# taz.de -- IG Metaller bei Volkswagen: VW-Betriebsrat regiert durch | |
> Beim weltgrößten Autobauer geht wenig ohne das Okay der IG Metall. Auch | |
> bei der jüngsten Personalrochade haben Betriebsräte kräftig mitgemischt. | |
Bild: Ganz schön viel Macht: Betriebsratschef Bernd Osterloh bei einem VW-Warn… | |
BERLIN rtr/taz | Eigentlich sinkt in Deutschland der Einfluss von | |
Arbeitnehmervertretern kontinuierlich. Allein 2017 haben die acht | |
DGB-Gewerkschaften 50.000 Mitglieder eingebüßt, derzeit gibt es noch knapp | |
sechs Millionen Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland. Bei VW ticken die | |
Uhren anders. Ohne die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter von der IG | |
Metall geht bei Volkswagen mit seinen weltweit rund 600.000 Beschäftigten | |
nichts. | |
Auch die neue Konzernstruktur und der Wechsel an der Spitze von Matthias | |
Müller zu [1][Herbert Diess] brauchte das Placet des Betriebsrats. „Volle | |
Unterstützung“ und „der Richtige an Bord“ lobte Betriebsratschef Bernd | |
Osterloh denn auch am Freitag in einem Brief an die Mitarbeiter – um | |
zugleich auf das oberste Prinzip zu pochen: „Bei uns sind | |
Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit gleichrangige | |
Unternehmensziele.“ | |
Der Einfluss des Betriebsrates ist so groß, dass er jetzt sogar einen | |
Vertreter aus seinen Reihen in den Posten des Personalvorstands hievte: Der | |
bisherige Betriebsrats-Generalsekretär Gunnar Kilian, ein enger Vertrauter | |
Osterlohs, wird künftig die Strategie des Konzerns mitbestimmen. Auch seine | |
Vorgänger waren Mitglieder der IG Metall, die bei VW besonders stark | |
vertreten ist. | |
Konzerninsider sagen, das sei Osterlohs Bedingung für das Nicken zur neuen | |
Struktur und zum neuen Konzernchef gewesen. Auch wenn sich Kilian mit dem | |
Wechsel von der Arbeitnehmer- auf die Arbeitgeberseite umstellen wird, | |
betrachten Betriebsräte ihn als Gegengewicht zu Diess. | |
## Neuer VW-Chef gilt als Gewerkschaftsfeind | |
Letzterer, 2015 von BMW nach Wolfsburg gewechselt, gilt als Kostenfresser – | |
und Gewerkschaftsfeind. Vor einem Jahr noch hatte er sich mit Osterloh eine | |
harte Auseinandersetzung über das Sparprogramm für die Marke VW geliefert. | |
Doch sie rauften sich zusammen. Die Sache sei „längst ausgeräumt“, schrieb | |
Osterloh ausdrücklich am Freitag nach der Sitzung des Aufsichtsrats, der | |
die neue Führungsstruktur beschlossen hatte. | |
Die starke Stellung des Betriebsrats kommt nicht von ungefähr. Das Land | |
Niedersachsen ist Anteilseigner bei Volkswagen und zieht bei Fragen zu | |
Arbeitsplätzen und Standorten mit den Arbeitnehmern oft an einem Strang – | |
die VW-Mitarbeiter sind schließlich auch Wähler. Im Aufsichtsrat stellen | |
die Arbeitnehmer wie in jeder AG die Hälfte der 20 Mitlieder und den | |
stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden. | |
Zusammen mit den zwei Vertretern von Niedersachsen können sie aber die | |
Mehrheit in dem Gremium bilden. In dem in Deutschland einmaligen VW-Gesetz | |
ist geregelt, dass das Land – mit 20 Prozent zweitgrößter VW-Eigner nach | |
den Familien Porsche und Piech – ein Vetorecht besitzt und wichtige | |
Entscheidungen blockieren kann. Zudem verlangt das VW-Gesetz für die | |
Errichtung und Verlagerung von Produktionsstätten eine | |
Zwei-Drittel-Mehrheit im Aufsichtsrat. Kein VW-Chef kann es sich daher | |
leisten, bei derart weitreichenden Entscheidungen gegen den Betriebsrat zu | |
agieren. | |
Der Grund dafür liegt in der Geschichte des Autobauers. Das VW-Werk in | |
Wolfsburg wurde von den Nazis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg mit Geldern | |
errichtet, die teilweise aus dem Vermögen der enteigneten Gewerkschaften | |
stammten. Dies und der Einsatz von Zwangsarbeitern bildete die finanzielle | |
Grundlage des Konzerns. Nach dem Krieg entschieden die Briten, in deren | |
Zuständigkeitsgebiet das Werk damals lag, VW in öffentliche Hände zu geben. | |
Eigner wurden zunächst der Bund und das Land Niedersachsen gemeinsam. | |
Später verkaufte die Bundesrepublik ihre Beteiligung, Niedersachsen | |
verringerte seinen Anteil. | |
An der Macht des Betriebsrats üben angelsächsisch geprägte Investoren immer | |
wieder Kritik, und auch so mancher Manager biss sich daran die Zähne aus. | |
Ein prominentes Opfer war einst Diess' Vorvorgänger als VW-Markenchef, | |
Wolfgang Bernhard. Der musste vor zehn Jahren seinen Hut nehmen, weil er | |
mit Produktionsverlagerungen drohte. | |
Doch es gibt auch Vorteile durch den Ausgleich der widerstrebenden | |
Interessen von Kapital und Arbeit – so sichert sich VW den Betriebsfrieden, | |
und in Krisen zogen beide Seiten an einem Strang: Als es VW Anfang der 90er | |
Jahre schlechtging, vereinbarte der damalige Vorstandschef Ferdinand Piech | |
mit der IG Metall die Vier-Tage-Woche – und verhinderte so | |
Massenentlassungen. Der unter Diess 2016 ausgehandelte „Zukunftspakt“ | |
ermöglichte es, bei der Kernmarke VW Kosten zu senken und die notorisch | |
niedrige Rendite zu verbessern. | |
Bei den VW-Mitarbeitern kann der Betriebsrat jedenfalls auf eine breite | |
Basis bauen: Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten in den deutschen | |
VW-Werken gehören der Gewerkschaft an. Bei den Betriebsratswahlen im März | |
erhielt die IG Metall 86 Prozent der Stimmen. | |
13 Apr 2018 | |
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