# taz.de -- Immigranten in Spanien: Selbst als Tagelöhner zu teuer | |
> Vor zehn Jahren machte El Ejido in der Provinz Almeria Schlagzeilen wegen | |
> der Hatz auf Immigranten. Geblieben sind sie dennoch. Nur haben sie heute | |
> keine Arbeit mehr. | |
Bild: Hoffen auf die Aufenthaltsgenehmigung: Immigranten in Spanien. | |
MADRID taz | Auf dem "Bulevard" in El Ejido liegen Glanz und Elend eng | |
beisammen. In der Ortsmitte zieren Banken und Sparkassen aus allen Regionen | |
Spaniens die Hauptstraße. Geschäfte bieten zum Kauf, was sonst nur in | |
großen Städten zu finden ist. Doch oben, dort wo der "Bulevard" den Ort | |
Richtung Autobahn verlässt, sieht es ganz anders aus. | |
Im Morgengrauen warten Dutzende Immigranten, für einen Tag angeheuert zu | |
werden, um in den Folienzelten zu arbeiten, die halb Europa mit Gemüse | |
versorgen. "Seit Monaten hält kaum mehr ein Lieferwagen", beklagen sie | |
sich, egal ob sie aus Osteuropa, dem Maghreb oder Schwarzafrika kommen. | |
Spanien steckt in der Krise. Und die macht auch vor El Ejido und seinen | |
Immigranten nicht halt. | |
Der karge Landstrich in der Provinz Almería in Südspanien sieht aus, als | |
hätte Verpackungskünstler Cristo zugeschlagen. Knapp 40.000 Hektar | |
verschwanden in den letzten 30 Jahren im Küstenstreifen am Mittelmeer unter | |
Folienzelten. Wasser aus Tiefbrunnen und das gute Wetter ermöglichen das | |
ganze Jahr über Rekordernten. Kein Markt, kein Discounter in Europa, der | |
ohne das Gemüse aus Almería auskommt. Tausende Tonnen Tomaten, Gurken, | |
Zucchinis oder Auberginen werden hier täglich geerntet, verpackt und per | |
Lkw in den Norden verfrachtet. Viele der Immigranten, denen die Einreise | |
nach Spanien ohne Papiere gelungen ist, landen hier. | |
El Ejido geriet vor zehn Jahren erstmals in die internationalen | |
Schlagzeilen. Im Frühjahr 2000 machten die Bewohner der 80.000 Köpfe | |
zählenden Gemeinde mit Knüppeln, Baseballschlägern und Schrotflinten Jagd | |
auf Marokkaner, nachdem ein psychisch kranker Immigrant ein Mädchen aus dem | |
Dorf ermordet hatte. Über 70 Nordafrikaner wurden damals zum Teil schwer | |
verletzt. Von rund 700 Anzeigen nach dem Pogrom führte keine einzige zum | |
Prozess. | |
Längst ist El Ejido aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch geändert hat | |
sich wenig. "Durch die Wirtschaftskrise hat sich die Lage der Immigranten | |
sogar noch verschlechtert", erklärt Spitou Mendy von der | |
Landarbeitergewerkschaft SOC. Der Senegalese besucht regelmäßig die im | |
Plastikmeer Gestrandeten in ihren improvisierten Unterkünften mitten in der | |
Folienlandschaft. Die Ärmsten der Armen besetzen leerstehende | |
Geräteschuppen oder zimmern sich aus Folien und Holz Hütten zusammen. | |
Wasser und Strom werden illegal angezapft. Eigentlich sollten die | |
Immigranten besser bezahlt werden, auch neue Unterkünfte sollten entstehen. | |
Denn nach dem Pogrom und einem mehrtägigen Generalstreik hatte die | |
Gewerkschaft ein entsprechendes Abkommen mit der Unternehmern erzielt. | |
"Keine einzige Zusage ist umgesetzt worden", beschwert sich Mendy. | |
"Ich habe seit sechs Monaten keinen einzigen Tag mehr gearbeitet", | |
berichtet ein junger Marokkaner aus Kenitra. Seit die Bauindustrie | |
zusammengebrochen ist und der Tourismus in der Flaute steckt, sind in | |
Almería 25 Prozent arbeitslos, 5 Prozent mehr als in ganz Spanien. Wie so | |
viele hier lebt der junge Nordafrikaner von der Hilfe seiner Landsleute. | |
Außerdem bezieht er Geld von seinen Eltern aus Marokko. Warum er dann immer | |
noch da ist? "Ich will drei Jahre durchhalten und dann Papiere beantragen. | |
Dann wird alles besser", erklärt er. Laut spanischem Gesetz erhält | |
derjenige eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung, der "Verwurzelung" im | |
Lande nachweisen kann. | |
"Ich kann es mir nicht erlauben, jemanden zu beschäftigen", erklärt | |
Jungbauer Francisco. Er besitzt zusammen mit seinem Vater zwei Hektar. | |
Großbauern gibt es hier kaum. Rund 27.000 Landwirte teilen sich die knapp | |
40.000 Hektar. 60 Prozent sind in Genossenschaften organisiert. Diese | |
verkaufen direkt an Großkunden überall in Europa. Der Rest bringt die | |
Produkte zu täglichen Versteigerung. Beim Gewinn macht dies allerdings nur | |
wenig Unterschied. "Das Geschäft läuft dieses Jahr ganz schlecht", erklärt | |
Francisco, der sich selbst als Opfer des Systems sieht. Er bekommt im | |
Schnitt 50 bis 60 Cent pro Kilo Tomaten. "Um die Kosten zu decken, bräuchte | |
ich 70 Cent." Immer öfter müssen Familienmitglieder als Erntehelfer | |
herhalten. Denn selbst die ausländischen Tagelöhner, die 37 Euro am Tag | |
erhalten, sind zu teuer. | |
30 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
Reiner Wandler | |
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