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# taz.de -- Historischer Streik in England: Assistenzärzte legen Arbeit nieder
> Sechs Tage lang soll der Streik dauern. Er werde erhebliche Auswirkungen
> auf fast alle Routinebehandlungen, sagt der britische Gesundheitsdienst.
Bild: Entschlossen: Die Mediziner fordern eine deutliche Lohnerhöhung
London afp/ap/dpa | In England hat der geplant längste Streik am Stück in
der 70-jährigen Geschichte des britischen Gesundheitsdienstes NHS begonnen:
In den englischen Krankenhäusern legten Assistenzärzte am Mittwochmorgen
ihre Arbeit nieder, ganze sechs Tage lang soll der Arbeitskampf dauern. Es
ist bereits der zweite Streik innerhalb von zwei Wochen in der seit Monaten
anhaltenden Tarifauseinandersetzung. Der medizinische Direktor des NHS,
Stephen Powis, rechnet mit „einem der schwierigsten Jahresanfänge“ in der
Geschichte des Gesundheitsdienstes.
Der Arbeitskampf fällt in eine der arbeitsreichsten Zeiten des Jahres.
Traditionell verzeichnet die NHS in den zwei Wochen nach Weihnachten einen
Anstieg von Einlieferungen in Krankenhäuser, da die Menschen ihre
Behandlung wegen der Festtage aufschieben. Zudem ist der Arbeitsdruck wegen
winterlicher Atemwegserkrankungen hoch. Der Streik werde „erhebliche
Auswirkungen auf fast alle Routinebehandlungen“ haben, erklärte der NHS.
Um zumindest die Notfälle abzudecken, müssen unter anderem Ärzte mit mehr
Berufserfahrung einspringen, die sich im vergangenen Jahr bereits im
Tarifstreit mit NHS geeinigt hatten. Auch Krankenschwestern und Pfleger
streikten und erreichten einen Abschluss, um die Belastung durch die
dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten abzufedern.
## Gesundheitsministerin warnt vor Auswirkungen
Vor einem Krankenhaus in London hielten streikende Mediziner Schilder hoch,
auf denen sie etwa eine bessere Finanzierung des NHS forderten. „Viele
Ärzte ziehen nach Australien, nicht nur wegen der Bezahlung, sondern auch,
weil die Work-Life-Balance besser ist“, sagte die 28-jährige Ärztin Georgia
Blackwell. „Andere Länder verstehen, dass Ärzte hier nicht angemessen
bezahlt werden und sie machen viel bessere Angebote“, sagte der
Medizinstudent Shivani Ganesh.
Assistenzärzte in England verdienen nach Angaben der Regierung in ihrem
ersten Berufsjahr etwa 32.000 Pfund (etwa 37.000 Euro). Der
Ärztegewerkschaft British Medical Association (BMA) zufolge sind die
Gehälter seit 2008 unter Berücksichtigung der Inflation um fast ein Viertel
gesunken. Die Inflation in Großbritannien fiel in den vergangenen zwei
Jahren noch höher aus als in vielen anderen westlichen Staaten.
Gesundheitsministerin Victoria Atkins warnte vor den „ernsthaften“
Auswirkungen, die der Streik auf die Patienten habe. Mehr als 1,2 Millionen
Termine hätten seit dem Start des Arbeitskampfes verschoben werden müssen,
gab sie an. Im vergangenen Monat seien es 88.000 Termine gewesen. „Ich
fordere den Assistenzarzt-Ausschuss der BMA dazu auf, ihren Streik
abzusagen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, so dass wir eine
faire und vernünftige Lösung finden können, um die Streiks ein für allemal
zu beenden“, erklärte Atkins.
## „Streiks sind das einzige worauf die Regierung reagiert“
Gewerkschaftsvertreter Robert Laurenson hingegen sagte, dass Streiks das
einzige seien, worauf die britische Regierung reagiere. Er warnte, dass es
weitere Aktionen geben könne, wenn London kein „glaubwürdiges“ Angebot
vorlege.
In den Verhandlungen war der Gewerkschaft zufolge von der Regierung
zusätzlich zu einer bereits im Sommer vereinbarten durchschnittlichen
Gehaltserhöhung um 8,8 Prozent eine Steigerung der Löhne um drei Prozent
angeboten worden. Die BMA habe das Angebot mit dem Verweis auf eine
ungleichmäßige Verteilung auf die verschiedenen Arztgruppen abgelehnt und
argumentiert, dass das Angebot „für viele Ärzte immer noch eine
Gehaltskürzung bedeuten würde“.
In England hatte es im vergangenen Jahr bereits mehrere Streiks im
Gesundheitswesen gegeben, die zu verzögerten Behandlungen und abgesagten
Terminen für hunderttausende Patienten führten. Zuletzt hatten die
Assistenzärzte vor Weihnachten für drei Tage die Arbeit niedergelegt. Der
jahrelang unterfinanzierte NHS hat nach der Corona-Pandemie ohnehin einen
gigantischen Rückstand an Behandlungen aufzuarbeiten.
Die Gesundheitspolitik in Schottland, Wales und Nordirland ist Sache der
dortigen Regierungen, die britische Regierung in London ist nur für England
zuständig.
3 Jan 2024
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Streik
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Krankenpflege
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