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# taz.de -- Gedenktag: Ein Feiertag, so still wie die Totenruhe
> Kann man der toten Soldaten gedenken, wenn die Sache, für die sie
> kämpften, diskreditiert ist? Ist es zynisch, am gleichen Tag an die Opfer
> zu erinnern?
Bild: Das Ehrenmal im Kieler Vorort Laboe wurde 1929 als Heldengedenkstätte de…
Am Sonntag ist Volkstrauertag, der Tag, an dem man der Toten von Krieg und
Gewaltherrschaft gedenkt. Es wird wie jedes Jahr eine Gedenkstunde im
Bundestag geben, die ARD überträgt sie live. Der Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge (VDK) hat eine Handreichung herausgegeben für alle
jene, die eine Rede halten müssen. Der Volkstrauertag ist ein stiller
Feiertag, was bedeutet, dass das Volk nicht alles tun darf, was sonst
erlaubt ist, zum Beispiel tanzen. Man könnte sagen, dass es auch sonst
still ist um diesen Tag, dass er für die meisten so unbedeutend ist, dass
man nicht dagegen protestiert, und da er auf einen Sonntag fällt, gefährdet
er auch nicht die Wirtschaftskraft. Man muss ein bisschen graben, um
Zweifler zu finden, Menschen, die finden, dass dieses Gedenken Gefahr
läuft, ein leeres Ritual zu werden. Menschen, die finden, dass dann der
Falschen gedacht wird.
Harald Schmid von der Bürgerstiftung schleswig-holsteinische Gedenkstätten,
das Erinnern ist sozusagen sein Beruf. Sogar wenn er im Urlaub ist, besucht
er die Gedenksteine und -tafeln in kleinen Dörfern, er nennt sie die
„Kapillaren“ des Erinnerns. Dann sieht er sich an, ob die Leute einen
Unterschied machen zwischen den toten Soldaten des ersten und des zweiten
Weltkriegs. Ob sie Abschied nahmen vom heroischen Heldengedenken oder ob
sie auf die alte Tafel von 1918 einfach die Namen der neuen Toten
dazuschrieben.
„Erinnerung ist nur begrenzt eine Folge der Vergangenheit“, sagt Harald
Schmid, und das ist es, was sie interessant und umkämpft macht. In der
jungen Bundesrepublik habe man lange versucht, die Wehrmachtssoldaten als
die Unschuldigen von den SS- und SA-Verbänden abzuheben, erst mit der
Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die
erstmals 1995 gezeigt wurde, habe man sich davon verabschieden müssen. Und
bis in die 70er-Jahre war das offizielle Gedenken am Volkstrauertag ein
staatsnahes Krieger- und Heldengedenken: Der Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge (VDK) habe vor allem der Kriegstoten gedacht und, wenn
überhaupt, in zweiter Linie der Opfer des nationalsozialistischen Regimes:
der Juden, Sinti und Roma, der Homosexuellen. Heute, sagt Harald Schmid,
gebe es einen Konsens vom Verein der Verfolgten des Naziregimes (VVN) bis
zum Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), dass nur eine umfassende
Erinnerung angemessen sein könne.
Es ist ein Konsens, auf den man lange gewartet hat, und nun, sagt Schmid,
wisse man nicht, wohin er führe. Er würde gern Unruhe in den Volkstrauertag
bringen – wohl wissend, dass Rituale träge sind –, etwa in jedem Jahr an
zwei Tagen im Wechsel an unterschiedliche Opfergruppen erinnern, etwa an
diejenigen, die ins Exil gegangen sind.
„Die Arbeit des VDK ist inzwischen sehr glaubwürdig“, Harald Schmid sagt
das fast widerstrebend, und wenn man in der Geschäftsstelle anruft und nach
der Falle leerer Rituale fragt, rennt man offene Türen ein. „Die Kritik an
leeren Ritualen ist berechtigt“, sagt der Pressesprecher, Fritz Kirchmeier,
„es gibt da eine gewisse Unbeholfenheit.“ Aber die Beteiligten wüssten eben
oft nicht, was tun, wenn nicht: Rede halten, Lied für den Toten Kameraden
singen und einen Kranz ablegen. „Es fehlt nicht an Experimenten“, sagt der
Sprecher: Schüler, die Diskussionen veranstalteten, Pfarrer, die nach Neuem
suchten, aber das setze sich nicht durch.
15 Nov 2013
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Pazifismus
Erinnerungskultur
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