# taz.de -- Gesetzentwurf zu Kinderarbeit in Bolivien: Arbeit ja, aber nur mit … | |
> In Bolivien wollen Mädchen und Jungen arbeiten dürfen – aber zu | |
> ordentlichen Bedingungen und kombinierbar mit der Schule. Dafür legten | |
> sie jetzt einen Gesetzentwurf vor. | |
Bild: Hier gibt es erst seit kurzem keine Kinderarbeit mehr: bolivianische Zuck… | |
BERLIN taz | Ihre Vorstellungen sind schlicht: nicht länger diskriminiert | |
zu werden, gleiche Rechte und gleichen Lohn wie erwachsene Arbeitnehmer, | |
zur Schule gehen können. Um das zu erreichen, haben arbeitende Kinder in | |
Bolivien einen Gesetzentwurf vorgelegt. Darauf weist die | |
Kinderrechtsorganisation EuropaNats anlässlich des Internationalen Tags der | |
arbeitenden Kinder am Freitag hin. | |
Fast die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre. | |
Nach Schätzungen verschiedener UN-Organisationen arbeitete im Jahr 2005 | |
jeder fünfte Neunjährige, saß in der Regel aber zugleich auch täglich im | |
Klassenzimmer. Ein Mehrschichtbetrieb der Schulen macht das in den meisten | |
Fällen möglich. | |
Experten gehen davon aus, dass der Anteil wirtschaftlich aktiver Mädchen | |
und Jungen in den vergangenen Jahren weiter gewachsen ist. "Die | |
Arbeitsgesetzgebung regelt bisher nur die Erwerbstätigkeit von Jugendlichen | |
ab 14 Jahren. Es ist dringend nötig, sich auch um den Schutz der jüngeren | |
arbeitenden Kinder zu kümmern", sagt der 18-jährige Ernesto Copa Cruz aus | |
Potosi, der seit seinem zehnten Lebensjahr Geld verdient und von den | |
Delegierten der Union arbeitender Kinder und Jugendlicher (UNATSBO) zum | |
Sprecher gewählt wurde. | |
Die Organisation ist ein Zusammenschluss von bolivianischen | |
Selbsthilfegruppen, die sich seit den 80er Jahren zunächst sporadisch | |
gebildet hatten und heute in vielen Landesteilen existieren. Vor allem in | |
den Bergwerksregionen und im informellen Sektor der Städte ist die UNATSBO | |
verankert, auf dem Land aber nur relativ schwach vertreten. | |
Ermutigt durch die neue bolivianische Verfassung, die Anfang 2009 in Kraft | |
trat und kein generelles Kinderarbeitsverbot mehr vorsieht, hat die UNATSBO | |
vor zwei Jahren eine Umfrage initiiert. Unterstützt von "terre des hommes" | |
und "Save the children" organisierte sie regionale Treffen, auf denen die | |
Mädchen und Jungen diskutierten, was alles in ein Gesetz hinein sollte. | |
Delegierte trugen die Ergebnisse dann Ende 2010 zusammen und formulierten | |
mit Hilfe eines Rechtsanwalts den Gesetzesvorschlag. | |
## Boliviens Kabinett ist gespalten | |
Bereits mehrere Bürgermeister und Parlamentsabgeordnete haben ihre | |
Unterstützung signalisiert. Präsident Evo Morales, den eine UNATSBO-Gruppe | |
bei seinem Besuch in Tarija abfing, hat sich indessen noch nicht geäußert. | |
Sein Kabinett ist in dieser Frage gespalten. Während der Außenminister sich | |
positiv zu dem Vorschlag der Kinder verhält, will sein Kollege aus dem | |
Arbeitsministerium nichts davon wissen. Schließlich hängt sein Haushalt zu | |
einem erheblichen Teil von internationalen Unterstützungszahlungen ab. | |
Viele US-Stiftungen lehnen Kinderarbeit strikt ab und halten offizielle | |
