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# taz.de -- Guy Nattiv über seinen Golda-Meir-Film: „Die meistgehasste Frau …
> Im Jom-Kippur-Krieg war Israel am Rande der Vernichtung, mittendrin:
> Golda Meir. Guy Nattiv spricht über den Film „Golda“ und die Parallelen
> zu heute.
Bild: Goldas Enkel, Gideon Meir, bestand auf Helen Mirren als Darstellerin, wei…
Die ehemalige israelische Premierministerin Golda Meir und das Handeln
ihres Kabinetts während des Jom-Kippur-Krieges stehen im Mittelpunkt des
Films „Golda“ von Guy Nattiv, der nun in die deutschen Kinos kommt. Israel
gewann diesen Krieg zwar, stand jedoch am Rand der Vernichtung. „Golda“,
mit Helen Mirren in der Hauptrolle, konzentriert sich auf wenige Tage des
Kriegsgeschehens. Im Interview spricht Nattiv offen über die
Herausforderungen bei der Produktion, die Parallelen des Krieges 1973 zum
Geschehen am 7. Oktober und den grassierenden Antisemitismus in den USA,
der weit über Israelkritik hinausgeht.
wochentaz: Herr Nattiv, Ihr neuer Film „Golda“ handelt vom
[1][Jom-Kippur-Krieg] und dem Handeln der Premierministerin Golda Meir. Der
Krieg jährte sich am 7. Oktober 2023 fast auf den Tag genau zum 50. Mal.
Sehen Sie Parallelen zwischen damals und heute?
Gury Nattiv: Die Blindheit und der Hochmut der israelischen Regierung sind
auffallend ähnlich. Golda Meirs Regierung erkannte nicht, dass der
ägyptische Präsident as-Sadat zum Frieden bereit war. Sein Angebot lehnte
sie ab, da sie ihm nicht glauben wollte. Meir war in gewisser Weise eine
Refusenik. Die aktuelle Regierung unter Bibi ist sogar noch illusorischer.
Er ignorierte die Palästinenser und wollte das Justizsystem schwächen. Die
tragischen Parallelen sind offensichtlich. Zwei Monate vor dem 7. Oktober
feierten wir Premiere in Jerusalem. Ich sagte damals, so etwas könne nie
wieder passieren, und dann geschah es doch. Dieser Zyklus der Blindheit und
des Nichtlernens aus vergangenen Fehlern setzt sich fort.
Was hat Sie an dem Thema und an der Person Meir ursprünglich fasziniert?
Nun, wissen Sie, Golda war in Israel Persona non grata, weil sie nach dem
Debakel von 1973 die Verantwortung übernahm und zurücktrat. Es gab keine
Straße, keine Parks oder auch nur eine Schule, die nach ihr benannt war.
Ich wurde 1973 während des Krieges geboren. Meine Mutter nahm mich als Baby
mit in einen Schutzraum. Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass Golda
nur ein Gesicht auf einem Hundert-Schekel-Schein war. Es waren immer nur
die Männer, die durch Straßennamen glorifiziert wurden, und sie war das
Gesicht des Scheiterns.
Wann hat sich Ihr Bild von der ehemaligen Premierministerin gewandelt?
Als die Protokolle von 1973 aus dem War Room und viele andere Dokumente
veröffentlicht wurden. Aus ihnen ging hervor, dass sie nicht die Einzige
war, die für dieses Debakel verantwortlich war. Auch ihre Kommandanten
waren schuld, aufgrund ihres Hochmuts; sie dachten, sie seien unbesiegbar.
Golda wurde als das Gesicht des Scheiterns gesehen, aber in Wirklichkeit
übernahm sie Verantwortung und starb mit dieser Last.
In dem Film porträtiert die Schauspielerin Helen Mirren die
Premierministerin. War sie von Anfang an für die Rolle vorgesehen?
Als ich zu dem Projekt hinzukam, war Helen bereits an Bord. Es war
ursprünglich ein Amazon-Projekt, ein großer 80-Millionen-Dollar-Kriegsfilm
wie „Saving Private Ryan“, wobei ein großer Teil auf die Kriegsszenen
entfallen sollte, ähnlich wie bei „Im Westen nichts Neues.“ Doch dann kam
die Pandemie und wir verloren unser Budget.
Aber trotz aller Schwierigkeiten blieb Helen Mirren dem Projekt verbunden.
Helen war noch immer an das Projekt gebunden. Ich erfuhr, dass Goldas
Enkel, Gideon Meir, auf Helen als Darstellerin bestand, weil sie seiner
Großmutter so ähnlich sehe. Als Helen und ich uns bei mir zu Hause trafen,
erzählte sie mir, dass sie in den frühen sechziger Jahren in Israel gelebt
hatte, einige Zeit in einem Kibbuz. Diese Erfahrung war für sie
unvergesslich.
Der Film zeigt die immense Schlagfertigkeit von Meir. Was zeichnete ihr
Charisma insgesamt aus?
