# taz.de -- Hertha BSC und Lars Windhorst: Kapitulation des Wunderkinds | |
> Die 50+1 Regel hat bei Hertha BSC Schlimmeres verhindert. Die | |
> gegenseitige Geiselhaft, in der man sich nun befindet, ist indes auch | |
> nicht schön. | |
Bild: Wenn das so einfach wäre: Hertha und Windhorst werden noch eine Weile mi… | |
Der Kampf gegen die exzessive Kommerzialisierung des Fußballs wird in | |
Deutschland seit vielen Jahren mit besonders großer Leidenschaft geführt. | |
Als Schlüsselinstrument dafür gilt seit jeher der Erhalt der im Jahre 1998 | |
eingeführten 50+1 Regel, die verhindern soll, dass Investoren sich die | |
Stimmmehrheit in den Bundesligavereinen und die Verfügungsgewalt erkaufen | |
können. Etliche Akteure, insbesondere die organisierte Fanszene haben sich | |
in diesem Kampf große Verdienste erworben. Aber Ein Verein für | |
Spinnerniemand hat so plastisch, überzeugend und praxisnah veranschaulicht, | |
wie groß die Gefahr ist, die von Investoren für deutsche Profivereine | |
ausgeht wie Hertha BSC und der Unternehmer Lars Windhorst. | |
Am Mittwoch erklärte der einst als „Wunderkind der deutschen Wirtschaft“ | |
gefeierte Windhorst via Facebook die Kapitulation. Die Grundlagen für eine | |
Zusammenarbeit zwischen Hertha und seinem Unternehmen Tennor Group seien | |
zerstört, deshalb beende man das Engagement. Der Verein könne die Anteile | |
zum damaligen Einkaufspreis zurückkaufen. 374 Millionen Euro hatte | |
Windhorst im Sommer 2019 für knapp 65 Prozent an der Profiabteilung von | |
Hertha ausgegeben. Und das befähigte den Verein unter anderem dazu, in der | |
Wintertransferphase der Saison 2019/20 europaweit [1][das meiste Geld für | |
Spielereinkäufe zu verprassen] – angesichts des dauerhaften sportlichen | |
Stillstands an der Pforte zur zweiten Liga lässt sich das kaum anders | |
ausdrücken. | |
Natürlich kann man einwenden, ohne die 50+1-Regel hätte Windhorst Einfluss | |
darauf genommen, was mit seinem Geld gemacht wird und alles wäre besser | |
gelaufen. Ein genauerer Blick auf die Ereignisse der letzten Jahre lässt | |
aber eher vermuten, dass alles noch schlimmer gekommen wäre. Der nicht | |
geringe Einfluss, den Windhorst bereits geltend machen konnte, wirkte | |
sportlich verheerend. | |
Die Beförderung seines Vertrauensmanns im Aufsichtsrat zum Trainer von | |
Hertha, die kurze Ära von Jürgen Klinsmann also, in der auch die | |
überteuerten Verpflichtungen getätigt wurden, brachten dem Verein nur | |
Probleme. Auf ihre Kosten kamen lediglich die unbeteiligten | |
Beobachter:innen [2][ob der Schlammschlacht zwischen Klinsmann und dem | |
Verein]. Dass Windhorst danach auf den sportlichen Rat des exzentrisch | |
veranlagten Jens Lehmann setzte, hätte übel enden können. Ärgeres hat die | |
50+1 Regel verhindert. | |
## Bestimmen ohne Stimmen | |
Lars Windhorst hat die Kraft der 50+1 Regel indes unterschätzt. Er glaubte | |
offenbar, dank seiner gewaltigen Einlage unabhängig von einer | |
Stimmenmehrheit bei Hertha aus dem Hintergrund heraus bestimmen zu können. | |
Geradezu provokant erklärte er auf der letzten Mitgliederversammlung dem | |
Hertha-Wahlvolk, dass sie ihn ja nicht abwählen könnten und er noch lange | |
bleiben werde. | |
Wie wenig er vom Prinzip der Teilhabe in der deutschen Vereinskultur hält, | |
legt sein mutmaßlicher Versuch nahe, [3][mit Hilfe seines Geldes und einer | |
israelischen Firma] den Wahlkampf ums Hertha-Präsidentenamt zu manipulieren | |
und die Wiederwahl von Werner Gegenbauer zu verhindern. | |
Das Dilemma ist nun aber: Wer soll die Anteile von Windhorst, die längst | |
keine 374 Millionen Euro mehr wert sind, kaufen? Dafür kämen eigentlich nur | |
Spinner in Frage. Hertha BSC Berlin ist sowieso pleite. Investor und Verein | |
sind wohl wie bei 1860 München auf unabsehbare Zeit in gegenseitiger | |
Geiselhaft miteinander verbunden. | |
Dieses Szenario müsste jetzt dank Windhorst und Hertha abschreckend auf | |
alle Vereine und Investoren wirken. | |
6 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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