# taz.de -- Gericht verurteilt Fitnessstudio: Ablehnung war Diskriminierung | |
> Ausgegrenzt wegen des Nachnamens: Weil er eine Sinteza nicht trainieren | |
> ließ, muss ein Fitnessstudio-Besitzer aus Neumünster Schmerzensgeld | |
> zahlen. | |
Bild: Genug Platz und Geräte hätte es auch im Neumünsteraner Fitnessstudio g… | |
NEUMÜNSTER taz | Ja, es handelt sich um Diskriminierung: Das Amtsgericht | |
Neumünster verurteilte den Betreiber eines Fitnessstudios zu einer | |
Schmerzensgeld-Zahlung und gab damit der Neumünsteranerin Kelly Laubinger | |
recht. [1][Sie hatte vermutet], dass sie wegen ihres Nachnamens nicht | |
Mitglied in dem Studio werden durfte – Laubinger ist ein Name, den viele | |
Sinti tragen. Sie hofft, dass sich durch ihren jetzigen Sieg vor Gericht | |
andere ermutigt fühlen, gegen Ungleichbehandlung vorzugehen. | |
Nach der Urteilsverkündung ist Laubinger froh und erleichtert: „Nicht alle | |
Familienmitglieder waren begeistert, als ich beschlossen hatte zu klagen“, | |
sagt sie der taz. „Wir sind eh marginalisiert und ausgegrenzt, | |
Aufmerksamkeit können wir eigentlich nicht brauchen. Aber es hat sich | |
gezeigt, es war richtig.“ | |
Denn Richterin Antje Vogt folgte Laubingers Antrag in vollem Umfang: 1.000 | |
Euro Schmerzensgeld soll der Studiobetreiber Wolfgang B. zahlen. Hinzu | |
kommen rund 150 Euro für die Erstattung außergerichtlicher Vorkosten, | |
erklärte die Pressestelle des Gerichts. Laut dem Urteil sei Laubinger die | |
Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio „aufgrund ihrer ethnischen | |
Zugehörigkeit“ verweigert worden: „Es handelt sich damit um einen Verstoß | |
gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.“ | |
Passiert ist die Diskriminierung im Frühsommer 2021. Damals wollte die | |
Neumünsteranerin Mitglied im Studio „Muskelkater“ werden. Aber statt sie | |
aufzunehmen, hatte das Personal „Rücksprachebedarf“ und ließ sie warten, … | |
berichtete Laubinger bei der Verhandlung, die Ende Oktober vor dem | |
Amtsgericht Neumünster stattfand. | |
Am Ende wurde sie abgewiesen, angeblich wegen Corona-Einschränkungen. So | |
argumentierte Wolfgang B. auch vor Gericht: Aufgrund der Pandemiemaßnahmen | |
habe es „keinen unkontrollierten Zufluss“ geben können. Mehrfach sprach er | |
davon, dass er „Selektion“ betreiben musste – ein Wort, das für die | |
Zuhörenden im Saal, darunter viele Verwandte von Laubinger, schmerzhaft | |
war. Schließlich hat die Familie, wie viele Sinti, [2][während der NS-Zeit | |
gelitten], zahlreiche ihrer Mitglieder starben in KZs. | |
## Nicht-Sinti-Namen wurden akzeptiert | |
Gegen B.s Argumentation, dass nur Corona schuld sei, sprachen die Beweise, | |
die Laubinger und ihr Anwalt Martin Klingner vorlegten. So warb das Studio | |
in jenen Wochen in lokalen Zeitungen und im Netz um neue Mitglieder, bot | |
sogar Rabattaktionen und Schnupperkurse an. „Warum werben Sie, wenn Sie | |
Kunden dann abweisen müssen?“, fragte Richterin Vogt – eine schlüssige | |
Antwort gab es von B. nicht. | |
Zudem hatte Laubinger auf Rat des Antidiskriminierungsverbandes | |
Schleswig-Holstein Freundinnen mit Nicht-Sinti-Namen gebeten, sich zu | |
bewerben. Sie waren akzeptiert worden. Bereits bei der Verhandlung hatte | |
die Richterin angedeutet, sie sehe eine Diskriminierung. Das hat das Urteil | |
nun bestätigt. | |
„Ich freue mich sehr über dieses Zeichen“, sagt Laubinger. Ihr gehe es | |
darum, die „Spirale der Ausgrenzung“ zu beenden: „Mein Opa durfte nicht im | |
Sportverein mitmachen, mein Vater wurde vor Jahren bereits vom selben | |
Studio abgewiesen. Der nächsten Generation soll es besser gehen.“ | |
Sinti leben seit dem 15. Jahrhundert in Schleswig-Holstein. Der Landtag hat | |
die Minderheit 2012 in die Verfassung aufgenommen, sie zählt heute rund | |
6.000 Personen. | |
In einer vorherigen Fassung dieses Textes hatten wir irrtümlich | |
geschrieben, Wolfgang B. müssen eine „Strafe“ zahlen. Es handelt sich | |
jedoch im Zivilprozess um Schmerzensgeld. | |
18 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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