Golda wollte ursprünglich gar nicht Premierministerin werden; sie wurde von
ihrem politischen Umfeld dazu gedrängt. Sie war eine großartige, witzige
Staatsfrau, die mich sehr an Hillary Clinton erinnerte. Sie hatte starke
Beziehungen zu den Menschen, wusste, wie sie die Amerikaner durch ihre
Großmütterlichkeit erweichen konnte, und war sehr bescheiden. Sie kümmerte
sich nicht um Geld, hatte kein großes Ego. Die Leute liebten ihre
Menschlichkeit und sie nutzte Humor. Ihr amerikanischer Hintergrund half
ihr, die Amerikaner zu verstehen und sich mit ihnen zu identifizieren.
Sie haben sich entschieden, den Film auf nur wenige Tage des Krieges 1973
zu konzentrieren. Warum war Ihnen das so wichtig?
Nun, es war nicht mein Drehbuch. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich
es breiter angelegt. Budgetbeschränkungen haben uns eingeschränkt. Eine
Miniserie wäre ideal gewesen, um Goldas Leben abzudecken, ähnlich wie
„Chernobyl“. Wenn es nach mir ginge, hätte ich auch die ägyptische Seite
gezeigt, aber wir hatten ein sehr kleines Budget.
Gibt es einen Unterschied in der Einschätzung des Erbes von Golda Meir in
Israel und außerhalb des Landes?
Ja, es gibt einen signifikanten Unterschied. Vor dem Film war Golda die
meistgehasste Frau in Israel. In den USA waren die Menschen verzeihender,
sie sahen sie als tragische Heldin. Der Film hat die Augen der Menschen in
Israel geöffnet, und jetzt gibt es mehr Anerkennung für sie. Menschen
ziehen Vergleiche zwischen ihren Reaktionen und denen der aktuellen
Führung, was die Wahrnehmung ihres Erbes ausgeglichener macht.
Ihr Film wurde lange vor dem 7. Oktober fertiggestellt. Würden Sie im
Nachhinein etwas daran ändern?
Ich würde die Ereignisse zeigen, die zum Krieg 1973 geführt haben, und
auch, wie Golda Meir Verantwortung übernahm und zurücktrat und wie dieser
schreckliche Krieg schließlich zum Frieden führte. Meine Hoffnung ist, dass
nach dem aktuellen Krieg neue Politiker auf beiden Seiten auftauchen, die
einen Neuanfang schaffen.
Wie haben Sie am 7. Oktober von den Attentaten erfahren?
Ich war gerade beim Abendessen mit [2][Florian Zeller, dem Regisseur von
„The Father“]. Plötzlich erhielt ich Nachrichten auf WhatsApp. Zwei Wochen
später war ich auf einem Flug nach Israel und besuchte Kibbuzim und die
betroffenen Gebiete.
Wie beurteilen Sie die Reaktionen nach dem 7. Oktober in den USA, wo Sie
leben? Es gibt antiisraelische Proteste auf den Universitätsgeländen. Wie
fühlt sich das für Sie als Israeli an?
Es ist nicht nur als Israeli, sondern auch als jüdische Person
erschreckend. Es gibt gerade viel Antisemitismus, vermischt mit
antiisraelischen Äußerungen. Proteste gegen die Regierungspolitik sind
legitim, aber die Angriffe auf Juden sind alarmierend. Sie verbreiten sich
wie ein Feuer. Zwei Wochen nach dem 7. Oktober versuchte vier Straßen von
meinem Wohnort entfernt ein Verrückter in das Haus eines Rabbiners
einzudringen und schrie um 4 Uhr morgens: „Free Palestine“. Dabei erinnere
ich mich an die Angst meines Großvaters in Polen während der deutschen
Invasion. Es ist beängstigend, das in den USA zu erleben, besonders mit
meinen Kindern, die Hebräisch sprechen.
Wie erklären Sie sich dieses „Feuer“, wie Sie es beschreiben?
Die protestierenden Studenten sind teilweise durch TikTok und die dortigen
Narrative gehirngewaschen. Ich habe Mitgefühl für das Leiden der
Palästinenser, aber die Leute scheinen den 7. Oktober zu vergessen. Es ist
aber ein Tag, der aufgrund seiner Schrecken nie aus dem Gedächtnis gelöscht
werden darf. Wir Juden müssen aber auch Mitgefühl für die Situation in Gaza
haben. Ich bin linksorientiert und empfinde Mitgefühl für das Leiden beider
Seiten. Wir müssen den Schmerz beider Nationen anerkennen.
Gibt es etwas, das das Publikum aus Ihrem Film mitnehmen könnte,
insbesondere im Hinblick auf Golda Meirs Leben und die Relevanz des
Krieges von 1973 für die Gegenwart?
Wir brauchen mehr Frauen in der Politik. Die Führung der Männer, die von
Ego und Aggression getrieben wird, funktioniert nicht. Frauen könnten mit
mehr Einfühlungsvermögen und Verständnis führen. Ich würde gerne Frauen
sehen, die sowohl die palästinensische als auch die israelische Bevölkerung
führen, was den Weg für Frieden ebnen könnte.
29 May 2024
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## AUTOREN
Chris Schinke
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