Verbote für eine unabdingbare Voraussetzung für ihre Zuzahlungen. | |
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO, die vor ein paar Jahren bereits | |
das Ende der Kinderarbeit "zum Greifen nah" sah, konzentriert sich zwar | |
inzwischen auf ein Verbot der "schlimmsten Formen der Kinderarbeit". | |
Darunter fasst sie neben Prostitution und Sklaverei auch den Einsatz in | |
bewaffneten Konflikten und Drogenhandel. Doch auch sie hält weiter an einem | |
allgemeinen Verbot der Kinderarbeit fest und zählt den internationalen | |
Vertrag aus dem Jahr 1973 zu den sogenannten acht Kernarbeitsnormen. | |
"Da wird auch in Bolivien viel Druck von der ILO gemacht", berichtete der | |
UNATSBO-Delegierte José Guillermo auf einem internationalen Treffen der | |
arbeitenden Kinder in Venezuela. Peter Strack, Leiter des Andenbüros von | |
terre des hommes, gibt zu bedenken: "Arbeit ist in Bolivien oft die | |
Bedingung, damit die Kinder andere Rechte wahrnehmen können: Das Recht sich | |
zu ernähren und zur Schule zu gehen." | |
9 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Morales erzürnt Menschenrechtler: Staatliche Attacke auf Menschenrechte | |
Boliviens Staatschef fordert auf der Versammlung der Organisation | |
Amerikanischer Staaten eine „Neugründung“ und stellt die | |
Menschenrechtskommission in Frage. | |
Bolivien verstaatlicht Stromfirma: Armee soll Kontrolle übernehmen | |
Präsident Morales verstaatlicht die spanische Stromfirma TDE. Der Ölmulti | |
Repsol soll nichts zu befürchten haben. Verstaatlichungen am 1. Mai haben | |
Tradition. | |
Kindheit in Bolivien: In der Schule des Verbrechens | |
Antony Guzmán ist zehn, er hat nichts verbrochen. Trotzdem wächst er im | |
Knast mit Vergewaltigern und Mördern auf. Ein Besuch in einem | |
Gefängnisdorf. | |
Spielfilm über Indígenas: Man könnte glatt wehmütig werden | |
"Und dann der Regen" von Icíar Bollaín erforscht die Unterdrückung der | |
Indígenas heute und vor 500 Jahren. Doch die Figuren leiden unter | |
eindimensionaler Darstellung. | |
Menschenrechtsverletzung in Usbekistan: Textilabkommen auf Eis gelegt | |
Das Europaparlament stimmt einem Handelsvertrag mit Usbekistan nicht zu. Im | |
Zentrum der Kritik steht Kinderarbeit. Das Nein aus Brüssel stellt einen | |
Präzedenzfall dar. | |
Kinderarbeit weltweit: Verlorene Kindheit | |
Rund 215 Millionen Minderjährige müssen arbeiten. In Indien und Bangladesch | |
ist der Anteil am höchsten. Insgesamt gibt es 71 Staaten, in denen Kinder | |
arbeiten müssen. | |
Usbekische Diktatorentochter Karimowa: Laufsteg der Menschenrechte | |
Die usbekische Diktatorentochter Gulnara Karimowa darf ihre Kollektion | |
nicht auf der Fashion Week präsentieren – wegen Menschenrechtsverletzungen. | |
Importierte Armut: "Die Löhne sind sehr niedrig" | |
Vattenfall will Holz aus Liberia für seine Kraftwerke in Berlin. Der | |
Mitarbeiter einer NGO vor Ort berichtet über Arbeitsbedingungen und die | |
Stromversorgung. | |
Dienstmädchen in Peru: Abschied von Waschzuber und Herd | |
Minderjährige arbeiten als Babysitter und in der Küche. Sie haben kaum eine | |
Perspektive. Nun beginnen peruanische Hausangestellte, für ihre Rechte zu | |
kämpfen. |