskussion könnte darum eine | |
verschärfte Version sein, die anschließend auch von einem Teil der | |
Macronisten und von der gesamten Linken in der Nationalversammlung nicht | |
akzeptiert wird. Und am Ende könnte sich dann bloß erneut eine Situation | |
ergeben, die belegt, dass Macron für seine Politik und deren Umsetzung | |
keine Mehrheit hat. Als Staatschef könnte Macron allerdings die | |
Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ausschreiben. | |
12 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Senat-fuer-haertere-Immigrationsgesetze/!5973168 | |
[2] /Algerisch-franzoesisches-Abkommen/!5978670 | |
[3] /Neue-Regierungschefin-in-Frankreich/!5855447 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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