# taz.de -- Freispruch für Hannovers Ex-OB Schostok: Nichts gewusst, trotzdem … | |
> Bei Stefan Schostok (SPD) sieht das Gericht keine Untreue zu Lasten der | |
> Stadt. Bei zwei seiner Ex-Mitarbeiter schon. | |
Bild: Stefan Schostok hat gut lachen: Der Ex-Oberbürgermeister wurde freigespr… | |
HANNOVER taz | Ein Freispruch für Hannovers Ex-Oberbürgermeister Stefan | |
Schostok (SPD), eine Geldstrafe von 20.400 Euro für seinen Ex-Büroleiter | |
Frank Herbert und eine Bewährungsstrafe von elf Monaten für den ehemaligen | |
Personaldezernenten Harald Härke – das sind die Strafen, die am Ende des | |
[1][Prozesses um Hannovers Rathausaffäre] stehen. | |
Vier Monate lang waren im Landgericht Hannover unter dem Vorsitz von | |
Richter Patrick Gerberding Whatsapp-Chats verlesen, Aktenvermerke | |
analysiert und Zeugen gehört worden. | |
In der juristischen Feinarbeit erschöpfte sich am Ende [2][eine | |
Skandalgeschichte, die in der Stadt monatelang für Kopfschütteln gesorgt | |
hatte]: Es begann mit einem Disziplinarverfahren gegen den | |
Personaldezernenten, der seiner Lebensgefährtin einen Job zuschanzen | |
wollte. Ging weiter mit vertraulichen Personalakten, die bei der Opposition | |
und der Presse landeten. Und endete nach monatelangen Querelen und | |
zeitweise bizarren öffentlichen Auftritten aller Beteiligten mit dem | |
Rücktritt des Oberbürgermeisters – [3][und letztlich dem Verlust der | |
SPD-Herrschaft im Rathaus] nach über 70 Jahren. | |
## Büroleiter findet immer noch, das Geld stehe ihm zu | |
Am Ende sah es das Gericht als erwiesen an, dass Personaldezernent Härke | |
monatelang Zulagen für den Chefjuristen und engsten Vertrauten des | |
Bürgermeisters angewiesen hatte, obwohl ihm klar war, dass diese illegal | |
waren. Mehr noch: Härke soll behauptet haben, die Zulagen für Herbert seien | |
mit der Kommunalaufsicht im Innenministerium abgesprochen worden. Das | |
wertete das Gericht als Betrug, weil damit die Bedenken anderer Mitarbeiter | |
im Personaldezernat ausgehebelt wurden. | |
Bei dem Profiteur des Ganzen, Herbert, ist die Bewertung diffiziler: Fast | |
50.000 Euro, rund 1.300 Euro im Monat, hat Schostoks wichtigster Mann bis | |
Mai 2018 zu viel kassiert, den Betrag stottert er bis heute widerwillig von | |
seinem Gehalt ab. | |
Im Grunde scheint Frank Herbert aber immer noch davon überzeugt, dass Geld | |
habe ihm doch eigentlich zugestanden – weil man ihn ja ursprünglich zum | |
Dezernenten hatte machen wollen (was sich politisch nicht durchsetzen | |
ließ), und auch weil er so viel und so hart arbeitete. | |
## Schostok hat es nicht wissen wollen | |
Während der Richter die Urteilsbegründung vorliest, schüttelt er mehrfach | |
den Kopf, pult ansonsten an seiner Handfläche herum und schleicht am Ende | |
an den wartenden Journalisten vorbei aus dem Gerichtssaal, während die | |
anderen beiden Angeklagten ihre Statements abgeben. | |
Dabei hat ihm das Gericht diese subjektive Auffassung sogar abgenommen – | |
die Offenheit Herberts sei ja dicht an einem Geständnis gewesen, sagt der | |
Richter. Nur die Wertung ist letztlich eben eine andere: Herbert hätte | |
seinen Chef – also Schostok – zumindest darüber informieren müssen, dass … | |
da ein paar rechtliche Bedenken gab, hält das Gericht ihm vor. Und auch | |
wenn er die Zulage als Kompensation für Überstunden verstanden wissen | |
wollte, hätte er diese eben ordentlich anzeigen und dokumentieren müssen. | |
Unter dem Strich geht das Urteil von einem vermeidbaren Verbotsirrtum aus, | |
wie es bei Juristen heißt. Sprich: Herbert hätte es besser wissen müssen, | |
wollte das aber lieber nicht. | |
Und dieses Nicht-wissen-Wollen gilt dann erst recht für den angesichts | |
seines Freispruchs sehr, sehr erleichterten Stefan Schostok. Der, sagt das | |
Gericht, hätte natürlich gründlicher prüfen können und vielleicht auch | |
müssen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, als die ersten Gerüchte bei ihm | |
landeten. Aber für den Vorwurf der Untreue reiche das allein eben nicht. | |
Bis zum Schluss, sagt der Richter, habe er offenbar auf seinen Chefjuristen | |
und engsten Mitarbeiter Herbert vertraut. | |
## Ihre Karrieren sind beendet | |
Die Staatsanwaltschaft hatte hier grobere Pflichtverletzungen gesehen und | |
für alle drei Angeklagten Bewährungsstrafen plus Geldstrafen in | |
unterschiedlicher Höhe gefordert. Trotzdem zeigte sich Oberstaatsanwalt | |
Thomas Klinge nicht unzufrieden mit dem Urteil. Das Gericht sei „in | |
Nuancen“ zu einer anderen Bewertung gekommen, die Materie eben sehr | |
komplex, man werde die Begründung gründlich prüfen, bevor man über eine | |
mögliche Revision entscheide, sagt er. | |
Was übrig bleibt, sind drei Männer, deren Karrieren auch mit milden Strafen | |
beendet sind. Auch wenn Ex-OB Schostok im Gerichtsflur betont, dass er ja | |
erst 56 Jahre alt werde und sich durchaus vorstellen könne, sich wieder | |
politisch zu engagieren. | |
23 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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